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Mit ‘Schlaf’ getaggte Beiträge

Wacher Geist, schlafender Körper

Was wissen wir über die Schlafparalyse und deren Ursachen?

Schlafparalysen zeichnen sich durch das Zusammentreffen klaren Denkens und dem Gefühl eines gelähmten Körpers aus. Diese ungewohnte Erfahrung bereitet dabei vielen Leuten Gefühle von Panik und Grusel – obwohl Schlafparalysen eigentlich gar nicht gefährlich sind.

Von Lena Kohler
Lektoriert von Arne Hansen und Alissa Lusti
Illustriert von Andrea Bruggmann

Der Geist wacht auf, der Körper schläft weiter: Ungefähr vierzig Prozent der Bevölkerung befinden sich mindestens einmal im Leben in diesem ungewöhnlichen Zustand (Schütze, 2022). Bei diesem Zustand handelt es sich um die Schlafparalyse; einer Schlafstörung, bei welcher kurzzeitig die willentliche Kontrolle über die Skelettmuskulatur inhibiert wird, ein Prozess, welcher auch Schlafatonie genannt wird (Denis et al., 2018).

«Ich war orientiert, konnte Stimmen hören. Geistig war ich wach, ich wusste genau, wo ich bin. Aber ich konnte mich halt nicht bewegen.»

Viktoria Schütze, 2022

Dieser Prozess geschieht im Übergang zwischen Rapid Eye Movement (REM)-Phasen zu anderen Schlafphasen aufgrund verlangsamter Umschaltung von Prozessen und findet am Anfang des Schlafes hypnagogisch oder hypnopompisch kurz vor dem Aufwachen statt (Sharpless & Barber, 2011; Schütze, 2022).

Obwohl das Gefühl plötzlich gelähmt zu sein bei den Betroffenen bereits unbehagliche Gedanken auslöst, sind es meist die lebhaften Halluzinationen von Menschen oder supernatürlichen Gestalten, welche den beängstigenden Charakter der Schlafparalyse kennzeichnen und für die hohe Intensität der erlebten Furcht in Relation zu Furcht bei normalem Träumen ursächlich sind (Denis et al., 2018). Die Lebhaftigkeit der Halluzinationen wird dabei oft durch die intakte okulare Muskulatur sowie das Liegen in Rückenlage begünstigt. Dies, da die Betroffenen die unheimlichen Gestalten, welche  Produkt des generell unheimlichen Gefühls während des Schein-gelähmt-seins und des Mitnehmens von Gestalten aus Träumen während des REM-Schlafs sind, so tatsächlich sehen können (Sharpless & Barber, 2011; Schütze, 2022). Für Betroffene fühlt sich das Erleben von Atonie und Halluzinationen quälend lange an – laut Forschung halten Schlafparalysen jedoch nur wenige Sekunden bis einige Minuten an (Schütze, 2022).

Was löst diesen Zustand aus?

Wie bereits erwähnt, gehen Wissenschaftler davon aus, dass sich Schlafparalysen aus dem Übergang von REM-Phasen in andere Schlafphasen entwickeln; genaue Ursachen des Phänomens sind jedoch unbekannt (Denis et al., 2018). Einzig Faktoren, welche mit Schlafparalysen assoziiert sind, konnten bisher identifiziert werden. Als Schlafstörung werden Schlafparalysen oft mit Narkolepsie eine Störung, welche sich durch Schlaf-Wach-Dysregulation auszeichnet  in Verbindung gebracht und gelten als Symptom dieser Erkrankung (Denis et al., 2018; Pramsohler, 2020). Tritt Schlafparalyse ohne die Diagnose der Narkolepsie auf, spricht man von isolierter Schlafparalyse. Wiederholtes Auftreten solcher Episoden bezeichnet man als wiederkehrende isolierte Schlafparalyse (Denis et al., 2018). Auch andere Variablen bezüglich des Schlafes werden mit Schlafparalysen assoziiert: Eine tiefe subjektive Schlafqualität, Insomnie-Symptome, sowie das Erleben von Alpträumen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, an Schlafparalysen zu leiden (Denis, 2018).

Verbindung zu anderen REM-Schlaf-Phänomenen

Neben Schlafparalysen werden auch andere Phänomene wie luzide Träume, ausserkörperliche Erfahrungen und False Awakening mit REM-Schlaf assoziiert (Raduga et al., 2020). Daher ist es nicht überraschend, dass Betroffene eines dieser Phänomene oft auch mit einem anderen dieser Phänomene Erfahrungen machen (Raduga et al., 2020). Bekannt ist, dass die meisten mindestens ein REM-Schlaf-Phänomen über die Lebensspanne erleben (Raduga et al., 2020).

Des Weiteren konnte eine Beziehung zwischen psychischen Störungsbildern und Schlafparalysen hergestellt werden, wobei vor allem deren Koexistenz mit unspezifischen Angststörungen, Panikstörungen und Posttraumatischen Belastungsstörungen untersucht wurde (Sharpless & Barber, 2011; Wróbel-Knybel et al., 2022). Dabei zeigt die Frequenz von Schlafparalyse-Episoden eine signifikante Verbindung mit sexuellem Missbrauch während des Kindesalters – unabhängig davon, ob sich die Betroffenen an dieses traumatische Ereignis erinnern können (Denis et al., 2018). Neben pathologischer Angst und Traumata treten Schlafparalysen generell häufiger bei hohem selbstberichtetem Stress, einer hohen Anzahl erlebter traumatischer Ereignisse und Professionen mit hohem Stressniveau auf (Denis et al., 2018; Wróbel-Knybel et al., 2022).

Wie Kultur dazu beiträgt

In vielen Fällen stehen die halluzinierten Gestalten in direkter Verbindung mit der Folklore der Kultur der Betroffenen (Denis et al., 2018). Aus diesem Grund ergaben sich über die Zeit eine Vielzahl von alternativen Erklärungen für die Schlafparalyse: von Hexerei in europäischen Gesellschaften über Angriffe von Schamanen oder bösartigen Geistern bei den Inuit bis zu Gedanken an die Entführung durch Ausserirdische (Davies, 2003; Law & Kirmayer, 2005; Denis et al., 2018).

Während die Schlafparalyse laut heutigem Forschungsstand auf kein spezifisches Gen zurückgeführt werden kann, wird ihr eine moderate Vererbbarkeit zugeschrieben (Denis et al., 2018). Demografische Variablen wie Geschlecht und Alter weisen in den meisten Studien keine signifikante Beziehung zur Schlafparalyse auf, was die Ethnizität angeht, sind die Befunde gemischt. Interessant ist, dass nicht-kaukasische Individuen in mehreren Studien höhere Inzidenzraten aufweisen, wobei diese höhere Ausprägungen von Furcht beinhalten (Denis et al., 2018; Sharpless & Barber, 2011).

Potentielle Behandlungsmöglichkeiten

Wie im letzten Abschnitt erläutert, handelt es sich bei Schlafparalysen um ein komplexes Phänomen, welches multifaktoriell beeinflusst wird und nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen ist. Dies und die Tatsache, dass die Schlafparalyse in Kliniken nicht routinemässig diagnostiziert und behandelt wird, trägt dazu bei, dass sich bisher wenige Behandlungsmöglichkeiten finden liessen (Sharpless, 2016).

Eine dieser Möglichkeiten nennt sich Meditation-Relaxation-Therapie (MR-Therapie). Die MR-Therapie unterteilt sich in vier Phasen, welche während der Schlafparalyse durchgeführt werden: Als Erstes wird die Schlafparalysen-Episode neu bewertet, anschliessend distanziert sich der*die Betroffene emotional und psychisch davon. Als dritter Schritt folgt eine Meditation mit Fokus nach innen, und schlussendlich werden Muskelrelaxations-Techniken durchgeführt (Jalal et al., 2020). Um das Anwenden dieser Methode bei tatsächlichem Eintreten einer Schlafparalyse zu vereinfachen, wird empfohlen, sie regelmässig in Absenz einer Schlafparalyse in Rückenlage zu üben (Jalal, 2016). Meditation wird Betroffenen auch isoliert empfohlen, da dies die Dauer des Deltaschlafes, und somit die Schlafqualität, erhöht und die Wahrscheinlichkeit einer Schlafparalyse verringert, wodurch die Therapie gesamthaft effektiver wird (Jalal, 2016). Eine Pilotstudie der MR-Therapie konnte was die Anzahl von Episoden und Tagen betrifft, an denen die Schlafparalyse auftrat, im Vergleich zur Kontrollgruppe eine Abnahme von 50 Prozent verzeichnen (Jalal et al., 2020). Des Weiteren berichteten Patient*innen in der Testgruppe von einer Verminderung der Unruhe während Halluzinationen (Jalal et al., 2020). Die Resultate dieser Studie suggerieren, dass MR-Therapie eine geeignete Behandlungsoption für Schlafparalysen darstellt. Um deren klinischen Nutzen vollständig zu erheben, ist es jedoch nötig, mehrere randomisierte Experimente diesbezüglich durchzuführen (Jalal et al., 2020).

Eine andere Behandlungsmöglichkeit bietet die Neuropharmakologie, wobei der Serotonin-5-HT2A-Rezeptor im Fokus liegt (Jalal, 2018). Dieser Serotoninrezeptor spielt eine zentrale Rolle bei der Vermittlung von visuellen Halluzinationen und der Verarbeitung von visuellen Reizen allgemein, und ist in grosser Anzahl im visuellen Kortex vorhanden (Jalal, 2018). Auch in Gebieten, welche mit dem Erleben von Furcht im Zusammenhang mit mystischen Erfahrungen und der Tendenz, bedeutungslose Reize als persönlich wichtig zu interpretieren, assoziiert sind, finden sich viele 5-HT2A-Rezeptoren (Jalal, 2018). Dadurch ergibt sich die Hypothese, dass die Aktivierung von 5-HT2A-Rezeptoren die Halluzinationen bei Schlafparalysen verursachen (Jalal, 2018). Laut dieser Hypothese kommt als Behandlungsmöglichkeit von Schlafparalyse-induzierten Halluzinationen der inverse 5-HA2A Agonist «Primavanserin» (auch als Nuplazid bekannt) in Frage, welcher bisher vor allem zur Behandlung von Halluzinationen bei Parkinson-Patient*innen zum Einsatz kam (Jalal, 2018). Jedoch ist es auch hier nötig, das Medikament zuerst in sicheren Konditionen mehrmals zu testen, bevor dessen Effektivität zur Behandlung von Schlafparalysen abschliessend geklärt werden kann.


Zum Weiterlesen

Schütze, Viktoria. (2022). Schlafparalyse: Wenn der Geist aufwacht, aber der Körper nicht. National Geographic. https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2021/12/schlafparalyse-wenn-der-geist-aufwacht-aber-der-koerper-nicht

Literatur

Davies, O. (2003). The nightmare experience, sleep paralysis, and witchcraft accusations. Folklore, 114(2), 181–203. https://doi.org/10.1080/0015587032000104211

Denis, D. (2018). Relationships between sleep paralysis and sleep quality: Current insights. Nature and Science of Sleep, 10, 355–367. https://doi.org/10.2147/NSS.S158600

Denis, D., French, C. C., & Gregory, A. M. (2018). A systematic review of variables associated with sleep paralysis. Sleep Medicine Reviews, 38, 141–157. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2017.05.005

Jalal, B. (2016). How to make the ghosts in my bedroom disappear? Focused-attention meditation combined with muscle relaxation (MR Therapy) – A direct treatment intervention for sleep paralysis. Frontiers in Psychology, 7. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2016.00028

Jalal, B. (2018). The neuropharmacology of sleep paralysis hallucinations: Serotonin 2A activation and a novel therapeutic drug. Psychopharmacology, 235(11), 3083–3091. https://doi.org/10.1007/s00213-018-5042-1

Jalal, B., Moruzzi, L., Zangrandi, A., Filardi, M., Franceschini, C., Pizza, F., & Plazzi, G. (2020). Meditation-Relaxation (MR Therapy) for sleep paralysis: A pilot study in patients with narcolepsy. Frontiers in Neurology, 11, 922. https://doi.org/10.3389/fneur.2020.00922

Law, S., & Kirmayer, L. J. (2005). Inuit interpretations of sleep paralysis. Transcultural Psychiatry, 42(1), 93–112. https://doi.org/10.1177/1363461505050712

Pramsohler, B. (2020). Narkolepsie: Häufig verzögerte Diagnosestellung. psychopraxis. neuropraxis, 23(2), 65–69. https://doi.org/10.1007/s00739-020-00625-9

Raduga, M., Kuyava, O., & Sevcenko, N. (2020). Is there a relation among REM sleep dissociated phenomena, like lucid dreaming, sleep paralysis, out-of-body experiences, and false awakening? Medical Hypotheses, 144, 110169. https://doi.org/10.1016/j.mehy.2020.110169

Schütze, Viktoria. (2022). Schlafparalyse: Wenn der Geist aufwacht, aber der Körper nicht. National Geographic. https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2021/12/schlafparalyse-wenn-der-geist-aufwacht-aber-der-koerper-nicht

Sharpless, B. A., & Barber, J. P. (2011). Lifetime prevalence rates of sleep paralysis: A systematic review. Sleep Medicine Reviews, 15(5), 311–315. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2011.01.007

Sharpless, B. (2016). A clinician’s guide to recurrent isolated sleep paralysis. Neuropsychiatric Disease and Treatment, 12, 1761–1767. https://doi.org/10.2147/NDT.S100307

Wróbel-Knybel, P., Flis, M., Rog, J., Jalal, B., Wołkowski, L., & Karakuła-Juchnowicz, H. (2022). Characteristics of sleep paralysis and its association with anxiety symptoms, perceived stress, PTSD, and other variables related to lifestyle in selected high stress exposed professions. International Journal of Environmental research and Public Health, 19(13), 7821. https://doi.org/10.3390/ijerph19137821

Selbstregulation und Schlaf

Wie Schlaf unsere Selbstregulation beeinflusst und umgekehrt  

Igel halten Winterschlaf, Bären fangen mit der Winterruhe an, sobald es draussen kälter wird. Aber was machen wir Menschen, um unseren Körper zu regulieren, um ihn trotz wechselnder Umweltbedingungen im Gleichgewicht zu halten? Wie kann unser Schlaf dabei einen Einfluss auf unsere Selbstregulation nehmen oder umgekehrt?  

Von  Lisa Makowski
Lektoriert von Laurina Stählin  und Jenny Lienhart
Illustriert von Lisa Makowski

In Gesundheitsfragen liest man sehr oft von Selbstregulation. Sie ist wichtig für uns selber, für das Aufrechterhalten von Gesundheit und Bewegung. Deshalb spielt Selbstregulation auch eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, während einer Diät auf Bewegung und Ernährung zu achten (Hagger, 2010). Aber auch, wenn man versucht, bestimmte Verhaltensweisen wie häufiges Rauchen zu unterlassen oder seinen Alkoholkonsum einzuschränken, ist die Selbstregulation ein entscheidender Faktor (Hagger, 2010). Wie lässt sich dieser Begriff definieren? Was steckt hinter dem Begriff Selbstregulation?   

Selbstregulation: eine Definition  

Selbstregulation kann wie folgt definiert werden:  

«(…) act of managing cognition and emotion to enable goal-directed actions such as organizing behavior, controlling impulses, and solving problems constructively.» 

Murray, Rosanbalm, Christopoulos, & Hamoudi, 2014, S. 3 

Es geht folglich um einen Prozess, in den kognitive aber auch emotionale Komponenten einfliessen. Der Entwicklungspsychologe Lev Vygotski ging davon aus, dass sich die Selbstregulation über das Kleinkindalter bis hin zur Primarschule entwickeln kann (Murray et al., 2014). Er verglich es dabei mit der selbst-direktiven Sprache (Schunk & Zimmermann, 1997). Lernt das Kind also, dass es ausserhalb von seiner Person auch Kinder und Menschen gibt, die selbstständig denken und handeln, wechselt es seine Reizaufnahme. Es nimmt nicht mehr wahllos alles auf, sondern koordiniert und organisiert die eigene Reizaufnahme im Kopf und reagiert so, wie es selbst reagieren möchte (Schunk & Zimmermann, 1997). Es reguliert sich selbst.  

Dagegen gab Bandura der Selbstregulation eine kognitive Komponente (Schunk & Zimmermann, 1997). Er entwickelte ein Prozessmodell, welches aus drei Subprozessen besteht: Selbstbeobachtung, Selbstbeurteilung und Selbstreaktion. Dabei hängt das Gefühl, eine gute Selbstregulation zu besitzen, auch davon ab, inwiefern man sich selbst als wirksam erlebt (Schunk & Zimmermann, 1997).  

«(…) self-regulation is more clearly driven by awareness itself, rather than by self-relevant cognitions»

Brown, Ryan, & Creswell, 2007b, S. 216 

Selbstregulation kann aber auch ein motivationaler Prozess sein und davon abhängen, woher die eigene Motivation stammt (Schunk & Zimmermann, 1997). Bei einer guten Selbstregulation ist die Motivation intrinsisch. Wir wollen zum Beispiel gute Noten haben, weil wir auf die Universität unserer Wahl gehen wollen. Die Selbstregulation wird von uns selber beeinflusst, da sie von unserer Motivation abhängig ist (Schunk & Zimmermann, 1997). In allen Theorien spielen neben den eigenen Faktoren aber auch Umweltfaktoren eine entscheidende Rolle (Schunk & Zimmermann, 1997). Selbstregulation ist folglich beeinflussbar durch kognitive, emotionale und behaviorale Faktoren (Owens, Dearth-Wesley, Lewin, Gioia, & Whitaker, 2016). Was hat der Schlaf nun aber mit Selbstregulation zu tun?  

Schlaf  

Für die Gesundheit ist es nicht nur wichtig, sich selbst regulieren zu können, indem man sich seiner Verhaltensweisen bewusst wird und diesen gegebenenfalls entgegensteuert. Auch Schlaf ist ein wichtiger gesundheitsbezogener Faktor und spielt immer mehr eine Rolle in Studien, die mittels Selbstregulation gesunde Verhaltensweisen untersuchen wollen (Hagger, 2010). Dabei spielt Schlaf eine intermediäre Rolle. Man weiss, dass mit psychologischem, emotionalem und körperlichem Wohlbefinden eine gute Schlafqualität einhergeht (Howell, Digdon, & Buro, 2010). Welche Wechselwirkung hier allerdings besteht, bleibt offen. Verbessert die Selbstregulation also meinen Schlaf oder fördert guter Schlaf meine Selbstregulation? Was ist, wenn beides nicht adäquat funktioniert?  

Prozesse der Selbstregulation finden im präfrontalen Kortex, der Amygdala und dem ventralen Striatum statt. Das sind Bereiche, die auch während der Entwicklung in der Adoleszenz sehr wichtig sind (Owens et al., 2016). Das Funktionieren in diesen Bereichen und die Entwicklung in der Adoleszenz wird durch den Schlaf beeinflusst. Ist dieser nicht in ausreichendem Masse vorhanden, hat das negative Effekte zur Folge. Kann folglich eine gute Selbstregulation auch dabei helfen, die Entwicklung durch den Schlaf positiv zu beeinflussen?  

Selbstregulation hilft dem Schlaf, Schlaf hilft der Selbstregulation?  

Es zeigte sich, dass die kurzzeitige experimentelle Schlafmanipulation bei jungen Kindern, Schulkindern und Adoleszenten einen Einfluss auf deren Selbstregulation und Abschneiden bei komplexen Aufgaben hat (Owens et al., 2016).  
Andere Ergebnisse zeigen auch, dass es einen Unterschied für die Selbstregulation macht, ob man eher ein Abend- oder ein Morgenmensch ist. Es zeigte sich, dass insbesondere Abendmenschen eine niedrigere Selbstregulation haben im Vergleich zu Morgenmenschen (Hagger, 2010; Owens et al., 2016). Bei Adoleszenten zeigte sich das auch im Zusammenhang mit der Tagesschläfrigkeit. Fühlten sich die jungen Erwachsenen tagsüber meistens müde, war auch ihre eigene Selbstregulation tiefer (Owens et al., 2016). Was sind aber Abendmenschen und was Morgenmenschen? 

Mit Abendmenschen sind Personen gemeint, die am Abend gerne länger wach bleiben oder länger nicht einschlafen können (Owens et al., 2016). Als Folge dessen müssen sie – betrachtet hinsichtlich ihres Rhythmus – am Morgen früher aufwachen und erreichen so oftmals keine ausreichende Schlafdauer. Ihre zirkadiane Uhr ist verstellt (Owens et al., 2016). Sie haben einen eigenen Rhythmus entwickelt, der jedoch immer mehr von ihren täglichen Aufgaben und Anforderungen abzuweichen scheint. So haben ihre Umweltfaktoren keinen guten Einfluss auf ihren Lebensstil. Sie müssen dann arbeiten, wenn sie es eigentlich gar nicht können, und gehen erst dann schlafen, wenn sie schon längst schlafen sollten (Owens et al., 2016). Leidet darunter die Selbstregulation?  

Es zeigte sich, dass Schlafentzug einen negativen Einfluss auf die Selbstregulation hat (Owens et al., 2016). Dabei war aber nicht die Stundenanzahl, also die Quantität des Schlafes entscheidend, sondern vielmehr die Qualität des Schlafes (Barnes, 2012). Damit ist gemeint, wie schnell die Person einschläft, wie gut sie durchschläft, ob sie ihre Tiefschlafphase erreicht oder nicht und wie früh oder spät sie erwacht. Dabei zeigte sich die tagsüber empfundene Schläfrigkeit als eindeutiger Prädiktor für die Ausprägung der Selbstregulation, hingegen die exakte Schlafdauer nicht. Auch zeigte sich, dass chronischer Schlafentzug oder andere Schlafprobleme zu weiteren gesundheitlichen Problemen führen können wie zum Beispiel früheres Rauchen (Owens et al., 2016). Schlafprobleme können aber auch zunehmend negativen Einfluss auf den Alltag haben und so das eigene Arbeiten behindern (Barnes, 2012). Dabei kann es zu einer eingeschränkten Aufnahmefähigkeit und Problemen mit den exekutiven Funktionen kommen (Barnes, 2012; Owens et al., 2016). Greift die Selbstregulation durch den Schlafentzug nicht mehr richtig ein? Mehr Schlaf oder andere Schlafgewohnheiten, kann dies helfen?  

Neben der neuronalen Position der Selbstregulation, die sich insbesondere in der Amygdala und im präfrontalen Kortex befindet, spielt auch der Glukosehaushalt in diesen Hirnregionen eine wichtige Rolle. Glukose führt zu gesteigerten Gehirnaktivitäten in diesen Regionen und steigert somit auch die Selbstregulation (Barnes, 2012; Owens et al., 2016). Während des Tages wird Glukose im Gehirn verbraucht und während des Schlafes wieder aufgefüllt. Dieser Stoffwechsel nimmt ab, sobald es zu Schlafdeprivation kommt (Barnes, 2012). Somit wird Selbstregulation insbesondere durch eine zu geringe Schlafquantität und schlechte Schlafqualität verringert (Barnes, 2012). Schlechte Schlafqualität hat wiederum einen Einfluss auf die Alertness, was wiederum unser Machen und Tun während des Tages beeinflusst (Barnes, 2012). Unsere Aufmerksamkeit kann nicht adäquat reagieren, wir verarbeiten nicht mehr vollständig, was wir verarbeiten sollten. Das hat einen Einfluss auf unseren Alltag und wie wir diesen bewältigen. Uns selber zu regulieren wird schwierig (Barnes, 2012).  

Aber auch auf unser emotionales Befinden und unsere emotionale Kontrolle können Schlaf und eine mangelnde Selbstregulation einen Einfluss haben (Barnes, 2012). Die Amygdala und der präfrontale Kortex sind wichtige Bereiche, wenn es darum geht, seinen Affekt zu regulieren (Owens et al., 2016). Affektkontrolle kann beim Treffen von Entscheidungen wichtig sein. Man möchte die negativen Emotionen herunter- und die positiven eher hochregulieren. Ist die Selbstregulation nun beeinträchtigt, da der Schlaf in den letzten Nächten ausblieb oder nicht adäquat stattfand, kann das zu erheblichen Schwierigkeiten in der Affektkontrolle führen (Barnes, 2012). Hierbei ist vor allem die Schlafqualität ein entscheidender Faktor. Die Selbstregulation kann nicht wie gewohnt stattfinden, da die Person nicht genügend Energie hat, um ihre Emotionen zu kontrollieren.  

Machen wir die Augen zu  

Entscheidungen zu treffen, kann auch durch Selbstregulationsprozesse beeinflusst sein. Sie hilft uns dabei, abzuwägen, was für uns sinnvoller ist. Schlafen wir zu wenig oder nicht gut oder gar beides, hat das einen Einfluss auf unser Verhalten während des Alltags. Unsere Aufmerksamkeit kann darunter leiden, aber auch unser Abwägen von Kosten und Nutzen (Barnes, 2012). Können wir dann überhaupt noch adäquat Entscheidungen treffen? 

Schlaf spielt eine sehr wichtige Rolle bei unserer Selbstregulation. Dabei hat sich insbesondere die Schlafqualität als ein entscheidender Faktor herausgestellt, der beeinflusst, wie gut wir uns während eines Tages selber regulieren können (Owens et al., 2016). Es spielen neben motivationalen und kognitiven auch neuronale Faktoren eine Rolle. Der Glukosehaushalt ist wichtig für die Selbstregulation. Bei mangelnder Schlafqualität, wie spätes Zu-Bett-Gehen und dementsprechend zu frühes Aufstehen, kommt es hier zu Beeinträchtigungen und damit auch zu einem Einfluss auf die kognitiven und emotionalen Fähigkeiten (Barnes, 2012). Um dabei einzugreifen und gegenzusteuern, kann zum Beispiel eine geordnete Schlafhygiene helfen und so die Schlafqualität erhöht werden (Todd & Mullan, 2013). Dabei konnte gezeigt werden, dass es einen positiven Einfluss auf die Schlafqualität haben kann, nicht hungrig oder durstig ins Bett zu gehen, angst- oder stressauslösende Aktivitäten vor dem Schlafengehen zu vermeiden, sowie Bett und Schlafzimmer gemütlich zu gestalten (Todd & Mullan, 2013). Auch können gedankliche Strategien, wie Achtsamkeitstrainings, auf Englisch Mindfulness based trainings, helfen und so nicht nur den Schlaf, sondern auch die eigene Selbstregulation und Gesundheit verbessern (Brown, Ryan, & Creswell, 2007b; Howell, Digdon, & Buro, 2010; Loft & Cameron, 2013).  

«Self regulation refers to the efforts undertaken by humans to alter their thoughts, feelings, desires and actions in the perspective of personally relevant goals.» 

Kroese, Evers, Adriaanse, & de Ridder, 2016, S. 854.  

Gehen wir also lieber heute mal früher ins Bett, schliessen unsere Augen und schlafen.  Machen wir es wie die Igel momentan und schlafen, um uns die Selbstregulation zu erleichtern und uns vor schlechten Entscheidungen zu schützen (Meili, 2017).  

Bedtime Procrastination  

Dieser Begriff geht auf selbstregulative Prozesse und den Schlaf ein. Gehen wir später ins Bett, als wir es vorhatten und ohne, dass es dafür einen externalen Grund gibt, betreiben wir sogenannte Bedtime Procrastination (Kroese, Evers, Adriaanse, & de Ridder, 2016). Wir prokrastinieren also, um nicht zu schlafen. Dieses Phänomen betrifft immer mehr Personen in der Bevölkerung. Dabei geht es nicht nur darum, dass man später ins Bett geht, sondern dass man das so nicht vorhatte. Das Verschieben der Einschlafzeit resultiert also aus einer geringen Selbstregulation. Der Begriff Prokrastination steht für geringe selbstregulative Fähigkeiten und wird sonst im Kontext von Beruf und Arbeit situiert und diskutiert (Kroese et al., 2016). Haben Personen eine geringe Selbstregulation, können sie Versuchungen weniger gut widerstehen. Man geht mittlerweile auch davon aus, dass geringer Schlaf und schlechte gesundheitliche Angewohnheiten aus einer geringeren Selbstregulation entspringen. Kroese und Kollegen (2016) untersuchten 2637 dänische Personen im Alter von 16 bis 97 Jahren und konnten zeigen, dass Personen mit häufigerer Bettprokrastination und geringerer Selbstkontrolle eher nicht ausreichend Schlaf erlebten (Kroese et al., 2016). Insbesondere dann, wenn sie nicht Studenten, weiblich und jünger waren. Die Selbstregulation könnte ein Grund dafür sein. Personen mit geringerer Selbstregulation sind auch leichter ablenkbar von ihrer Umwelt und schauen vielleicht deshalb am Abend länger fern als sie sollten oder spielen noch einmal eine Runde mehr eines Computerspiels, auch wenn sie wissen, dass sie es am Morgen bereuen werden (Kroese et al., 2016). Wir können also nicht nur am Tag, sondern auch abends prokrastinieren.  

Prokrastinierst du vor dem Schlafengehen?  

Bedtime Procrastination Scale 

For each of the following statements, please decide whether it applies to you using a scale from 1 (almost) never to 5 (almost) always.  

  • (1) I go to bed later than I had intended.  
  • (2) I go to bed early if I have to get up early in the morning. (reverse coded) 
  • (3) If it is time to turn off the lights at night I do it immediately. (reverse coded) 
  • (4) Often I am still doing other things when it is time to go to bed.  
  • (5) I easily get distracted by things when I actually would like to go to bed.  
  • (6) I do not go to bed on time.  
  • (7) I have a regular bedtime which I keep to. (reverse coded) 
  • (8) I want to go to bed on time but I just do not.  
  • (9) I can easily stop with my activities when it is time to go to bed. (reverse coded)  

Zum Weiterlesen 

Hagger, M. S. (2010). Sleep, Self-Regulation, Self-Control and Health. Stress and Health, 26, 181-185.  

Kroese, F. M., Evers, C., Adriaanse, M. A., & de Ridder, D. T. D. (2016). Bedtime procrastination: A self-regulation perspective on sleep insufficiency in the general population. Journal of Health Psychology, 21(5), 853-862.  

Literatur

Barnes, C. M. (2012). Working in our sleep: Sleep and self-regulation in organizations. Organizational Psychology Review, 2(3), 234-257.  

Brown, K. W., Ryan, R. M., Creswell, J. D. (2007b). Mindfulness: Theoretical foundations and evidence for its salutary effects. Psychological Inquiry, 18, 211-237. 

Hagger, M. S. (2010). Sleep, Self-Regulation, Self-Control and Health. Stress and Health, 26, 181-185.  

Howell, A. J., Digdon, N. L., & Buro, K. (2010). Mindfulness predicts sleep-related self-regulation and well-being. Personality and Individual Differences, 48(2010), 419-424.  

Kroese, F. M., Evers, C., Adriaanse, M. A., & de Ridder, D. T. D. (2016). Bedtime procrastination: A self-regulation perspective on sleep insufficiency in the general population. Journal of Health Psychology, 21(5), 853-862.  

Loft, M. H., & Cameron, L. D. (2013). Using Mental Imagery to Deliver Self-Regulation Techniques to Improve Sleep Behaviors. The Society of Behavioral Medicine, 46, 260-272.  

Meili, M. (2017). Tierische Ruhe. Tagesanzeiger Online. Retrieved from: https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/natur/tierische-ruhe/story/11675544 (14.01.2018)  

Murray, D. W., Rosanbalm, K., Christopoulos, C., & Hamoudi, A. (2014). Self-Regulation and Toxic Stress: Foundations for Understanding Self-Regulation From an Applied Developmental Perspective. OPRE Report#2015-21, Washington, DC: Office of Planning, Research and Evaluation, Administration for Children and Families, U.S- Department of Health and Human Services. Retrieved from: https://www.acf.hhs.gov/sites/default/files/opre/report_1_foundations_paper_final_012715_submitted_508.pdf (14.01.2018)  

Owens, J. A., Dearth-Wesley, T., Lewin, D., Gioia, G., & Whitaker, R. C. (2016). Self-Regulation and Sleep Duration, Sleepiness and Chronotype in Adolescents.  

Pediatrics, 138(6), e20161406.  

Schunk, D. H., & Zimmermann, B. J. (1997). Social Origins of Self-Regulatory Competence. Educational Psychologist, 32, 195-208.  

Todd, J., & Mullan, B. (2013). The role of self-regulation in predicting sleep hygiene in university students. Psychology, Health & Medicine, 18(3), 275-288. 

Bruxismus – Zähne zusammen und durch!

Die umstrittene Ätiologie, Problematik und Funktion des Zähneknirschens 

Obwohl es sich bei Bruxismus um ein medizinisches Problem handelt, deutet sogar die Alltagssprache auf eine Verbindung zur Psychologie hin. Diese nicht unumstrittene Assoziation führt viele Jahre zurück und wirft eine noch grundlegendere Frage auf: Hat Bruxismus auch eine adaptive Funktion? 

Von Julia J. Schmid
Lektoriert von Phillip Seibt und Marina Reist
Illustriert von Kerry Willimann

Die Idee eines Artikels zu Bruxismus kam mir etwas unkonventionell vor. Da mich das Thema aber bereits seit einiger Zeit beschäftigte, wagte ich es dennoch, den Vorschlag in unsere halbjährliche Konzeptsitzung einzubringen. Statt der erwarteten Fragen wie «Bruxismus, was ist das?!» oder «Ein Artikel zu Zahnproblemen in einem Psychologiemagazin?!», stiess das Thema auf Begeisterung und endete in einer Diskussion über die eigenen Erfahrungen mit Zähneknirschen. Ist die Assoziation zwischen Bruxismus und Psychologie also doch gar nicht so abwegig?  

Bruxismus, was ist das?! 

Bruxismus, umgangssprachlich auch Zähneknirschen genannt, bezeichnet eine sich wiederholende Kaumuskelaktivität, die durch Knirschen oder Pressen mit den Zähnen und/oder durch Verkrampfen und Anspannen des Unterkiefers gekennzeichnet ist (Lobbezoo et al., 2013). Dabei werden extrem starke Kräfte ausgeübt, die die des funktionellen Kauens weitaus übersteigen und den Kiefer enorm belasten (Slavicek & Sato, 2004). Dies kann neben Schmerzen und Schmerzausstrahlung zu zahlreichen zahnärztlichen Folgeschäden führen (Slavicek & Sato, 2004). Die Folgeschäden können die Zähne direkt betreffen (z. B. Abnutzung der Zahnsubstanz), den Zahnhalteapparat (z. B. Zahnlockerungen), die Muskulatur (z. B. Funktionsstörungen, Überempfindlichkeit) oder die Kiefergelenke (z. B. Einschränkungen der Unterkieferbeweglichkeit, Gelenkknacken) (Korn, 2005). Häufig stellen sich die Betroffenen beim Arzt aufgrund von Kopf-, Gesichts-, Kiefer-, Zahn- und Ohrenschmerzen oder Verspannungen der Kau- und Nackenmuskulatur vor (Vavrina & Vavrina, 2020). Im Falle einer Schmerzchronifizierung, treten teilweise zusätzlich Angst- und Depressionssymptome auf (Jochum et al., 2019). Bruxismus geht aber nicht zwingend mit den genannten Symptomen einher (Peroz, 2018). Rund 60 Prozent der Betroffenen sind beschwerdefrei oder sich ihrer Bruxismusaktivität nicht einmal bewusst (Hoffmann & Piekartz, 2020). In Einzelfällen führt das dazu, dass der Bruxismus erst beim Zahnarztbesuch aufgrund von Zahnschäden erkannt wird (Vavrina & Vavrina, 2020).  

Am Tag ist nicht gleich in der Nacht 

Aus ätiologischen Gründen wird anhand der Tageszeit, zu der das Knirschen auftritt, zwischen Wach- und Schlafbruxismus unterschieden (Lavigne et al., 2008). Schlafbruxismus wird als unbewusste schlafassoziierte Bewegungsstörung angesehen, die in Verbindung mit Schlafstadienwechseln und sogenannten Mikroweckreaktionen («sleep-micro-arousal») auftritt (Bernhardt, 2015). Wachbruxismus findet im Wachzustand statt und kann somit bewusst wahrgenommen werden (Bernhardt, 2015). Betroffene können unter einer oder beiden Formen gleichzeitig leiden, wobei letzteres das Risiko für auftretende Schmerzen stark erhöht (Schmoeckel et al., 2018). Die Prävalenz des Wachbruxismus liegt unter Erwachsenen bei 20 Prozent und tritt bei Frauen vermehrt auf (Lavigne et al., 2008). Der Schlafbruxismus ist geschlechtsunabhängig und kommt, mit einer Prävalenz von ungefähr 8 Prozent aller Erwachsener, etwas seltener vor (Ommerborn, 2013). Am häufigsten tritt Bruxismus zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr auf (Peroz, 2018; Vavrina & Vavrina, 2020). Bruxismus ist also kein seltenes, sondern ein in der Bevölkerung weit verbreitetes Phänomen (Vavrina & Vavrina, 2020). 

Ein Artikel zu Zahnproblemen in einem Psychologiemagazin?! 

Die Verbindung zwischen Bruxismus und Psychologie hat sich sogar in unseren alltäglichen Sprachgebrauch eingeschlichen (Schule, 2008). Verschiedene Redewendungen und Ausdrücke wie «Zähne zusammen und durch», «die Zähne zusammenbeissen», «auf die Zähne beissen», «da musst du dich jetzt durchbeissen», «man beisst sich daran die Zähne aus», «er hat sich daran festgebissen», «verbissen», «zähneknirschend», «die Zähne zeigen» oder «Probleme durchkauen» verdeutlichen eindrücklich die Assoziation zwischen der Kaumuskelaktivität und psychologischen Phänomenen. Das Zusammenpressen der Zähne wird im Alltag also mit einer allgemeinen Anspannung in Verbindung gebracht (Lange, 2013). Noch vor Beginn der modernen Wissenschaft galt der Bruxismus in der Sprache, Literatur und Kunst als Symbol für Frustration, Angst und psychische Erregung (Lange, 2016). Doch ist diese in unserer Kultur und Sprache verankerte Assoziation auch wissenschaftlich belegt?  

Emotionale Anspannung als Ursache? – Wenn sich Selbstberichts- und EMG-Daten widersprechen 

Die sich im Sprachgebrauch andeutende Annahme, dass Bruxismus mit angespannten Lebenssituationen zusammenhängt, hat eine lange Tradition, die bis ins Altertum zurückreicht und sich auch noch im heutigen klinischen Alltag widerspiegelt (Lange, 2013). Patient*innen berichten während stressigen Lebensphasen häufig über eine Zunahme ihrer Bruxismusaktivität oder das Bruxismusverhalten wird von Ärzt*innen auf Stress zurückgeführt (Manfredini & Lobbezoo, 2009). Diese Assoziation stützt sich auf einige frühere Fallserien, die eine Zunahme der Bruxismusaktivität und damit einhergehenden Schmerzen nach Stresssituationen feststellten (z. B. Rugh & Lemke, 1984). Auch neuere Studien, die auf klinischen und/oder selbstberichteten Bruxismus-Diagnosen basieren, sprechen für die Bruxismus-Stress-Beziehung (Manfredini & Lobbezoo, 2009). Entsprechend berichten Betroffene über mehr Lebens- und Alltagsstress, Arbeitsbelastung, Übermüdung und leiden tendenziell unter mehr Angst- und Depressionssymptomen (Ohayon et al., 2001; Gungormus & Erciyas, 2009; Giraki et al., 2010). Bruxistisches Verhalten kann als Folge eines stressreichen Tages sowie antizipatorisch auf Belastungen, die am nächsten Tag erwartet werden, auftreten (Korn, 2005). Menschen, die an Bruxismus leiden, sind weniger gut in der Lage, sich zu entspannen bzw. Entspannungsphasen auch in diesem Sinne zu nutzen (Wolowski & Repges, 2013). Passend dazu zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Bruxismus und der Konzentration von Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin (Seraidarian et al., 2009). Möglicherweise beeinträchtigt emotionaler Stress die Schlafqualität und verursacht häufigere Schlafstadienwechsel, deren Nebenprodukt die Bruxismusaktivität ist (Manfredini et al. 2005). 

Generell gehen viele psychiatrische Störungen, insbesondere Depressionen und Angststörungen, aber auch ADHS sowie neurologische Erkrankungen mit Bruxismus und den assoziierten Schmerzen einher (Souto-Souza et al., 2020; Geniş & Hocaoğlu, 2020). Darüber hinaus wird Bruxismus mit den Persönlichkeitsmerkmalen Neurotizismus (Sutin et al., 2010) und Psychotizismus (Shen et al., 2018), einer erhöhten Stresssensitivität (Manfredini et al., 2004) sowie zwanghaftem Verhalten, zwischenmenschlicher Sensibilität und paranoider Ideen in Verbindung gebracht (Shen et al., 2018).  

«The grinding of teeth has long been held as one physical manifestation of stress and anxiety.» 

Sutin et al., 2010, S. 402 

Konträr dazu wurde in Studien, die die Bruxismusaktivität im Schlaf mittels EMG ableiteten, keine oder nur schwache Belege für eine Bruxismus-Stress-Beziehung gefunden (Manfredini & Lobbezoo, 2009). Daher mehren sich Zweifel an der Allgemeingültigkeit dieses Zusammenhangs (Lange, 2018). Einen Erklärungsversuch lieferten Manfredini und Lobbezoo (2009) in ihrem systematischen Review. Sie vermuten, dass in Selbstberichtsstudien von Proband*innen nicht die Bruxismusaktivität an sich, da diese unbewusst abläuft, sondern die Schmerzen (z. B. der Kaumuskulatur) berichtet werden. Dies würde bedeuten, dass Stress eher mit den Schmerzen einhergeht, aber nicht zwingend mit dem Schlafbruxismus (Manfredini & Lobbezoo, 2009). Dafür spricht einerseits, dass chronischer Stress zu einer Senkung der Schmerzschwelle führen kann (Jochum et al., 2019) und andererseits, dass Bruxist*innen, die unter Schmerzen leiden, höhere Depressionswerte aufweisen als Bruxist*innen ohne Schmerzen (Camparis & Siqueira, 2006). Die Hypothese von Manfredini und Lobbezoo (2009) geht aber noch weiter. So vermuten sie, dass die Schmerzen nicht von Schlafbruxismus, sondern von unbewusstem Wachbruxismus stammen. Dieser wird in der Literatur nämlich konsistenter und methodenübergreifend mit psychosozialen Faktoren und psychopathologischen Symptomen wie Stress, Angst und Depression assoziiert (z. B. Endo et al., 2011; Ahlberg et al., 2013). So wird angenommen, dass er eine Folge emotionaler Anspannung ist, die die Betroffenen dazu zwingt, mit einer verlängerten Kontraktion ihrer Kaumuskeln zu reagieren (Manfredini & Lobbezoo, 2009). Andere Autor*innen dagegen sehen die psychologischen Probleme als Folge des chronischen Schmerzes und nicht als Ursache des Bruxismus (Wolowski & Repges, 2013). 

Diagnostik 

In EMG-Studien wurde gezeigt, dass Patient*innen mit Kiefer- und Gesichtsschmerzen häufig falsch-positive Aussagen zum Bruxismus machen. Aufgrund der diagnostischen Herausforderungen wurde ein evidenzbasiertes Stufensystem entwickelt. Dieses unterteilt in einen «möglichen» Bruxismus auf Basis eines Selbstberichts, einen «wahrscheinlichen» Bruxismus anhand des Selbstberichts inklusive klinischer Anzeichen sowie einen «definitiven» Bruxismus, welchem zusätzlich eine Polysomnografie zugrunde liegt (Lange, 2018). 

Wenn nicht Stress, was dann? 

Seit über 100 Jahren rätselt die Wissenschaft über die Ursachen von Wach- und Schlafbruxismus (Lange, 2018). Nachdem zunächst Theorien zu psychischen Ursachen dominierten, wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Störungen des Zahnkontakts als ursächlich angenommen (Lange, 2018). Letzteres spielt aber nach heutigem Wissenstand nur eine zu vernachlässigende Rolle (Lange, 2016). So ist die Ätiologie noch immer nicht eindeutig geklärt (Vavrina & Vavrina, 2020). Sie gilt zwar generell als multifaktoriell bedingt, aber es bleibt unklar, welche Faktoren beteiligt sind und vor allem wie diese interagieren (Schneider et al., 2007). In den letzten Jahren rückten zunehmend Störungen zentraler Neurotransmittersysteme in den Fokus (Dharmadhikari et al., 2015; Lange, 2016). So hat sich gezeigt, dass verschiedene Psychopharmaka wie Antidepressiva der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Ritalin (ein Medikament zur Behandlung von ADHS) und Antipsychotika Bruxismus auslösen können (Lange, 2016; Rajan & Sun, 2017; Garrett & Hawley, 2018). Aber auch Nikotin, Alkohol, verschiedene Drogen und hoher Koffeinkonsum erhöhen das Bruxismusrisiko (Ohayon et al., 2001; Rintakoski & Kaprio, 2013). Diesen Stoffen ist gemeinsam, dass sie einen zentralen Einfluss auf den Dopamin- oder Serotoninstoffwechsel nehmen (Lange, 2016). Daraus lässt sich ableiten, dass Bruxismus mit diesen Neurotransmittersystemen in einem engen Zusammenhang stehen muss. Als wahrscheinlichster Mechanismus wird angenommen, dass Serotonin die Freisetzung von Dopamin unterdrückt, was zu einer durch Serotonin induzierten Enthemmung von Bewegungen führt und so die wiederholten Muskelkontraktionen des Bruxismus bedingt (Rajan & Sun, 2017). Da auch chronischer Stress einen Einfluss auf das Dopaminsystem hat, sprechen diese Erkenntnisse indirekt auch für die Bruxismus-Stress-Beziehung (Manfredini & Lobbezoo, 2009). Neben den genannten psychologischen und exogenen Faktoren haben sich auch genetische Dispositionen als entscheidend erwiesen (Rintakoski et al., 2012; Takaoka et al., 2017). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wachbruxismus psychologisch bedingt zu sein scheint, während Schlafbruxismus eher als zentralnervöse Störung angesehen wird (Heidner, 2019). Aufgrund möglicher genetischer Einflüsse sowie der engen Verbindung zwischen Bruxismus und zentralnervöser Prozesse, lohnt sich ein Blick auf eine mögliche evolutionspsychologische Erklärung für das Auftreten von Bruxismus. 

Ein Überbleibsel längst vergessener Zeiten?  

Die Zähne sind im Tierreich und besonders bei Primaten ein emotionales Ausdrucksmittel, ein Werkzeug und eine Waffe (Anderson, 1984; Bernhardt, 2015). So ist das limbische System, als emotionales Zentrum des Zentralnervensystems, direkt mit dem Kauorgan verschaltet (Bernhardt, 2015). Verschiedene Säugetiere knirschen in Stresssituationen mit den Zähnen, um den Gegner einzuschüchtern und sich auf einen möglichen Kampf vorzubereiten (Every, 1965). Dieses Verhalten bringt ihnen einen erheblichen Überlebensvorteil. Every (1965) vermutete, dass sich beim Menschen die Zähne im Laufe der Evolution zwar zurückgebildet haben, er aber immer noch über diesen Instinkt verfügt und daher, sobald er unter Stress gerät, seine wichtigste biologische Waffe «schärft» (Every, 1965).  

«I suggest that man possesses an instinct to sharpen and repeatedly resharpen, whenever under stress, his cardinal biological weapon.» 

Every, 1965, S. 685 

Für Everys (1965) Hypothese sprechen Tierexperimente, in denen Bruxismus durch Stress induziert werden konnte (z. B. Rosales et al., 2002). Gemäss dieser Annahme ist Bruxismus beim Menschen also ein durch Stress auslösbares Überbleibsel der Evolution. Andere Hypothesen gehen weiter und sprechen Bruxismus auch heute noch eine adaptive Funktion zu (Lange, 2018). So wird er als Entspannungsverfahren und Stressbewältigungsmechanismus angesehen. Da der moderne Mensch im Gegensatz zu seinem vormenschlichen Verwandten viel weniger Zeit mit Kauen verbringt, ist der Zeitraum für die «kaubezogene Stressbewältigung» erheblich verkürzt. Wachbruxismus könnte demzufolge als Kompensationsmechanismus zum Umgang mit emotionalem Stress verstanden werden (Lange, 2018). 

Eine Krankheit, ein Verhalten oder doch eine physiologische Adaptation? 

Die Betrachtung der evolutionären Theorien und die Tatsache, dass Bruxismus trotz seiner möglicherweise negativen Effekte in der Bevölkerung weitverbreitet ist, lässt vermuten, dass er auch adaptive Funktionen aufweist (Lange, 2018).  

In den meisten Fällen hat Schlafbruxismus keinen störenden Effekt auf die grundlegende Schlafarchitektur (Ommerborn, 2013). Im Gegenteil: Er wird bei Atmungsstörungen (z. B. Schlafapnoe) und Sodbrennen sogar als protektiv angesehen (Peroz & Peroz, 2020). Die Muskelanspannungen während des Schlafes halten die oberen Atemwege frei (Heidner, 2019). Bei Sodbrennen wiederum regt die Kaumuskelaktivität die Speichelproduktion an, was zu einer Verdünnung der Magensäure führt (Peroz & Peroz, 2020). Zudem wird Bruxismus durch eine bessere Befeuchtung des Mund- und Rachenraums eine kariesprotektive Wirkung eingeräumt (Imhoff, 2020). 

In unmittelbarer Erwartung einer körperlichen Anstrengung werden häufig unbewusst die Zähne zusammengebissen. Dies wird als Schutzfunktion für die Zähne und den Kiefer, als Mechanismus zur Verbesserung der Körperhaltung und der allgemeinen, muskulären Kraftentfaltung interpretiert (Lange, 2018). Eine weitere adaptive Funktion des Bruxismus könnte darin liegen, die Schneidfähigkeit der Zähne zu verbessern (Lange, 2018). Auch wird vermutet, dass Wachbruxismus, ähnlich wie Kaugummikauen, die Aufmerksamkeit und die kognitive Leistungsfähigkeit verbessern kann (Lange, 2016). 

Im Labor induzierter Bruxismus reduziert die Konzentration des Stresshormons Cortisol und hemmt die Sympathikusaktivität, was für eine entspannungsfördernde Wirkung spricht (Tahara et al., 2007; Bernhardt, 2015). Auch tierexperimentelle Studien belegen, dass eine erhöhte Aktivität des Kauorgans schädliche Effekte des psychischen Stresses abschwächt (z. B. geringere Ausschüttung von Stresshormonen und Entzündungsmediatoren) (Bernhardt, 2015). Bruxist*innen zeigen weniger funktionale und mehr dysfunktionale Stressbewältigungsstrategien (Schneider et al., 2007; Giraki et al., 2010). Aufgrund dessen liegt der Verdacht nahe, dass eine inadäquate Bewältigungsstrategie Bruxismus provozieren kann (Wolowski & Repges, 2013). Bruxismus ist entsprechend nicht nur als Stressreaktion zu sehen, sondern auch als Form von Stressmanagement und «Notlösung» bei psychischer Überlastung (Vavrina & Vavrina, 2020).  

Zumindest eine leichte Kaumuskelaktivität ist sowohl im Schlaf als auch im Wachzustand nahezu ubiquitär (Lange, 2018). Bis zu einem gewissen Grad ist Bruxismus zum Spannungsabbau und als Ausdruck der Körpersprache notwendig (Schule, 2008). Aus diesen Gründen wird Bruxismus nicht als Krankheit angesehen, sondern gilt als Verhalten bei ansonsten Gesunden (Heidner, 2019) mit teilweise schützendem Charakter (Lange, 2018). Als pathologisch werden hingegen die bei manchen Betroffenen auftretenden Schmerzen, Zahnschäden und andere assoziierte Beschwerden bezeichnet (Schule, 2008). 

Die aktuelle Forschung zeigt, dass die alltagsprachlichen Ausdrücke, welche eine Verbindung zwischen Bruxismus und Psychologie andeuten, durchaus berechtig sind. Die evolutionäre Entstehung reicht weit in der Stammesgeschichte des Menschen zurück, doch auch heute noch hat Bruxismus eine adaptive Funktion, beispielsweise bei der Stressbewältigung. Trotz dieser bisherigen Erkenntnisse verbleiben einige strittige Punkte. Vor allem ein tieferes, empirisches Verständnis der Ätiologie würde die Chance erhöhen, effektive Behandlungs- und Präventionsmassnahmen abzuleiten. Dies ist von besonderer Wichtigkeit, da ein grosser Teil der Bevölkerung von Bruxismus und dessen Folgeschäden betroffen ist. Bis die Ätiologie geklärt und die empirischen Ambivalenzen untersucht wurden, lässt sich nur sagen: «Zähne zusammen und durch!» 

Behandlungsmöglichkeiten 

  • Aufklärungsgespräch mit Aufforderung zur Selbstbeobachtung  
  • Okklusionsschienen zur Prävention weiterer Schäden  
  • Physiotherapie zur Reduktion der muskulären Beschwerden 
  • Verhaltenstherapie und Biofeedback zur Reduktion des Bruxismus 
  • Kurzzeitige medikamentöse Behandlung zur Muskelrelaxation (umstritten) 
  • Botoxinjektionen zur Reduktion von Schmerzen und der Muskelaktivität 

(Bernhardt, 2015; Peroz & Peroz, 2020; Vavrina & Vavrina, 2020) 


Zum Weiterlesen

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Literatur

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Schlaf als Spiegel der Psyche

Warum wir schlechter schlafen, wenn es uns nicht gut geht

Schlaf ist ein sensibler Indikator des Wohlbefindens sowie ein Frühwarnzeichen, Symptom und Risikofaktor zahlreicher psychischer Störungen (Sachs, 2013; Oertel et al., 2014). Wie lässt sich diese Assoziation zwischen dem Schlaf und der psychischen Gesundheit erklären? 

Von Julia Schmid
Lektoriert von Laura Trinkler und Hanna Meyerhoff
Illustriert von Alba Lopez

Vor einer anstehenden Prüfung bräuchte ich eigentlich gar keinen Wecker zu stellen. Pünktlich – kurz nach fünf Uhr – wache ich auf. An Einschlafen ist dann nicht mehr zu denken. Stattdessen geht mein Gehirn selbstständig nochmals die wichtigsten Prüfungsinhalte durch und testet, ob ich wirklich hinreichend vorbereitet bin. Ich wälze mich im Bett umher und warte auf das erlösende Klingeln meines Weckers, um endlich aufzustehen und die Prüfung hinter mich bringen zu können. Es scheint als wüsste mein Körper genau, dass an diesem Tag ein stressiges Ereignis ansteht. Wie kann das sein? 

Ein Drittel des Lebens…  

Der Schlaf ist ein zentralnervös gesteuerter, psychophysiologischer Prozess, der durch charakteristische Ruhe- und Aktivitätswechsel verschiedener Organsysteme und Bewusstseinsvorgänge gekennzeichnet ist (Zulley & Hajak, 2005; Brand, 2018). Er ist Bestandteil des Wohlbefindens und erfüllt wichtige biologisch-restorative sowie neurokognitive und emotional-stabilisierende Funktionen (von Känel, 2011; Sachs, 2013). Sein Ziel ist es, optimales Denken, Fühlen und Handeln während des Wachzustandes zu gewährleisten (Brand, 2018). Das ist wohl der Grund, warum der Mensch ungefähr ein Drittel seines Lebens mit Schlafen verbringt (von Känel, 2011). 

Der Schlaf unterliegt einerseits dem zirkadianen Rhythmus und anderseits der homöostatischen Kontrolle (Borbély, 1982; Grözinger et al., 2008). Die Interaktion dieser beiden Prozesse führt dazu, dass der Mensch regelmässig schläft und wacht ist (Pollmächer, 2017). Der homöostatische Prozess beschreibt das wachsende Schlafbedürfnis mit zunehmender Wachzeit (Bromundt, 2014). Dagegen sorgt der zirkadiane Rhythmus dafür, dass sich die verschiedenen Prozesse im Körper gemeinsam auf Ruhe und Aktivität einstellen (Zulley & Hajak, 2005). Neben den Lichtverhältnissen stabilisieren vor allem Mahlzeiten, körperliche Aktivität und soziale Interaktion den zirkadianen Rhythmus (Bromundt, 2014). Die Körpertemperatur, der Blutdruck, die Herzfrequenz und verschiedene Hormonkonzentrationen zeigen eine ausgeprägte tageszeitliche Veränderung (Zulley & Hajak, 2005). Beispielsweise liegen die höchsten Cortisolwerte am Morgen und die niedrigsten am Abend vor (Malhi & Kuiper, 2013).  

Mehr als nur eine Befindlichkeitsstörung 

Schlafdauer und -qualität können durch psychophysiologische Tagesereignisse, wie beispielweise Stress, beeinflusst werden (Brand, 2018). Die Prävalenz von Schlafstörungen ist weltweit steigend und variiert je nach Studie und verwendeter Definition zwischen 10 und 50 Prozent, wobei Frauen häufiger betroffen sind (Gerber, 2012). Viele Jahre lang wurden Schlafstörungen als Befindlichkeitsstörungen chronisch gestresster Personen abgetan und trotz erheblichem Leidensdruck im klinischen Alltag wenig gewürdigt (von Känel, 2011). Die Erkenntnis, dass Schlafstörungen einerseits Risikofaktoren sowohl körperlicher als auch psychischer Erkrankungen darstellen und anderseits als Frühwarnsymptom psychischer Störungen zu sehen sind, hat das Interesse enorm verstärkt (Pollmächer, 2017). Beispielsweise erhöht eine über längere Zeit verkürzte Schlafdauer (unter sechs Stunden) das Mortalitätsrisiko und die Inzidenz von kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Adipositas und Diabetes (Chien et al., 2010).  

Der Körper weiss alles – Die Hyperarousal-Theorie 

Subjektive Schlafprobleme, das Gefühl eines nicht erholsamen Schlafes und Müdigkeit am Tag gehören zu den häufigsten Beschwerden überhaupt (Pollmächer, 2017). Kurzfristig betreffen sie wohl fast jeden Menschen irgendwann einmal in seinem Leben (Pollmächer, 2017). Personen, die unter Stress stehen, leiden besonders häufig an Schlafproblemen (Gerber, 2012). Akute Belastung und Anspannung, beispielsweise aufgrund einer anstehenden Prüfung oder einer beruflichen Beförderung, können eine vorübergehende Beeinträchtigung des Schlafs auslösen und mit Ein- und Durchschlafproblemen einhergehen (Grözinger et al., 2008). Dieser im Alltag häufig feststellbare Effekt lässt sich auf biopsychologische Ursachen zurückführen. Ob eine Person auf eine psychosoziale Belastung mit akuten Schlafproblemen reagiert, hängt unter anderem von ihrer genetischen Prädisposition und Persönlichkeitseigenschaften (z. B. Perfektionismus) ab (Hertenstein et al., 2016). Als wesentliches pathophysiologisches Element zur Entstehung von Schlafproblemen wird eine zentralnervöse Überaktivierung angenommen, was als Hyperarousal bezeichnet wird (Morin et al., 1993; Pollmächer, 2017). Die Schlafprobleme beruhen demnach nicht auf zu geringer Schlaffähigkeit, sondern auf einer Überaktivierung des zentralen Nervensystems (Pigeon & Perlis, 2006). Die Theorie des Hyperarousals geht davon aus, dass durch erhöhten Stress die Fähigkeit verloren gehen kann, sein Schlafsystem adäquat zu aktivieren. Dies passiert indem entweder das Wachsystem zu hoch reguliert wird oder nicht herunterreguliert werden kann (Hermann et al., 2018). Dabei wird vermutet, dass die Tendenz, schnell überaktiviert zu sein, ein prämorbides Merkmal von Personen ist, die anfällig für stressbedingte Schlafprobleme sind (Fernández-Mendoza et al., 2010). Die Überaktivierung zeigt sich auf physiologischer, kognitiver, emotionaler und der Verhaltensebene (Pollmächer, 2017). 

Physiologisches Hyperarousal: Die psychische Erregung führt dazu, dass verschiedene physiologische Parameter vor dem Einschlafen stärker aktiviert sind (Hermann et al., 2018). Entsprechend liegt eine erhöhte Aktivität des Sympathikus vor, dem Teil des vegetativen Nervensystems, der für die Leistungssteigerung verantwortlich ist (Pollmächer, 2017). Diese Aktivierung zeigt sich unter anderem durch gesteigerten Blutdruck, Hautwiderstand und Herzfrequenz (Hermann et al., 2018). Meist ist ausserdem die Muskelanspannung und die Körpertemperaturkurve erhöht (Birbaumer & Schmidt, 2010). Auch die Stresshormonachse scheint überaktiviert zu sein, was in einer verstärkten Cortisolausschüttung resultiert (Pollmächer, 2017). Dies kann als Ausdruck des allgemeinen erhöhten Stressniveaus gewertet werden (von Känel, 2011). Auf kortikaler Ebene zeigt sich eine gesteigerte hochfrequente EEG-Aktivität während des Einschlafens und während des Non-REM-Schlafes (Cortoos et al., 2006). Dies deutet auf eine erhöhte Gehirnaktivität während des Schlafes hin (Cortoos et al., 2006).  

«Phylogenetisch bereitet sich der Organismus auf Kampf und/oder Flucht vor.» 

Brand, 2018, S. 279 

Kognitives Hyperarousal: Kognitiv zeigt sich das Hyperarousal im nächtlichen Nicht-Abschalten-Können von negativen Gedanken, entweder bezogen auf belastende Tagesereignisse oder auf den Schlafprozess (Riemann et al., 2007). Die Zeit im Bett vor dem Einschlafen geht mit einem Rückgang der äusseren Stimulation einher. Dadurch wird mehr Aufmerksamkeit auf die eigenen Gedanken und Gefühle gerichtet (Hermann et al., 2018). Gerade bei vermehrtem Stress besteht die Tendenz, in dieser Situation über ungelöste Probleme nachzudenken (Brand et al., 2010). Das gedankliche Durchspielen der Probleme erhöht wiederum das physiologische Arousal, aktiviert negative Emotionen und erhöht das Stressempfinden (Harvey et al., 2005). Hinzukommen, insbesondere bei gestressten Personen, Sorgen über die Folgen von unzureichendem Schlaf (Brand et al., 2010). Daraus kann die Absicht entstehen, möglichst gut zu schlafen bis hin zu einer gezielten Anstrengung, den Schlaf zu beeinflussen, um die Gesundheit zu schützen und die täglichen Anforderungen bewältigen zu können (Harvey, 2002; Espie et al., 2006). Dieser erregte Zustand führt zu einer selektiven Informationsverarbeitung und stärkeren Selbstbeobachtung (Riemann et al., 2007). So werden körperliche Veränderungen, wie z. B. Herzklopfen und Hitzegefühl verstärkt wahrgenommen, wodurch die Einschlafwahrscheinlichkeit als noch geringer eingeschätzt wird (Harvey, 2002; Espie et al., 2006). Den gleichen Effekt haben auch externale Stimuli, wie z. B. das Ticken einer Uhr. In diesem Zustand neigen die Betroffenen zu einer verzerrten Wahrnehmung. Sie überschätzen das Ausmass des Schlafdefizits und unterschätzen ihre Schlafqualität (Harvey, 2002; Espie et al., 2006). Der Versuch, die schlafstörenden Gedanken zu unterdrücken, führt zu deren Verstärkung (Hermann et al., 2018). Auch dysfunktionale Einstellungen bezüglich des Schlafes (z. B. starke Überschätzung der negativen Konsequenzen des schlechten Schlafes oder unrealistische Erwartungen an das eigene Schlafverhalten) verschlimmern die Problematik zusätzlich (Riemann et al., 2007). Das Bett wird in der Folge zum konditionierten Stimulus, der das Hyperarousal und die Einschlafschwierigkeiten auslöst (Hermann et al., 2018). 

Emotionales Hyperarousal: Das emotionale Hyperarousal zeigt sich durch Ärger und Sorgen bezüglich der Schlafproblematik (Riemann et al., 2007). Die Angst wieder nicht einschlafen zu können und vor den daraus resultierenden negativen Konsequenzen am nächsten Tag, verstärken die Schlafbeeinträchtigung zusätzlich (Pollmächer, 2017).  

Verhaltensbezogenes Hyperarousal: Dysfunktionale Verhaltensweisen führen zur Aufrechterhaltung und Verstärkung der Schlafbeeinträchtigung (Hertenstein et al., 2016). Manche Betroffenen versuchen ihr Schlafproblem durch längere Bettliegezeiten, Schlafen am Tag, Ausführen schlafbehindernder Aktivitäten im Bett (z. B. Fernsehen, Arbeiten) oder Alkoholkonsum zu bewältigen (Hermann et al., 2018). Dies reduziert jedoch das Schlafbedürfnis und stört den Schlaf-Wach-Rhythmus (Hertenstein et al., 2016).  

Vom Schlafproblem zur Schlafstörung 

Akute Schlafprobleme sind häufig (Pollmächer, 2017). Lassen sie sich auf ein belastendes psychosoziales Ereignis zurückführen, tritt häufig eine Remission ein, sobald der Stressor nicht mehr vorhanden ist oder es zu einer Adaptation an den Stressor kommt (Pollmächer, 2017). Halten die Umstände länger an, können die Schlafprobleme persistieren (Grözinger et al., 2008). Die Beziehung zwischen Stress und Schlafproblemen ist komplex, bidirektional und kann zu einer gegenseitigen Verstärkung führen (Meerlo et al., 2008). Die im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Prozesse interagieren und verstärken sich gegenseitig, was zu einer Chronifizierung und zur Entstehung von Schlafstörungen führen kann (Riemann et al., 2007). Schlafstörungen können über eine reduzierte Leistungsfähigkeit die psychologischen Belastungen verstärken und so zur Stabilisierung der stressbedingten Abwärtsspirale beitragen (Hobfoll, 1998).  

«In everyday life, stress and insufficient sleep often go hand in hand and make up a vicious circle in which stress keeps a person awake and the inability to sleep may increase the feelings of stress.» 

Meerlo et al., 2008, S. 198 

Schlafstörungen bei psychischen Störungen – Ein bidirektionaler Zusammenhang 

Schlafstörungen sind in wechselnder Häufigkeit und Intensität bei fast allen psychischen Störungen zu finden (Pollmächer, 2017). So leiden bis zu 80 Prozent der Personen mit psychischen Störungen auch an Schlafstörungen (Wulff et al., 2010). Der gestörte Schlaf hat zwar selten diagnostische Spezifität, ist aber oft ein Frühwarnzeichen der Erkrankung (z. B. bei Schizophrenie) und kann auf einen beginnenden Rückfall hinweisen (Pollmächer, 2017). Zusätzlich beeinflussen Schlafstörungen den Therapieerfolg sowie den Verlauf der Erkrankung negativ (Göder et al., 2017). Diese Zusammenhänge beruhen auf bidirektionalen Prozessen, deren Mechanismen bis heute noch weitgehend unbekannt sind (Bromundt, 2014). Einige der vermuteten Vorgänge werden in den kommenden Abschnitten kurz erläutert. 

Die wahrgenommene Unfähigkeit gegen die Schlafprobleme etwas unternehmen zu können, kann zu Hilflosigkeit führen, was die Entwicklung depressiver Symptome begünstigt (Gerber, 2012). Auch spielt Schlaf bei der Emotionsregulation eine wichtige Rolle. Möglicherweise kann eine starke Störung der Emotionsregulation zu einer Depression führen (Göder et al., 2017). Begleiterscheinungen der Schlafstörungen, wie kognitive und gesundheitliche Probleme oder die Aktivierung der Stressachse, können die Entstehung einer psychischen Störung fördern (Bromundt, 2014). Zudem verbringen psychisch kranke Personen weniger Zeit im Tageslicht, was die Entstehung von Schlafproblemen unterstützt (Garbazza & Cajochen, 2017). 

Darüber hinaus wird vermutet, dass teilweise dieselben neuronalen Netzwerke sowie dieselben Gene, für die Regulation von Schlaf und psychischen Funktionen zuständig sind (Göder et al., 2017). Abnormitäten in Neurotransmittersystemen bestehen sowohl bei Schlaf- wie auch bei psychischen Störungen und könnten sich entsprechend gegenseitig beeinflussen (Bromundt, 2014). Weiter können sich Schlaf- und psychische Störungen über ihre Begleitsymptome wie Stress oder soziale Isolation bidirektional begünstigen (Bromundt, 2014).  

Die Assoziation zwischen Schlaf und der psychischen Gesundheit beruht gemäss der Hyperarousal-Theorie auf der gegenseitigen Verstärkung der physiologischen, kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Überaktivierung. So hält uns unsere Schlafqualität einen Spiegel vor und gibt uns die Möglichkeit, unsere darin reflektierte psychische Verfassung zu überdenken. 

Exkurs: Körperliche Aktivität als Wundermittel bei Schlafproblemen 

Körperliche Aktivität geht mit einer guten Schlafqualität einher und ist in der Lage, stressbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen entgegenzuwirken (Youngstedt, 2005; Gerber & Pühse, 2009). Sie stabilisiert den zirkadianen Rhythmus, führt zu geringerer Tagesschläfrigkeit und puffert die negativen Folgen von Schlafmangel ab (Gerber, 2012). Darüber hinaus wird sie mit weniger depressiven Symptomen assoziiert und geht mit resilienzfördernden Denkmustern einher (Gerber et al., 2012). Bereits ein dreiwöchiges Trainingsprogramm (30 Minuten leichtes morgendliches Jogging) führt zu verbessertem objektivem und subjektivem Schlaf (Kalak et al., 2012). Vermutlich ist bei diesem Effekt nicht der Bewegungsumfang, sondern die Überzeugung, sich für seine Gesundheit genügend zu bewegen, entscheidend. Entsprechend sollten Bewegungsförderungsprogramme in die Behandlung von Schlafproblemen mit einbezogen werden (Gerber, 2012). 


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