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Mit ‘Professor*innen’ getaggte Beiträge

Professorenstatements

«Wann zeigt sich das Tier in uns?» 

Gesammelt von Lisa Makowski
Lektoriert von Lisa Makowski

Professorenstatement von Frau Prof. Dr. Alexandra M. Freund:  

«Die Frage impliziert, dass der Mensch eine von dem Tier zu differenzierende Kategorie sei. Aber biologisch ist der Mensch selbstverständlich ein Tier. Evolutionär gesehen stammen wir von Affen ab und gehören zur Säugetier-Ordnung Primaten. Insofern zeigt sich in allem das Tier in uns. Selbst in den Äusserungen, die wir als einzigartig menschlich bezeichnen würden, der Kultur und, in den Augen vieler Forscher, auch der Sprache. Der Mensch ist eben ein Tier, das aufgrund seiner enormen kognitiven Fähigkeiten Kultur und Sprache entwickeln konnte. Ein erstaunliches Tier also, aber nichtsdestotrotz ein Tier. » 

Professorenstatement von Herrn Prof. Dr. Guy Bodenmann:  

«Mit dem „Tier in uns“ assoziiere ich animalische Kräfte, die häufig nicht rationaler Natur sind, sondern von einem starken inneren Impuls, einem Überlebenstrieb oder immensen Drang nach Wertschätzung, Anerkennung, Gerechtigkeit oder Rache und Vergeltung getrieben werden. Am stärksten habe ich dieses „Tier in uns“ in zwei Konstellationen in Paartherapien erlebt, erstens in Situationen, wo ein Partner vom anderen verlassen wurde und sich der Verlassene mit unbändiger Kraft dagegen aufbäumte, gegen diesen Entscheid verzweifelt ankämpfte und ihn zu akzeptieren nicht bereit war, sowie zweitens in Situationen, in denen die Untreue des anderen bekannt wurde. Diese Verletzung weckt in Menschen häufig unkontrollierbare, animalisch-destruktive Kräfte und setzt neben starken Gefühlen der Verzweiflung, Hilflosigkeit und tiefen Trauer auch irrational-zerstörerische Kräfte frei, begleitet von Hass, Verachtung und Rachegefühlen. Hier bricht häufig das „verletzte Tier in uns“ in vehementester Weise aus, unabhängig vom Bildungsniveau und sozialen Status.» 

Professorenstatement von Herrn Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker 

«Ich gebe zu, dass mir das Thema etwas unangenehm ist. Mir ist die „2. Natur“ des Menschen wert und lieb. Nach Aristoteles sind das die Gewohnheiten, die wir für die Zivilisation übernommen haben und die unsere Kultur ausmacht. Dann gibt es das Konzept der „3. Natur“, über das ich auf meiner privaten Homepage schrieb: den kontrollierten Kontrollverlust der Affektsteuerung, das Sich-zeitweise-gehen-lassen. Albernsein als Erwachsener ist ein Beispiel. Und jetzt die „1. Natur“ – die animalische. Ich musste schnell bei Abraham Maslow nachschauen, was in dessen Bedürfnispyramide die „niedrigsten“ Bedürfnisse sind. Siehe da, es stehen da so schöne Sachen wie die sensorischen Genüsse des Kitzelns, Streichelns, Wohlgeruchs und Wohlgeschmacks. Das sind doch schöne animalische Lüste! Man sieht eine Katze oder einen Hund vor sich, die vor Freude schnurren, wenn sie gekitzelt oder gestreichelt werden oder einen Leckerbissen vorgesetzt bekommen. Wenn wir uns in solchen Situationen auch animalisch verhalten, braucht es keine Reue dafür zu geben.» 

Professorenstatement von Herrn Prof. Dr. Lutz Jäncke 

«Die Frage impliziert irgendwie, dass das Animalische tief in uns verborgen wäre und ab und zu in aussergewöhnlichen Situationen zum Vorschein käme, vor allen Dingen dann, wenn wir eben nicht menschlich, kontrolliert und vernünftig sind. So als ob man vom Animalischen quasi überwältigt würde. Diese Sichtweise entstammt der Aufklärung und wurde vor allem durch die Überlegungen von Rene Descartes geformt, der eine mehr oder weniger „saubere“ Trennung zwischen Ratio und Iratio postulierte. Diese Sichtweise ist vollkommen überholt, wenn nicht gar falsch. Der Mensch ist ein Tier, ein besonderes gleichwohl, aber er ist und bleibt ein Tier. Er ist ausgestattet mit einem Gehirn und vielen nützlichen Organen, die Homologien mit denen von anderen Tieren, insbesondere den Menschenaffen aufweisen. Er ist auch mit emotionalen Impulsen (eben keine Instinkte; die sind zu starr) ausgestattet, die sein Leben steuern. Menschen und Menschenaffen verfügen im Prinzip über ähnliche wenn nicht gar die gleichen emotionalen Impulse. Sie streben nach Macht, Sicherheit und Zuneigung, haben Freude an Sex, verteidigen ihr Revier (zur Not bis zum Äusseren), schätzen Vertrauen und Kooperation und sind (zwar in beschränktem Masse) zur Kultur fähig. Auch das, was allgemein als menschliche Vernunft bezeichnet wird, steht im Dienste der emotionalen Impulse. Dies hat bereits David Hume vor mehr als 300 Jahren erkannt, dem das Zitat „Die Vernunft ist die Sklavin der Leidenschaften und soll es sein“ zugeschrieben wird. Wir sind Tiere, deren ultimativer Lebenszweck die Fortpflanzung, Brutpflege und Ressourcensicherung ist. Wir bleiben auch dann Tiere wenn wir Differentialgleichungen lösen, Kant lesen und Psychologie studieren. Gelegentlich verlieren wir bei solchen Tätigkeiten den mentalen Kontakt zu unserem Tiersein. Aber letztlich ermöglichen wir uns mit dem Erwerb dieser Erkenntnisse eine befriedigende Position innerhalb unserer Gruppe.» 

Professorenstatement von Herrn Prof. Dr. Moritz Daum:  

«Vergleiche zwischen Tier und Tier 
Der Mensch stammt nicht vom Affen ab, er ist ein Affe. Homo Sapiens zählt zu den Menschenaffen oder Hominidae, eine Familie der Primaten zu der die heute lebenden Gattungen Gorillas, Homo, Orang-Utans und Schimpansen gehören. Die vergleichende Entwicklungspsychologie beschäftigt sich mit Parallelen und Unterschieden in der Entwicklung des Menschen und, zum Beispiel, nicht-menschlichen Primaten. Durch diesen Vergleich werden Eigenschaften sichtbar, die die verschiedenen Spezies teilen beziehungsweise einzigartig machen. So unterscheiden sich 2.5-jährige Kinder in Bezug auf ihr physikalisches Wissen kaum von Schimpansen und Orang-Utans (die Schimpansen sind sogar numerisch leicht besser als die Kinder), in Bezug auf ihr sozial-kognitiven Fähigkeiten  
hingegen schon (Herrmann, Call, Hernandez-Lloreda, Hare, & Tomasello, 2007). Durch die vergleichende Entwicklungspsychologie lernen wir also wieviel Tier in uns steckt und wieviel Mensch im Tier.» 


Literatur: Herrmann, E., Call, J., Hernandez-Lloreda, M. V., Hare, B., & Tomasello,  
M. (2007). Humans have evolved specialized skills of social cognition:  
The cultural intelligence hypothesis. Science, 317(5843), 1360-1366.  
 

Professor*innen gefragt

Wovon nehmen Sie Distanz? 

Gesammelt von Noémie Lushaj
Lektoriert von der Redaktion

Prof. Dr. Alexandra Freund 

Ich finde es oft sehr schwierig, wenn ich grobe Ungerechtigkeiten miterlebe – das kann soziale Ungleichheit sein, wie ich sie in Botswana oder Zambia gesehen habe, wo Luxus-Resorts neben bitterarmen Hüttensiedlungen ohne fliessend Wasser oder Elektrizität sind und die Menschen sich abrackern müssen, um überhaupt das Notwendigste zum Leben zu haben. Das kann aber auch die ungerechte Behandlung einer Kollegin oder eines Mitarbeitenden im wissenschaftlichen Betrieb sein. Zu diesen Dingen muss ich dann eine gewisse Distanz nehmen, um nicht von Emotionen wie Wut, Verzweiflung oder Resignation gewissermassen überwältigt zu werden, und handlungsfähig zu bleiben. Den Film über die «Central Park Five» (When they see us) konnte ich mir deshalb beispielsweise erst gar nicht ansehen. Die Schwierigkeit liegt für mich darin, mich dann nicht ganz von diesen Dingen abzuschotten. Das richtige Mass an Distanz erlaubt Compassion, die handlungsmotivierend ist, ohne einen emotional lahmzulegen. 

Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker 

Viele Menschen mit einem psychischen Leiden verspüren Distanz zu Anderen. Am klassischsten ist das beim sogenannten Entfremdungserleben innerhalb der Traumafolge- oder dissoziativen Störungen. Zur PTBS gehört fast regelhaft das Gefühl eines riesigen Abstands zwischen sich und den Anderen. Viele drücken das so aus, dass sie die Anderen ständig «wie hinter einer riesigen Glasscheibe» erleben; das Leben passiert neben ihnen und sie können nicht eingreifen. Dissoziative Depersonalisationserlebnisse sind dem sehr ähnlich, aber ihnen gehen keine traumatischen Erlebnisse voraus. Sie können bei einigen Jugendlichen entstehen und sind auch oft nur sehr kurzfristig (einige Tage), so dass sie eigentlich keine klinische relevante Störung sind. Von ihrem anhaltenden Entfremdungs-Distanzerleben haben mir viele Teilnehmer*innen von PTBS-Studien berichtet. Dafür und für das Leiden daran als Aussenstehender ein Mitgefühl zu bekommen, ist gar nicht so leicht, aber diese Empathiefähigkeit wird von den Patienten «belohnt», denn sie sind dankbar dafür, dass man ihren Zustand und ihre innere Unfähigkeit, die Distanz zu überwinden, versteht. 

Prof. Dr. Guy Bodenmann 

Distanz nehmen ist in der Psychologie wichtig. Im Sinne von Distanz nehmen durch die Einnahme einer Meta-Perspektive bei Konflikten, um einen sachlicheren Überblick zu gewinnen und Prozesse in einem ganzheitlicheren Licht zu sehen. Distanz nehmen bedeutet auch, nach einer emotional schwierigen Psychotherapie sich innerlich wieder zu fangen, das Berufliche am Abend hinter sich lassen. Am schwierigsten ist Distanz nehmen direkt im therapeutischen Prozess, wo Einfühlsamkeit (sich empathisch auf den anderen einlassen) und Abgrenzung (sich innerlich ein Stück weit zu distanzieren) immer wieder ein herausfordernder Balanceakt darstellt. Aber auch in jeder Partnerschaft spielt das Thema Distanz und Nähe eine wichtige Rolle. Die zwei Pole, zwischen denen man je nach Phase (zentripetal oder zentrifugal) hin und her schwankt, sind häufige Konfliktherde, wenn sich die Bedürfnisse der Partner*innen nach Nähe versus Distanz nicht decken. Nähe und Distanz immer wieder neu zu definieren gehört zu den zentralen Aufgaben eines Paares. 

Prof. Dr. Johannes Ullrich 

«Wovon nehme ich Distanz» ist eine interessante Frage. Dazu existieren in der Sozialpsychologie viele unterschiedliche Assoziationen. Zunächst einmal denke ich an die Skala der «sozialen Distanz», mit der gemessen wird, wie gross die Bereitschaft ist, mit Personen aus einer Fremdgruppe Kontakt zu haben. Hier funktioniert Distanz nach der Logik, je grösser die Abneigung, um so grösser die Distanz. Auch Francis Galton hat 1884 bereits die Idee gehabt, die Einstellung einer Person anhand nonverbaler Indikatoren wie Körperhaltung und Distanz zu messen. Wenn Sie mich also fragen, wovon ich Distanz nehme, fragen Sie danach, was oder wen ich nicht mag. Es gibt aber auch den negativ konnotierten Begriff der «Distanzlosigkeit». Im Zusammenhang mit dem Konzept des «Personal Space» bedeutet Distanz Respekt. Das heisst, ich respektiere den Abstand, der von einer Person gewünscht wird. Im sozialen Bereich ist Distanz also von der psychologischen Bedeutung her nicht linear. 

Prof. Dr. Mike Martin 

Als Längsschnittforscher spielt insbesondere die zeitliche Distanz zwischen Messzeitpunkten eine entscheidende Rolle für die Genauigkeit, mit der man Entwicklungsphänomene betrachten kann. Diese Distanz wird in unserer Forschung dank der Kombination mit hochauflösenden Mikrolängsschnittdaten von Aktivitätsmessungen immer kleiner. Auch die Distanz zu den beforschten Personen wird immer kleiner, weil sie in der partizipativen Alternsforschung bereits in der Design-Phase in die Forschung einbezogen werden und immer eine Kopie ihrer eigenen Daten erhalten. Ich erhoffe mir, dass die Verringerung der zeitlichen Distanz und die Verringerung der Distanz zwischen Forschenden und Erforschten für die Psychologie ganz neue Erkenntnisse liefern wird, weil individuell zuordenbare Daten wesentlich präzisere und kontextualisierte Erklärungsmodelle psychischer Gesundheit ermöglichen. 

Prof. Dr. Ulrike Ehlert 

Distanz ist ein sehr gutes Konzept, denn grundsätzlich ist es ja mal gut, nicht distanzlos zu sein. Oft ist es gut, Distanz zu bewahren. Beispielsweise wünschen wir uns eine gewisse Distanz im nonverbalen Umgang miteinander (Nähe-Distanz-Regulation), damit wir uns nicht «auf den Pelz rücken». Auch ist es meistens gut, keine distanzlosen Fragen zu stellen. Also zu wissen, wo die Grenzen der Intimität bei den verschiedenen Menschen, mit denen wir es zu tun haben, liegt. Distanz kann jedoch auch etwas sehr Verletzendes an sich haben. Beispielsweise von Menschen auf Distanz gehen, die gerade nicht auf der Gewinnerseite des Lebens stehen. Schliesslich kann uns «auf Distanz gehen» auch schützen. Vor Dingen und vor Menschen, die konträr zu unseren Wertvorstellungen und unserem Menschenbild stehen. Distanz ist also ein sehr vielschichtiges Konzept, das uns für andere verträglich macht und uns selbst den Umgang mit unseren Mitmenschen erleichtert. 

Professoren|innen gefragt

«Was bleibt ist die Veränderung;
was sich verändert, bleibt.»
(Dr. phil. Michael Richter)

Statement von Frau Prof. Dr. Alexandra M. Freund:  

Als Entwicklungspsychologin ist die Veränderung von psychologischen Prozessen über die Zeit mein zentrales Forschungsinteresse: Unter welchen Bedingungen tritt Veränderung in welchem Masse und aufgrund welcher zugrundeliegenden Prozesse auf? Die rasanten Veränderungen im Kindes- und Jugendalter sind faszinierend und scheinen uns fast gleichbedeutend mit Entwicklung. Beschäftigt man sich aber mit dem mittleren und dem höheren Alter, wird einem klar, dass Veränderung nur ein Aspekt von Entwicklung ist: Die Stabilität von psychischen Funktionen steht in diesen Altersgruppen stärker im Vordergrund als die Veränderung. Allerdings stimmt das nur bei relativ oberflächlicher Betrachtung, denn Stabilität impliziert Anpassungsleistungen an sich ständig verändernde interne und externe Faktoren. Versuchen Sie einmal, stabil mit geschlossenen Augen und nach vorne gestreckten Armen auf einem Bein zu stehen. So ähnlich ist es auch, Entwicklungsstabilität zu erreichen. Die Sängerin Petula Clark (wenn Sie sie nicht kennen, von ihr stammt der uralte Hit „Downtown“, ein Ohrwurm aus den 1960iger Jahren) drückte das in einem Interview kürzlich so aus: Stabilität zu erreichen ist mit zunehmendem Alter vergleichbar damit, auf einer sich schnell herunterbewegenden Rolltreppe auf derselben Höhe zu bleiben. Ein sehr treffendes Bild, finde ich.

Statement von Herrn Prof. Dr. Guy Bodenmann:

Veränderungen widerspiegeln den natürlichen Werdegang eines jeden Menschen. Man verändert sich im äußeren Erscheinungsbild ebenso wie bezüglich innerer Werte, Einstellungen, Bedürfnissen und Zielen. Für Paare bedeutet die Veränderung beider Partner eine bedeutende und ständige Herausforderung. Der Mensch, zu dem man ja in der Beziehung sagte, ist schon bald nicht mehr derselbe und selber ist man es genauso wenig. Beide entwickeln sich, teils gemeinsam (Ko-Evolution als Dyade), teils individuell, in kongruenter Weise oder diametral, teils im Gleichschritt, teils in unterschiedlichen Phasen, meist nicht linear, sondern in Entwicklungssprüngen.  Nur die Paare, bei denen die Partner Schritt mit der Entwicklung des anderen halten können, an ihr teilhaben und sie begleiten, haben längerfristig eine Überlebenschance. Dies gelingt nur, wenn sich die Partner konstant updaten, über ihre Wünsche und Visionen austauschen, sich füreinander interessieren und die Veränderungen beim anderen wahrnehmen und bejahen. Die Paare, denen dies nicht gelingt, entfremden sich unmerklich, reagieren mit Enttäuschung auf die Veränderung des anderen, verlieren sich aus den Augen.

Statement von Herrn Prof. Dr. Johannes Ullrich: 

Meditation oder Legitimation?
Oh, dazu wüsste ich gerne mal, in welchem Zusammenhang der Richter das gesagt hat; diese Aussage lässt sich ja in beliebige Zusammenhänge stellen und dadurch in ihrer Bedeutung verändern. Das erinnert mich an Forschung von Solomon Asch zum Verständnis von Aussagen in unterschiedlichen Kontexten. Nehmen Sie die Aussage von Thomas Jefferson, „I hold it that a little rebellion, now and then, is a good thing, and as necessary in the political world as storms are in the physical“, und schreiben Sie diese Lenin zu, bekommen Sie eine revolutionäre Auslegung (und wahrscheinlich weniger Zustimmung). Den Richter-Spruch können wir zum Beispiel als eine Meditation über Vergänglichkeit verstehen oder als eine Legitimation von irgendeiner „Strukturreform“. Da Wahrscheinlichkeit und Legitimation von Veränderung miteinander verknüpft sind, dürfte dieser Spruch, der Veränderung als etwas natürlich Gegebenes darstellt, prima zur Legitimation von menschengemachter Veränderung geeignet sein.

Statement von Herrn Prof. Dr. Moritz M. Daum: 

Halt.
Die Veränderung ist der zentrale Inhalt der Entwicklungspsychologie. Und wie war die Welt der Entwicklungspsychologen früher so einfach. Der Mensch veränderte sich vom Säugling zum Erwachsenen. Und dann war Schluss. In der heutigen Entwicklungspsychologie ist alles viel komplizierter. Die Entwicklung hört nicht nach der Adoleszenz auf, der Mensch entwickelt sich ein ganzes Leben lang. Es ist auch nicht einfach nur eine Veränderung über die Zeit; kritische Lebensereignisse, positive wie negative führen ebenso zu Veränderungen im Denken und Handeln, unabhängig vom Zeitpunkt des Auftretens. Man denke nur an die Geburt eines eigenen Kindes oder den Abschluss eines Studiums. Entwicklung besteht nicht nur aus Reifungsprozessen, die Veränderung eines Individuums ist beeinflusst durch einen ständigen und dynamischen Austausch mit der Umwelt. Die Theorie der dynamischen Systeme (Smith & Thelen, 2003)bietet hier ein wertvolles theoretisches Rahmenkonstrukt, und methodische Möglichkeiten, diese vielfältigen Interaktionsprozesse sichtbar zu machen. Dadurch wird es sicherlich nicht einfacher, Entwicklung zu untersuchen, aber sehr viel spannender. Denn der Mensch verändert sich, ständig. 


Zum Weiterlesen

Smith, L. B., & Thelen, E. (2003). Development as a dynamic system. Trends in Cognitive Sciences7(8), 343–348. doi: 10.1016/S1364-6613(03)00156-6