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Mit ‘Corona’ getaggte Beiträge

Kinder in der Pandemie 

Erlebnisse und Gedanken eines Kinderarztes 

Welchen Preis haben Kinder in der Pandemie bezahlt? Wie macht sich der elterliche Stress bei den Kindern bemerkbar? Diese und weitere Fragen beantwortete uns Dr. Bruno Knöpfli – Kinderarzt und delegierender Psychotherapeut mit langjähriger Erfahrung. 

Von Sebastian Junghans und Charlotte Baldenweg 
Lektoriert von Hannah Meyerhoff und Berit Barthelmes
Illustriert von Shaumya Sankar

Folgendes Interview fand am 22. Juli 2021 statt. Das Interview wurde im Original auf Schweizerdeutsch geführt und anschliessend auf Hochdeutsch übersetzt. Dr. Bruno Knöpfli äusserte dabei seine freie Meinung. Seine Aussagen sind unabhängig von der Meinung der Redaktionsmitglieder des awares. 

Wie hat sich dein Job verändert durch die Pandemie? 

Ich war in der glücklichen Situation, eine grossräumige Praxis zu haben. Die grossen Behandlungszimmer waren schon immer auch Warteräumlichkeiten. Damit hatte ich eine optimal coronataugliche Praxis zur Verfügung. Niemand traf den anderen, die Patienten und Patientinnen liessen sich separieren. Der Betrieb war in diesem Sinne nicht beeinträchtigt. Im Gegensatz zu vielen aus meiner Kollegschaft, erfuhren wir sogar eine Umsatzsteigerung um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, was sehr viel ist. Erschwerend sind mehrere komplizierte Prozesse dazugekommen, welche den Aufwand erhöht haben. Für die Praxis als wirtschaftliches Unternehmen resultierte eine Steigerung. 

Aus Patientensicht ergab sich die Situation, dass viele in anderen Praxen keinen Termin bekamen. Wahrscheinlich war das der Ausdruck einer Hilflosigkeit in dem Sinne, dass viele zu ihren Hausärzten und -ärztinnen wollten, wegen den komplexeren Betriebsabläufen aber keine Termine erhalten haben. 

«Ich führte Telefonate, welche neu waren: Gespräche mit Kindern, die man überzeugen musste, sich in die Praxis zu wagen. Kinder beruhigen, die nicht mehr in die Schule gehen wollten.» 

Knöpfli, 2021 

Wie nehmen Kinder die Maske bei dir als Arzt wahr? Hat sich dieser Umgang im Laufe der Pandemie verändert? 

Für mich selbst hat das äussere Auftreten eine untergeordnete Bedeutung, wie es auch bei den meisten Kindern der Fall ist. Die Kinder können sich auch relativ gut an geänderte Bedingungen und neue Situationen anpassen. Aber natürlich lassen theoretische Überlegungen Schwierigkeiten vermuten. Ein Kind schaut zuerst auf die Augen und den Mund. Dieses Dreieck wird durch die Maske verhüllt. Es müsste einen Einfluss auf den Umgang der Kinder mit uns haben. Vielleicht gab es bei uns keinen Effekt, da ich die meisten Kinder schon vor Corona kannte. Bei Fremden könnte das durchaus anders sein.  

Auch bei Säuglingen konnte ich nichts Spezielles beobachten. Ich habe keinen Unterschied zu vergangenen Untersuchungen festgestellt. Aber ich achte auch darauf, Säuglinge bei der Untersuchung wenig zu bedrängen, in den meisten Fällen hängen die Kleinen an der Mutter, während ich untersuche. Das ist sogar essenziell für die Beurteilung. Ein Kind geringen Alters, das nicht die Mutter als Schutzort sucht, lässt eine Auffälligkeit in der Mutter-Kind-Beziehung vermuten. 

Haben neben den Besuchen aufgrund von Grippe und Erkältungssymptomen auch andere Konsultationsgründe abgenommen bzw. zugenommen? 

Ich habe tatsächlich eine Steigerung von Patienten und Patientinnen mit Husten feststellen müssen. Husten ist aber ein Symptom mit breitem ursächlichem Spektrum; er kann beispielsweise durch Asthma oder Infektionen entstehen. Die reinen Infektionen haben abgenommen. Wir hatten diesen Winter sehr viel weniger banale Infektionen als zuvor. Diese scheinen jetzt aber aufzuholen, sodass sie lediglich verspätet auftreten. So hatten wir im Frühling und Frühsommer extrem viele Patienten und Patientinnen mit Infektionen. Darüber gibt es auch Aufzeichnungen des Zürcher Kindesspitals, die zeigen, wie stark erhöht die Infektanfälligkeit in dieser untypischen Zeit geworden ist. Die Grippe selbst war vergangenes Jahr weniger stark im Vergleich zu früheren Jahren. Allerdings haben wir diesbezüglich auch wenig getestet, sondern vermehrt bezüglich Corona. 

Viele, die Atembeschwerden oder Atemstörungen haben, zeigten auch ungewöhnliche Ängste. Darin begründete Konsultationen haben massiv zugenommen. Die Kinder und vor allem deren Eltern entwickelten Ängste, dass ernsthafte Probleme entstünden. Allerdings ist es nicht so, dass bei Kindern, die Komorbiditäten oder Vorerkrankungen aufwiesen, diese auch als Risikofaktor für einen schweren Verlauf gelten; Kinder sind grundsätzlich keine Risikopatienten in dieser Pandemie. Selbst bei schwer kranken Kindern spricht man nicht von Risikopatienten. Genau diese Patienten und Patientinnen hatten aber grosse Angst. 

Ist ein Kind vorerkrankt, dann löst das auch bei anderen Familienmitgliedern eine riesige Verunsicherung aus. Es wird probiert, das betroffene Kind vor jeglichen möglichen Ansteckungsquellen fernzuhalten. Insbesondere Familien mit Asthmatikern und Asthmatikerinnen oder auch Frühgeborenen, die beatmet werden mussten, waren besonders verunsichert. Bei Patienten und Patientinnen mit Immundefiziten war diese Reaktion nachvollziehbarer; man wusste lange nicht, wie solche Patienten und Patientinnen auf eine Coronainfektion reagieren würden. Glücklicherweise sind auch diese Kinder nicht stark gefährdet. Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich ungewöhnlich viele Angststörungen als Komorbidität diagnostizieren musste; unabhängig vom Verlauf ihrer Krankheiten war die Angst immens. 

Welche Symptome psychischer Erkrankungen haben bei Kindern zugenommen? Internalisiert oder externalisiert? Die Angststörungen weisen eher auf internalisierte Symptome hin. 

Ich würde das so unterschreiben. Aber jede Erkrankung ist schlimmer geworden durch Corona. Es war eine Zusatzbelastung. Und für Kranke ist eine Zusatzbelastung ein Problem, wenn sie sowieso schon am Limit sind. Dann kommt noch etwas dazu und das Fass läuft über. 

Wir werden vermutlich noch länger mit Corona leben müssen – Was kann man tun, um Kinder in ihrem Alltag mit Corona zu unterstützen? 

Ich verstehe nicht, weshalb diese Fragestellung seit dem Ausbruch von Corona derart fundamental stets von Neuem gestellt wird. Wir haben eine Tradition sowie gute Evidenz, auf Grund dessen wir eigentlich wissen sollten, wie wir mit Kindern umzugehen haben. Ausserdem haben wir eine Bundesverfassung, die besagt, dass ein Kind ein Recht auf Schulung, körperliche Aktivität und gesellschaftliche Kontakte oder Interaktionen auf einer persönlichen Ebene hat. Dass derart elementare Aspekte in Zusammenhang mit der Entwicklung von jungen Menschen in Frage gestellt werden, verstehe ich nicht und habe ich nie verstanden. Auch eine Population zu schützen, um dadurch eine andere Population in ihren Grundrechten einzuschränken, trifft bei mir auf Unverständnis. Wir müssen zurückkommen zu unseren Wertvorstellungen, die wir über Jahrzehnte sinnvoll und differenziert entwickelt haben und diese nicht einfach in einer ad hoc Reaktion über Bord werfen. Medizinisch gesehen ist das unseriös und widerspricht den heute geltenden Kriterien nach massvoller und evidenzbasierter Handlungsweise. Dies gilt auch für die Anfangsphase, als man die Gefahr noch nicht einschätzen konnte. Die Medizin basiert auf dem Prinzip, dass man bei einer Intervention abwägen muss, was das Potenzial sowohl auf der Wirkungs- wie auch auf der Nebenwirkungsseite ist. Wenn man die Nebenwirkungen nicht abschätzen kann, darf man sie nicht durchführen. Macht man sie trotzdem, ist das unethisch, sie verkommt zu einem Versuch, bei dem man nicht weiss, wie gross die Kosten sind und wer sie zu tragen hat. Jedes ethische Komitee hätte für eine Nichtdurchführung entschieden. Jetzt wurde politisch entschieden. 

«Kinder mussten drei Grundrechte aufgeben, um andere zu schützen.» 

Knöpfli, 2021 

Eltern haben ein stressiges Jahr hinter sich. Wie macht sich der elterliche Stress bei den Kindern bemerkbar? 

Es gibt gute wissenschaftliche Studien, welche das belastendste Alter von Menschen in der heutigen Gesellschaft untersuchten. Dabei ergab sich, dass die tragende und am massivsten belastete Bevölkerungsschicht die 30 – 50-jährigen sind. Das ist natürlich auch die Population, in der es viele Eltern von Kindern gibt. Eltern haben massive Belastungen durch Corona erfahren. Einerseits hatten sie oft keinen Job mehr; ihre Existenz war bedroht. Andererseits erlebten sie eine Doppelbelastung, weil die Kinder nicht in der Schule betreut wurden und sie sie zu Hause betreuen mussten. Zusätzlich konnten sie nicht planen. Selbst wenn Eltern in der Lage waren, sich zu organisieren, dann war die Planungsunsicherheit derart gross, dass man am nächsten Tag oft wieder vor einer anderen Situation stand. So konnten selbst die agilsten Leute sich nicht mehr auf diese Zusatzbelastungen einstellen. 

Wenn man schaut, wie das jetzt weitergeht, sehe ich kein Ende. Die Risikopopulation ist jetzt geimpft; das ist ein Privileg und sicherlich angenehm für diese Population. Andere Länder sind eine andere Strategie gefahren, wobei zuerst die Übertragenden geimpft wurden und die Risikopopulation dazu instruiert wurde, sich möglichst nicht anzustecken. Theoretisch hätte man so den Infekt schneller im Griff gehabt. Wir haben jetzt zuerst die Risikopopulation geimpft und dann die Übertragenden. Wer überhaupt noch nicht drangekommen ist, sind die Kinder. Das heisst, dass Eltern ungeimpfter Kinder nun dauerhaft am Testen sind, damit sie wenigstens ein bisschen Bewegungsfreiheit haben. Sie müssen sich umständlich organisieren, um an gesellschaftlichen Anlässen teilnehmen zu können oder in die Ferien zu gehen; anderenfalls bleiben sie isoliert. 

Je jünger ein Kind ist, desto stärker hängt dessen Gedeihen von der Gesundheit der Eltern ab. Kinder, die gesunde und belastbare Eltern haben, sind meist selbst gesund und belastbar. Es gibt Kinder, die Betreuungsaufgaben übernehmen, zum Beispiel von kranken oder ausgebrannten Eltern. Diese Kinder sind natürlich massiv und inadäquat belastet. Die Auswirkungen davon sieht man meist nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit bis in ein paar Jahren. Ausserdem kann dies ein entwicklungshemmender Faktor sein. Anstatt dass die Kinder betreut werden, müssen sie selbst betreuen und werden zu Care-Givern. 

Es wird berichtet, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrien ausgelastet seien. Therapieplätze für Kinder zu finden hat sich schon vor der Pandemie schwierig gestaltet. Haben die Überweisungen für Psychotherapien zugenommen? Was müsste dahingehend verbessert werden? 

Wir haben eine spezielle Situation, weil ich eine psychologische Abteilung in der Praxis habe. Das ist aber eine Ausnahmesituation. Die meisten Praxen haben das nicht. Von der Kollegschaft hört man, dass sie riesige Probleme mit psychologischen Überweisungen haben. Wir hatten zahlreiche Anfragen mehr zu übernehmen. 

Die Gesundheitspolitik befindet sich dahingehend in einem Umsturz. Die delegierende Psychotherapie und die Zusammenarbeit zwischen Medizin und Psychologie wird nun eher aufgehoben und es geht in Richtung wie bei den Physiotherapeuten und -therapeutinnen. Der Doktor macht eine Verordnung und dann kann ein Patient oder eine Patientin zum Psychotherapeuten, zur Psychotherapeutin. Wenn das so laufen wird wie mit der Physiotherapie, dann ist das eine Erleichterung für die Allgemeinheit wegen der höheren Verfügbarkeit und Einfachheit. Aber so wie ich die Bundesbehörden kenne, ist wie bei anderen medizinischen Dienstleistungen der Preis ein wichtiger, wenn nicht ein dominierender Faktor. Es könnte schwieriger werden, einen Therapieplatz zu bekommen, weil es um Versicherungsgelder geht. Ob sich das insgesamt positiv auswirken wird, steht in den Sternen. 

Welchen Preis haben Kinder deiner Meinung nach in der Pandemie bezahlt? 

Kinder mussten drei Grundrechte respektive erwiesene entwicklungs-fördernde Aspekte aufgeben/einschränken, um andere zu schützen. Die drei Grundrechte sind der Anspruch auf Bildung, der Anspruch auf körperliche Aktivität und Bewegung und der Anspruch auf soziale Kontakte. Sie selbst haben kaum Profit von den massiven Einschränkungen. Kinder als Population sollten in diesem Sinne nicht mit derartig einschneidenden Coronaeinschränkungen belastet und in ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden. In Diskussionsforen am Fernsehen wird aber entgegen diesen Fakten davon gesprochen, dass Kinder ohne jegliche Einschränkungen diese Massnahmen hinnehmen/überstehen können. 

Kinder erlebten Isolation, weniger Austausch mit Gleichaltrigen und Sorgen um Angehörige. Was könnten langfristige Folgen dieser speziellen Situation sein? 

Bezüglich Bildung werden wir ganz sicher einen Bildungsrückstand erfahren. Es gibt dazu Untersuchungen, bei denen Medizinstudierende ihre erste Propädeutikumprüfung absolvierten. Normalerweise sind dort 5 Prozent durchgefallen; jetzt sind es 50 Prozent. Das heisst bei der reinen Wissensvermittlung ist ganz sicher ein Defizit vorhanden. 

Bildung hat aber nicht nur ein Wissensvermittlungsauftrag, sondern auch den Auftrag, ein soziales Netzwerk zu erstellen. Im Berufsleben ist ein gutes soziales Netzwerk sehr wichtig, wenn die eigenen Grenzen ausgelotet sind. Ein intaktes Netzwerk respektive eine gute Kollegschaft kann dabei meist helfen. Wer diese Kollegen und Kolleginnen im Studium nicht kennenlernt, hat weniger Möglichkeiten. Der häufigste Kennenlernort ist nach wie vor die Schule und das Studium.  

Wenn das Studium so aussieht, dass Erstsemestrige erzählen, dass sie noch nie in einer Vorlesung waren, obwohl sie seit einem Jahr studieren, ist das für mich eine Katastrophe. Sie müssen im «Lichthof» andere Kollegen und Kolleginnen treffen und sich austauschen; sie müssen Karriereinteressen, Vertiefungsrichtungen und so weiter voneinander erfahren. Nur auf diese Weise weiss man, wen man fragen kann, wenn man ein gröberes Problem zu lösen hat. Wenn man diese Personen wirklich kennt, sind der Zugang und die Auskunft anders als bei Unbekannten. 

Als «alter Arzt», der den Nutzen von Wissen gegenüber dem des sozialen Netzwerkes abschätzen kann, schätze ich die Wichtigkeit des sozialen Netzwerkes grösser ein als die des reinen Wissens, insbesondere in einer Leitungsfunktion. 

Die grosse Frage ist, was bleibt? An was gewöhnen wir uns? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wenn soziale Kontakte nun ins Internet verlagert werden, verändert sich etwas. Ob das gut oder schlecht ist, wird sich noch zeigen. Aber ich würde meinen, um Vertrauen zu gewinnen, um einen Menschen so zu erleben, dass man genügend vertraut ist, ihn anzurufen/anzusprechen, muss man ihn wahrscheinlich persönlich gesehen haben. Eine reine Internetbeziehung zu haben langt nicht. 

«Wenn das Studium sich so gestaltet, dass Erstsemestrige sagen, sie seien noch nie in einer Vorlesung gewesen, obwohl sie seit einem Jahr studieren, ist das für mich eine Katastrophe. Das Studium dient nicht nur der Wissensvermittlung, sondern auch dem Networking, wozu persönliche Kontakte unabdingbar sind.» 

Knöpfli, 2021 

Möchtest du uns Psychologiestudierenden noch etwas auf den Weg geben? 

An psychologischen Fortbildungen treffe ich oft auf eine Vorgehensweise, bei der verschiedene psychologische Techniken besprochen werden. Es gibt ganze Kongresse über psychotherapeutische Analysen, über verhaltenstherapeutische Ansätze etc. Die Kongresse werden so geführt, dass man über ein System redet, aber nicht über die Patienten und Patientinnen. Man spricht über die Güte eines Systems, unabhängig von den zu Behandelnden. Vielleicht ist das eine Gegenbewegung zu dem, was die Medizin macht. Mediziner und Medizinerinnen beurteilen die Patienten und Patientinnen, indem sie eine Diagnostik machen und auf die Diagnostik beziehungsweise auf dem damit verbundenen «Stempel», den der Patient oder die Patientin trägt, wird die Therapie ausgerichtet. Das drehen viele Psychologen und Psychologinnen aus meiner Sicht extrem um. Eine Diagnose ist verpönt, man will nicht «stempeln» und man sieht das Ganze viel offener. Dadurch geht aber vielfach der diagnostische Ansatz verloren. Man wendet dann generelle Prinzipien auf jeden an. Man darf den Patienten als Individuum nicht vergessen. 

Ein zweiter Aspekt, den ich Psychologiestudierenden gerne auf den Weg geben würde: Wenn ein Arzt oder eine Ärztin einen Patienten betreut, dann geht er davon aus, dass er seine Informationen anderen Kollegen oder Kolleginnen im Interesse des Patienten weitergeben kann/muss. Das birgt sicher eine Datenschutzproblematik in sich. Ich meine aber, dass auch dieser Punkt in der Psychologie etwas fest verschoben ist. Das Geheimnis, das man mit dem Patienten oder der Patientin teilt, muss in der Sitzung bleiben und damit bleibt es innerhalb dieser Zweierbeziehung. Wenn man das für einen gesamtheitlicheren Aspekt von Gesundheit im Sinne einer mehr interdisziplinären Betreuung öffnen würde, würden meiner Meinung nach Patienten und Patientinnen mehr von Behandlungen profitieren; die Auflösung dieser Zweierbeziehung hinzu einer grösseren und offeneren Struktur von Betreuung und involvierten Personen wäre nützlich. 

Dr. med. Bruno Knöpfli ist seit 2011 in einer Zürcher Praxis für Kinder- und Jugend-Medizin tätig. Im Rahmen dieser Arbeit bietet er ambulante pädiatrische Grund- und Notfallversorgung an und ist in den Bereichen der pädiatrischen Pneumologie und pädiatrischen Sportmedizin tätig. Des Weiteren ist er delegierender Psychotherapeut. Dr. med. Bruno Knöpfli studierte von 1977 bis 1985 Medizin an der Universität Zürich und promovierte 1986. Er sammelte internationale Erfahrung und war unter anderem Chefarzt und Direktor der Alpinen Kinderklinik Davos. 

Redaktionsechos

Was ist mehr oder weniger positiv an COVID-19?

Gesammelt von Marcia Arbenz
Lektoriert von der Redaktion

Vera Meier, Ressort Lektor*innen

Covid hat uns alle gezwungen unseren Alltag mehr oder weniger stark zu ändern. Dabei fand ich es schön, zu sehen, wie die gegenseitige Unterstützung, insbesondere in der Zeit des Lockdowns, auflebte. Der Fokus wurde in dieser aussergewöhnlichen Phase aus meiner Sicht auch mehr auf die persönlichen Gespräche über diverse mediale Mittel und ein bisschen weniger auf den Konsum gelegt. Das fand ich sehr schön. Ob dies in dieser Form anhält wird sich zeigen. Nun werden aus meiner Sicht aber leider die negativen Seiten der Pandemie auch immer deutlicher. Mir persönlich macht besonders die wirtschaftliche Entwicklung und indes das Ansteigen der Arbeitslosigkeit Sorgen. Viele Menschen haben grosse Angst um ihre Existenz. Diese Problematik wird uns vermutlich noch eine ganze Zeit lang beschäftigen.

Julia J. Schmid, Ressort Autor*innen

In dieser herausfordernden Zeit während des Lockdowns habe ich einen geliebten Menschen verloren. Eine Beerdigung mit limitierter Anzahl Gäste, kein Traueressen, kein Händeschütteln, kein Singen und vor allem, keine Umarmungen. Die Einschränkungen waren enorm. Dennoch fühlten wir die Verbundenheit. Tröstende Worte, verständnisvolle Blicke, traurig-schöne Anekdoten. Wir waren gemeinsam im Augenblick. Ich denke, diese Zeit lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das Wesentliche: Uns selbst und die Menschen, die wir lieben.

Marcia Arbenz, Präsidium

2020 – das Jahr in dem ich möglichst frei in der Welt herumreise, Praktika im Ausland absolviere und in der Fremde mich selbst besser kennenlerne – dachte ich zumindest. Durch das Virus wurde ich fast aller dieser Chancen beraubt. Glücklicherweise ergaben sich andere Möglichkeiten in der Schweiz, Abenteuer mitten im Vertrautem und der Zwang, sich selbst in der gefühlten Gefangenschaft zu begegnen. Nicht planen oder fliehen zu können, hat mich dazu gebracht die Schönheit der Gegenwart anzuerkennen. Und das machte mich dann doch frei.

Janice Lienhard, Ressort Illustrator*innen

Die Corona-Zeit fühlt sich etwas wie ein weltweiter Neustart an. Nur scheint es so einer zu sein, wo der Computer zuerst noch ein paar hundert Updates machen muss. Aber ich denke, wenn COVID-19 uns etwas gegeben hat, dann ist es ein neuer Blick aufs Leben. Was uns passt, was wir vermissen, wenn wir in Quarantäne sind, und was wir ändern wollen, wenn alles wieder läuft.

Noémie Lushaj, Präsidium

Die Pandemie ist ein Katalysator: Die Schwachstellen unserer Regierungen werden sichtbarer denn je, psychische Probleme verschärfen sich, soziale Ungleichheiten werden grösser und immer unerträglicher. So protestierten Millionen Menschen weltweit gegen Rassismus und Polizeigewalt: «Black Lives Matter»! Wenn die Welt simultan in Panik gerät und erstaunlich stillsteht, so finden wir Zuflucht an Orten, die uns Halt bieten – für mich vor allem Kunst und Freundschaft. Mitten im Chaos also eine Gelegenheit zur echten menschlichen Verbindung, Selbstausdruck, Rebellion und Sinnsuche in einer schmerzlich sinnlosen Welt.

Mehr Bewegung – gerade jetzt!

Die Herausforderung und Bedeutung von körperlicher Aktivität in Zeiten von COVID-19

Sport ist gesund! Klar, das weiss wohl jeder. Die regelmässige Umsetzung gestaltet sich hingegen schwieriger, besonders in Pandemiezeiten. Sportzentren waren zeitweise geschlossen und von Gruppenaktivitäten wird nach wie vor abgeraten. Dabei ist körperliche Aktivität gerade jetzt besonders wichtig.

Von Julia J. Schmid
Lektoriert von Jovana Vicanovic und Marina Reist
Illustriert von Pierina Hostettler

Die COVID-19-Pandemie zwang die Weltbevölkerung ihren Alltag und ihre Gewohnheiten zu ändern (Lim & Pranata, 2020). Die Massnahmen und Empfehlungen, die im Rahmen von COVID-19 weltweit ausgesprochen wurden, sind für die Verringerung der Übertragung des Virus und die Gesamtbelastung durch die Pandemie essentiell (Hudson & Sprow, 2020). Dennoch haben sie auch ein Umfeld körperlicher Inaktivität geschaffen. Geschlossene Freizeiteinrichtungen und Fitnesszentren sowie abgesagter Mannschaftssport erschwerten es für viele ihre Trainingsprogramme und -routinen aufrecht zu halten. Auch die Umsetzung sozialer Unterstützung, die eine wichtige Komponente beim Start oder bei der Weiterführung eines Fitnessprogramms darstellt, war erschwert, da beispielsweise persönliche Trainings- und Gruppenfitnesskurse entfielen (Hudson & Sprow, 2020). Einige griffen auf Alternativen zurück (z. B. Online-Fitnesskurse) und trainierten individuell weiter, während andere ihre körperliche Aktivität aufgrund mangelnder sozialer Unterstützung oder Bedenken hinsichtlich der Ansteckung reduzierten (Stanton et al., 2020). Auch die fehlende Bereitschaft frühere Trainingsgewohnheiten zu ändern, konnte ein Hindernis darstellen (Stanton et al., 2020).

Um die Verbreitung der Infektionen einzudämmen, haben viele Regierungen neben Beschränkungen des öffentlichen Lebens sogar eine kollektive Quarantäne für die Bevölkerung durchgesetzt (Mattioli et a., 2020). Es ist wahrscheinlich, dass ein längerer Aufenthalt zu Hause zu vermehrt sitzenden Verhaltensweisen, reduzierter Bewegung und weniger täglichen Schritten führte (Chen et al., 2020; Lim & Pranata, 2020). Darüber hinaus könnten die Einschränkungen insbesondere bei Personen, die nur für kurze Zeit zunehmend körperlich aktiv waren, das Trainingsverhalten negativ beeinflusst und einen Rückfall zu früheren Verhaltensmustern bedingt haben (Frühauf et al., 2020). Gleichzeitig ist eine solch starke Einschränkung mit psychologischen Folgen verbunden (Brooks et al., 2020). Der entstandene Stress und mögliche depressive Symptome könnten wiederum zu nachteiligen Veränderungen des Gesundheitsverhaltens, wie ungesunder Ernährung und verminderter körperlicher Aktivität geführt haben (Mattioli et al., 2020).

«We understand now more than ever that sports keep our body and mind healthy and bring us together.»

Gilat & Cole, 2020, S. 176

Allerdings haben die Massnahmen für viele auch mehr Freizeit geschaffen, beispielsweise durch Kurzarbeit oder entfallene Pendelzeiten. Dies hat die Möglichkeit für Familienspaziergänge, Gartenarbeit und andere Outdoor-Aktivitäten erhöht (Hudson & Sprow, 2020). Die gewonnene Zeit könnte genutzt worden sein, um neue Gewohnheiten für regelmässige, körperliche Aktivität zu entwickeln (Stanton et al., 2020). Da Bewegung einer der wenigen, legitimen Gründe war, das Haus zu verlassen, haben einige Menschen wohlmöglich eine Geh- oder Fahrradroutine aufgebaut (Stanton et al., 2020).

Weniger oder doch mehr Bewegung?

Weltweit nahm die durchschnittliche Anzahl Schritte pro Tag innerhalb von 30 Tagen nach der Pandemieerklärung um 27 Prozent ab (Tison et al., 2020). Europa verzeichnete einen noch drastischeren Rückgang um bis zu 38 Prozent (Fitbit, 2020). Eine sieben sprachige Online-Umfrage ergab, dass die COVID-19 Beschränkungen einen negativen Effekt auf alle Bewegungs-Intensitäten hatten (Ammar et al., 2020). Die Anzahl Minuten körperlicher Aktivität pro Tag mit starker Intensität verringerte sich im Vergleich zu früher um 23 Prozent, bei mittlerer Intensität um 24 Prozent und beim Gehen um 35 Prozent. Das Ausmass des Rückgangs hing mit der Strenge der einzelnen staatlichen Beschränkungsmassnahmen zusammen. Zusätzlich erhöhte sich die tägliche Sitzzeit von fünf auf acht Stunden pro Tag (Ammar et al., 2020). In einigen Ländern wurde ein Anstieg der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas und der damit verbundenen Folgen festgestellt (Onagbiye et al., 2020). He und Kollegen (2020) konnten zeigen, dass dies auf die erzwungenen Änderungen im Lebensstil zurückzuführen ist. Dabei korrelierte die Änderung des Körpergewichts während der Pandemie negativ mit der Änderung der Schritte pro Tag und der Trainingszeit.

«The role that sports play in this pandemic is unprecedented, fascinating, and reveals the immense impact sport has on every aspect of our lives.»

Gilat & Cole, 2020, S. 175

Fast die Hälfte der in Australien Befragten berichtete über eine Verringerung der körperlichen Aktivität seit Ausbruch der Pandemie, während etwa 20 Prozent eine positive Veränderung nannten (Stanton et al., 2020). Auch in Italien hat die gesamte körperliche Aktivität in allen Altersgruppen, und insbesondere bei Männern, signifikant abgenommen (Maugeri et al., 2020). Männer könnten stärker betroffen sein, da sie mehr in sozialen und kompetitiven Kontexten Sport treiben und Outdoor-Aktivitäten sowie öffentliche Einrichtungen bevorzugen, während Frauen Indoor-Aktivitäten präferieren. Überdies könnte die vermehrte Hausarbeit der Frauen die Unterschiede erklären (Maugeri et al., 2020). In Österreich wurde ebenfalls eine generelle Abnahme der körperlichen Aktivität festgestellt (Schnitzer et al., 2020). Eine Gruppenanalyse ergab aber erstaunlicherweise, dass fast die Hälfte der Personen, die zuvor sehr wenig Sport gemacht haben, sich während der Quarantäne verstärkt körperlich betätigten (Schnitzer et al., 2020). Die Autoren nehmen an, dass dies auf sinkende Opportunitätskosten zurückzuführen ist und argumentieren, dass der Anstieg mit der Zunahme an Freizeit und einer Präferenzverschiebung einhergeht. Ferner zeigte auch die Studie aus Italien bei der Gruppe, die vor der Pandemie wenig aktiv war, einen gesteigerten Gesamtenergieverbrauch, womöglich aufgrund vermehrter Hausarbeitsaktivitäten (Maugeri et al., 2020). Eine Studie aus Belgien liefert noch differenziertere Ergebnisse (Constandt et al., 2020). Personen, die vor der Pandemie hoch aktiv waren, über 55 Jahre alt sind, eine geringere Bildung aufweisen, früher mit Freunden oder im Sportverein trainierten und keine Online-Tools verwendeten, berichteten, dass sie während den Einschränkungen weniger körperlich aktiv waren. Als Hauptgründe für die Reduktion wurde genannt, weniger Zeit zu haben, mehr zu sitzen und das Gewohnte und Kompetitive des Trainings zu vermissen. Ungefähr die Hälfte der hochaktiven Menschen gab an, mehr Zeit als zuvor für Sport zu haben. Dennoch erhöhten aufgrund der geschlossenen Sportinfrastrukturen und abgesetzten Sportveranstaltungen sowie der fehlenden sozialen Unterstützung nur 36 Prozent ihre Trainingszeit, während 23 Prozent sie reduzierten. Ein komplett anderes Bild zeigte sich bei Personen, die vor der Sperrung wenig aktiv waren. Mehr als die Hälfte gab an, nun mehr Zeit für Sport zu haben. Als Hindernisse wurden zusätzlich Ansteckungsängste und mangelndes Interesse aufgelistet. Dennoch trainierten ganze 60 Prozent nun mehr als zuvor (Constandt et al., 2020). Diese Ergebnisse geben Hoffnung, dass Personen, die ihr Trainingsverhalten erhöhten, neue Gewohnheiten entwickeln, die auch nach der Pandemie fortbestehen (vgl. Nyenhuis et al., 2020).

Bewegung schützt den Körper – gerade jetzt!

Körperliche Aktivität ist wichtig, um auch während der Pandemie gesund zu bleiben. Die negativen psychologischen Auswirkungen der Pandemie, wie Stress und die damit einhergehende Hormonausschüttung, können die Immunantwort und die metabolische Gesundheit dämpfen, wobei Bewegung diesen Effekten entgegenwirken kann (Ranasinghe et al., 2020). Gerade in Zeiten von COVID-19 ist Bewegung unerlässlich, um das Risiko von Krankheiten wie Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck, Kardiovaskulären- und Atemwegserkrankungen zu senken, die in jüngsten Studien als die häufigsten Begleiterkrankungen von COVID-19 genannt wurden und mit erhöhtem Risiko für Krankenhausaufenthalte und Mortalität verbunden sind (Jurak et al., 2020; Zbinden-Foncea et al., 2020). Zusätzlich hat regelmässige moderate körperliche Aktivität das Potenzial, die Immunfunktion zu verbessern und das Risiko, die Dauer und die Schwere der viralen Infektionen zu reduzieren (Laddu et al., 2020; Grande et al., 2015). Auch gibt es neue Daten, wonach körperliche Betätigung das Risiko eines akuten Atemnotsyndroms, einer Haupttodesursache bei Patienten mit COVID-19, verringern kann (UVA, 2020). Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2 max), die die Ausdauerleistungsfähigkeit darstellt, kann gar zur Risikoeinschätzung verwendet werden (Ahmed, 2020). Inwiefern körperliche Aktivität tatsächlich das Risiko einer Infektion mit COVID-19 mindert und bei einer Ansteckung Komplikationen vorbeugt, muss aus retrospektiven, epidemiologischen Daten noch ermittelt werden (Zbinden-Foncea et al., 2020).

Bewegung schützt die Psyche – gerade jetzt!

Die COVID-19-Pandemie und ihr Management stellen eine Bedrohung für das Wohlbefinden von Menschen ohne und insbesondere mit vorbestehenden psychischen Störungen dar (Diamond & Waite, 2020). Als Stressoren nennen Brooks et al. (2020) in ihrem Review eine längere Quarantänedauer, Infektionsängste, Frustration, Langeweile, unzureichende Versorgung, unzureichende Informationen, finanzielle Verluste und Stigmatisierung. Die Konsequenzen sind posttraumatische Stresssymptome, Verwirrung und Wut (Brooks et al., 2020). In einigen Ländern wurde ein Anstieg von Angst und Depression festgestellt (Onagbiye et al., 2020). Es ist bekannt, dass Bewegung ein wirksames Mittel zur Verbesserung der aktuellen Stimmung, des Wohlbefindens und zur Prävention von psychischen Störungen ist (Frühauf et al., 2020). Depressive Symptome und Angst können sogar in einem ähnlichen Ausmass reduziert werden, wie durch eine medikamentöse Therapie (Wegner et al., 2014). Körperlich aktive Menschen haben unabhängig von ihrem Fitnesslevel eine bessere psychische Gesundheit, bessere Lebensqualität und sind widerstandsfähiger gegen Stress (Penedo & Dahn 2005; Deuster & Silverman, 2013).

Mehr oder weniger Sport während der Pandemiezeit? Eine Familie berichtet:

Schülerin, 18: «Ich war so fit wie noch nie! Von der Schule hatten wir die Aufgabe, uns auf einen 3-Kilometerlauf vorzubereiten. Erst war es schrecklich. Doch mit der Zeit war ich motivierter, aufnahmefähiger und hatte bessere Laune. Ich glaube, wenn ich nicht Sport gemacht hätte, wäre ich in ein Loch gefallen.»

Student, 22: «Der Unisport fiel aus, mein Fussballverein war geschlossen. Ich war mehrheitlich zu Hause. Am Abend verspürte ich einen enormen Bewegungsdrang und musste einfach joggen gehen. Das gab mir das Gefühl, den Tag genutzt zu haben.»

Kundenberater, 58: «Ich ging mehrmals an den Vitaparcours, sonst habe ich keinen Sport gemacht.»

Sachbearbeiterin, 46: «Aufgrund meiner Kurzarbeit hatte ich viel mehr Zeit. Mein Fitnesscenter bot online Kurse an, die ich täglich wahrnahm. Bei schönem Wetter ging ich walken oder mit meiner Familie an den Vitaparcours. So habe ich täglich bis zu dreimal Sport gemacht.»

Stanton und Kollegen (2020) zeigten, dass eine Reduktion der körperlichen Aktivität während der Pandemie mit höheren Depressions-, Stress- und Angstwerten einherging. Zugleich lindert körperliche Aktivität die indirekt durch den COVID-19 Ausbruch induzierten, allgemeinen negativen Emotionen (Zhang et al., 2020). Dies obwohl sozialer Kontakt und Unterstützung, die die positiven psychischen Auswirkungen von Bewegung erhöhen, in dieser Zeit grösstenteils wegfielen (vgl. Burke et al., 2006). Ferner fanden Maugeri und Kollegen (2020) eine positive Korrelation zwischen der körperlichen Aktivität während der Pandemie und dem psychischen Wohlbefinden. Interessanterweise war die Korrelation bei Frauen stärker. Möglicherweise beeinflussen Änderungen der Gewohnheiten der körperlichen Aktivität das Wohlbefinden von Frauen extremer als das von Männern (Maugeri et al., 2020). Körperliche Aktivität steigert die Selbstwirksamkeitserwartung und das globale Selbstwertgefühl, was gerade in dieser herausfordernden Zeit nützlich sein kann (Netz et al., 2005; Spence et al., 2005). Darüber hinaus hat körperliche Aktivität positive Auswirkungen auf häufige Probleme in Quarantänezeiten wie Frustration, Stress, Depression und Langeweile und kann die psychischen Folgen der Isolation wirksam reduzieren (Foye et al., 2020; de Oliveira Neto et al., 2020; Ranasinghe et al., 2020). Bewegung im Freien hat aufgrund der vielfältigen visuellen Eindrücke der Natur zusätzliche, positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Die Zufriedenheit wird erhöht und depressive Symptome, Langeweile, psychische Erschöpfung, Wut und Angst, die alle mit der Pandemie assoziiert sind, werden gelindert (Van den Berg et al., 2010; Frühauf et al., 2020; Park et al., 2020). Das Tageslicht hat ebenfalls einen starken Einfluss auf die geistige und körperliche Gesundheit (Beute & Kort, 2014). Diese Erkenntnisse sind sehr positiv zu werten, da während der Pandemie neben der Präferenz für Heimtraining und auch die Beliebtheit von Spaziergängen und anderen Aktivitäten im Freien anstieg (Schnitzer et al., 2020; Nyenhuis et al., 2020).

Die aktuelle Forschung zeigt: Trotz zunehmenden Herausforderungen ist körperliche Aktivität der Schlüsselfaktor, um die physische und psychische Gesundheit der Bevölkerung während der Pandemie aufrecht zu halten. Was wir brauchen, ist: Mehr Bewegung – gerade jetzt!


Zum Weiterlesen

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