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Beiträge aus der Kategorie ‘Uncategorized’

Professor*innen gefragt 

Worauf sind Sie gespannt? 

Gesammelt von Noémie Lushaj 
Lektoriert von der Redaktion

Prof. Dr. Christoph Flückiger 

Gespannt zu sein; einen Fokus auf ein zukünftiges Ereignis zu haben, wo der Ausgang nicht ganz klar ist; möglicherweise Ungewissheit, jedoch auch Vorfreude und Neugier erleben! Gespannt-Sein kann ein Hinweis für die kleinen und grossen Geschenke des Lebens sein: Der Ausgang eines guten Krimis, die Konzentration beim Carambolspiel, die grundsätzlich optimistische Zukunft der Kinder und Nächsten! Es muss uns und der Mitwelt insgesamt auch recht gut gehen, dass wir Dinge als «gespannt» erleben können. Spannung setzt zumeist voraus, dass die Gefahr schon auch kalkulierbar ist. Wären wir desillusioniert und alles erschiene unwichtig und egal oder wären wir bedroht, so würden wir diese Situationen zumeist nicht mehr als «gespannt» attribuieren. Gespannt-Sein macht ganz im Sinne von Erwartungs- und Wert-Modellen die Würze des Alltags aus. Beispielsweise fühlen sich Personen oftmals gespannt, wenn sie in einer Therapie oder Beratung neues Verhalten explorieren – ein Zeichen der Hoffnung! 

Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker 

Diesmal antworte ich nicht als Fachperson, sondern persönlich. Werden wir das hinbekommen mit dem 1,5-Grad-Ziel der maximalen Erderwärmung? Es gibt so viel Bereitschaft in unseren Ländern dafür, aber ob das Handeln unserer Regierungen ausreicht oder ob diese überhaupt willens sind, das Ruder herumzureissen? Können wir diejenigen, denen das Thema immer noch fern ist oder die es leugnen, mit ins Boot bekommen für entschiedene Aktionen? Ich bin aber auch gespannt, ob ich mein eigenes klimaschädliches Verhalten (Fliegen, Autofahren, Wohnen im unisolierten Gebäude) ändern kann, denn da geht Manches gegen lieb gewordene Gewohnheiten. Der Vorsatz ist gefasst, jetzt kommt es auf meine Umsetzung an. 

Prof. Dr. Alexandra Freund 

Ich bin sehr gespannt, wie wir als Psycholog*innen und Wissenschaftler*innen dazu beitragen können, die gegenwärtige Polarisierung in der Gesellschaft zu sozial-, gesundheits- und wirtschaftspolitischen Themen und Werten besser zu verstehen und zu überwinden. Ich erlebe die Situation als schwierig, da mir scheint, dass oft keine Diskussion zwischen den polarisierten Gruppen möglich ist, weil grundlegende Überzeugungen gegen Argumente und Evidenz abgeschirmt werden. Das verunmöglicht häufig eine rationale Auseinandersetzung und kann leicht zu emotional aufgeladenem, wechselseitigem Unverständnis führen. Wie können wir dies psychologisch beschreiben und möglichst auch Wege zu einem konstruktiveren Umgang miteinander finden? 

Prof. Dr. Johannes Ullrich 

Ich bin gespannt, ob das nächste Experiment meine Hypothese stützt. Manche Spielverderber*innen behaupten ja, dass die Grösse der Effekte, die untersucht werden, mit der Zeit abnimmt, weil die «tief hängenden Früchte» bereits gepflückt seien, sodass die meisten Studien nur noch negative Resultate zeigen (Ioannidis, 2005). Über die Grösse eines Effekts kann man sich aber täuschen. Nehmen wir den Befund, dass amerikanische (aber nicht mexikanische) Versuchspersonen einen jungen Postbeamten, der viel Geld im Lotto gewonnen hat, stärker loben, wenn er trotzdem weiterarbeitet, als wenn er seinen Job an den Nagel hängt. Das wurde auf die historische calvinistische Prägung der USA zurückgeführt. Eine grosse Replikationsstudie hat gezeigt, dass dieser Effekt kulturunabhängig auftritt (Tierney et al., 2021). Ausserdem war er grösser (d = .65) als von über 200 Forschenden im Durchschnitt vorhergesagt (d = .32). Mit transparenten Vorgehensweisen und Theorienwettbewerb bleibt die Forschung spannend! 

Prof. Dr. Guy Bodenmann 

Ich bin gespannt auf einen demnächst in Wien stattfindenden klinischen Workshop. Nach langem Online-Unterrichten wird dies der erste Kurs im Ausland sein, den ich wieder im Präsenzmodus anbiete. Ich freue mich wieder auf den Kontakt zu den Teilnehmenden, den direkten Austausch von Blicken, auf das Nicken, Lachen und die kleinen Anzeichen in Gestik und Mimik für Interesse und Aufmerksamkeit, Verständnisfragen oder Langeweile. Ich freue mich darauf, die physische und psychische Präsenz der Anwesenden zu spüren. Die Atmosphäre in der Gruppe aufzusaugen, Teil einer sozialen Dynamik vor Ort zu sein. Ob dem so sein wird, das ist bei der Entwicklung der Pandemie schwer vorauszusehen. Ich bin gespannt, ob der Kurs in dieser Form zustande kommt. Ich war auch gespannt bei mir festzustellen, was die letzten anderthalb Jahre ausgelöst haben, wie sehr mir der Kontakt zu Studierenden, Weiterbildungsteilnehmenden und Zuhörer*innen an Vorträgen gefehlt hat, wie trostlos sich dieses Sprechen in den Bildschirm anfühlte. 

Prof. Dr. Moritz Daum 

Mit Sprache werden Informationen ausgetauscht und Beziehungen hergestellt, verstärkt, aber auch zerstört. Albus Dumbledore sagt im letzten Harry-Potter-Film: «Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it». Das Jacobs Center for Productive Youth Development (JCPYD) an der UZH vereinigt Wissenschaftler*innen aus Bereichen wie der Psychologie, Soziologie, Ökonomie und anderen unter einem Dach. In meiner neuen Funktion als Direktor des JCPYD bin ich darauf gespannt, ob und wie gut es gelingt, dass die verschiedenen Disziplinen so miteinander kommunizieren, dass man sich gegenseitig versteht, sogar gut versteht. Ich stelle immer mehr fest, dass das Finden einer gemeinsamen Sprache eine der grossen Herausforderungen der aktuellen Zeit (nicht nur in der Wissenschaft) ist, damit Zusammenarbeit zu Synergien führt und nicht zu Reibungsverlusten. 

Achtsamkeit und Akzeptanz in aller Munde

Vormarsch der Achtsamkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft und ihr Einzug in die Psychotherapie

«Atme tief ein und aus. Konzentriere dich dabei auf deine Wahrnehmungen im Hier und Jetzt.» Wer kennt die ursprünglich aus dem Buddhismus stammenden Praktiken der Achtsamkeit und Akzeptanz heutzutage nicht? Nachfolgend geht es darum, wie diese beiden Konzepte populär geworden sind und ihren Weg bis in die Psychotherapie gefunden haben.

Von Natalie Birnbaum
Lektoriert von Jovana Vicanovic und Ladina Hummel
Illustriert von Nathalie Vital

Die Achtsamkeit wird oft durch das Praktizieren von achtsamkeitsbasierter Meditation ausgeübt und beschreibt die Aufmerksamkeitslenkung auf Erfahrungen wie Gedanken, Gefühle und Empfindungen, die im Hier und Jetzt erlebt werden. Erfahrungen, die auftreten, werden wahrgenommen, aber nicht verarbeitet und nicht bewertet. Dabei ist es wichtig, diesen Eindrücken gegenüber eine neugierige, offene und akzeptierende Haltung einzunehmen. Ausserdem geht es bei der Achtsamkeit nicht darum, einen bestimmten Zustand, wie beispielsweise Entspannung, zu erreichen oder seine Gefühle zu verändern, sondern bloss um das Wahrnehmen der verschiedenen Erfahrungen im Hier und Jetzt (Bishop et al., 2004).

Die Akzeptanz ist im Rahmen der akzeptierenden Haltung, die bei Achtsamkeitsübungen gegenüber Erfahrungen gezeigt wird, auch Bestandteil der Achtsamkeit. Akzeptanz beschreibt kein passives Hinnehmen der eigenen Gedanken, Gefühle und Empfindungen, sondern eine aktive Einstellung und Entscheidung dazu, Erfahrungen so wie sie sind, anzunehmen und sein zu lassen – egal ob sie als angenehm oder unangenehm empfunden werden (Hayes, 2004; Heidenreich & Michalak, 2006).

Wie die Achtsamkeit und Akzeptanz an Popularität gewannen

Die Konzepte Achtsamkeit und Akzeptanz sind heutzutage geradezu zu Modethemen geworden. Dies ist einerseits an der weiten Verbreitung dieser Konzepte in der Gesellschaft ersichtlich, was sich beispielsweise darin widerspiegelt, dass diese Themen oft in Werbungen zu sehen sind. Andererseits haben sie auch das Interesse der Wissenschaft auf sich gezogen, was daran erkennbar ist, dass die Anzahl wissenschaftlicher Kongresse und Artikel zu diesen Themen in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat. Mögliche Faktoren, die mit dieser Entwicklung in Zusammenhang stehen, sind die grössere Offenheit gegenüber diesen Themen in der heutigen Gesellschaft. Ausserdem könnte die zunehmende Popularität von Konzepten wie Achtsamkeit und Akzeptanz auch eine Sehnsucht der Gesellschaft widerspiegeln, sich in unserer schnelllebigen Welt Zeit zu nehmen, um sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Durch die erhöhte Offenheit gegenüber diesen beiden Themen in der Gesellschaft und die vermehrte Diskussion darüber, wird auch zunehmend mehr Forschung dazu betrieben. Durch die vermehrte empirische Fundierung steigt wiederum die Popularität und die Offenheit gegenüber diesen Konzepten in der Gesellschaft. Mit der steigenden Popularität von Achtsamkeit und Akzeptanz in den vergangenen Jahrzehnten haben diese beiden Konzepte unter anderem auch ihren Weg in verschiedene Psychotherapieansätze gefunden (Michalak et al., 2006).

Denkanstoss

Die Forschung zur Achtsamkeit steht unter anderem auch deshalb vor grundlegenden Schwierigkeiten, da sich die Grundprinzipien der Achtsamkeit und diejenigen der wissenschaftlichen Praxis widersprechen. Bei der Achtsamkeit steht das Erleben des Augenblicks im Zentrum. Es wird davon ausgegangen, dass das Erleben des Augenblicks einzigartig ist. Dementsprechend kann jeder Augenblick nur ein einziges Mal genau unter den zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden Bedingungen erfahren werden und wird nie mehr genau gleich wahrgenommen. Dieses einzigartige Erleben im Rahmen der Achtsamkeit steht im Widerspruch zur Wissenschaft, deren Ziel der Erhalt von möglichst generalisierbaren Ergebnissen, die über das einzigartige Erleben hinausgehen, ist. Dieser Widerspruch stellt die Achtsamkeitsforschung vor grundlegende Herausforderungen (Michalak et al., 2006).

Achtsamkeits- und Akzeptanzübungen zur Behandlung von psychischen Störungen

Nachfolgend werden die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion und die Akzeptanz- und Commitmenttherapie als zwei Beispiele für die Anwendung von Achtsamkeit und Akzeptanz in der Psychotherapie kurz dargestellt.

Die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion ist ein achtwöchiges Programm, das von Jon Kabat-Zinn entwickelt wurde. Die Durchführung erfolgt im Gruppensetting und ist für Personen mit verschiedenen psychischen oder körperlichen Beschwerden geeignet. Das Programm besteht aus der Vermittlung der Grundlagen der Achtsamkeit, der Durchführung verschiedener Meditationsübungen, dem Üben, sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren (Heidenreich und Michalak, 2006) und aus Diskussionen über Möglichkeiten, die Achtsamkeit im Alltag anzuwenden (Kabat-Zinn, 1990). Viele Studien belegen die positiven Effekte der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion. Beispielsweise wird in der Metaanalyse von Grossman und Kolleg*innen (2004) von positiven Effekten der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion sowohl auf die psychische als auch auf die körperliche Gesundheit bei Personen mit psychischen Störungen oder körperlichen Erkrankungen und bei gesunden Personen berichtet. Bei der psychischen Gesundheit wurden Effekte auf Parameter wie das psychische Wohlbefinden, psychologische Symptome, Depression, Angst, Schlaf, psychologische Komponenten der Lebensqualität und die affektive Schmerzwahrnehmung gemessen. Bei der körperlichen Gesundheit wurden Effekte auf Parameter wie medizinische Symptome, körperliche Schmerzen, körperliche Beeinträchtigungen und körperliche Komponenten der Lebensqualität nachgewiesen (Grossman et al., 2004).

Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) ist Teil der Verhaltenstherapie. Das Ziel der ACT ist nicht, das Auftreten oder den Inhalt von Gedanken, Gefühlen oder Empfindungen zu beeinflussen, sondern die Haltung, die diesen Erfahrungen entgegengebracht wird, zu verändern. Dazu werden verschiedene Therapiebausteine genutzt, zu denen auch die Achtsamkeit und die Akzeptanz zählen. Die Fokussierung auf die Gefühle, Gedanken und Empfindungen im Hier und Jetzt und das Beobachten des Kommens und Gehens der Gedanken ohne deren Verarbeitung oder Bewertung bei Achtsamkeits- und Akzeptanzübungen ist wichtig für den Therapiebaustein der kognitiven Defusion. Bei dieser geht es darum, mit verschiedenen Übungen die Schwere und die Glaubhaftigkeit der störungsrelevanten Gedanken und Empfindungen zu reduzieren. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass den Teilnehmenden gezeigt wird, dass Gedanken vorübergehend sind und sie die Realität nicht adäquat widerspiegeln. Dadurch soll der Bezug zu diesen Gedanken und Empfindungen verändert werden, nicht aber deren Inhalt oder deren Auftreten (Hayes, 2004; Hayes et al., 2005).

«… mindfulness teaches clients to look at thoughts as events in the world, not at the world as structured by thoughts.» Hayes, 2004, S. 654

Auch zur Wirksamkeit der ACT gibt es bereits viel Evidenz. Beispielsweise wurde gezeigt, dass die ACT bei der Behandlung von Depressionen und für verschiedene Masse der psychischen und der körperlichen Gesundheit wirksamer ist als die gängige Behandlung, Wartelistenkontrollgruppen oder eine psychologische Placebo-Kontrollintervention. Diese Überlegenheit der Wirksamkeit von ACT gegenüber derjenigen anderer Therapieformen zeigte sich allerdings nicht bei der Behandlung von Depression und Angst zusammen (Powers et al., 2009).

Trügt der Schein?

Viele der existierenden Studien zu Achtsamkeit und Akzeptanz weisen methodische Mängel auf und sehr wenige Studien verwenden aktive Kontrollgruppen, was Aussagen zur Effektivität der Achtsamkeit und Akzeptanz im Vergleich zu anderen Therapieansätzen erschwert (Heidenreich und Michalak, 2006; Michalak et al., 2006; Van Dam et al., 2018). Ausserdem unterscheiden sich die Studien darin, wie oft, wie lange, über welchen Zeitraum hinweg und in welchem Setting die Achtsamkeits- und Akzeptanzpraktiken ausgeübt werden, was Vergleiche zwischen verschiedenen Studien nur beschränkt möglich macht (Van Dam et al., 2018). Neben den positiven Wirkungen wurde auch von negativen Effekten wie beispielsweise Angst, die durch die Ausübung von Achtsamkeitspraktiken ausgelöst wurden, berichtet (Heide & Borkovec, 1983; Van Dam et al., 2018). Wie gross das Risiko für das Auftreten von negativen Effekten durch die Ausübung von Achtsamkeitspraktiken ist und was mögliche Risikofaktoren dafür sein könnten, wurde noch nicht ausreichend erforscht. Diese Punkte zeigen, dass der starke Anstieg der Popularität von Achtsamkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft und die Anwendung dieser Praktiken in der Psychotherapie der qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen Forschung vorausgeeilt sind und daher noch einige methodische Mängel und offene Forschungslücken bestehen, die es zu beheben gilt.


Zum Weiterlesen

Michalak, J., Heidenreich, T., & Bonus, M. (2006). Achtsamkeit und Akzeptanz in der Psychotherapie: Gegenwärtiger Forschungsstand und Forschungsentwicklung. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 54(4), 241–253. doi: 10.1024/1661-4747.54.4.241

Van Dam, N. T., van Vugt, M. K., Vago, D. R., Schmalzl, L., Saron, C. D., Olendzki, A., Meissner, T., Lazar, S. W., Kerr, C. E., Gorchov, J., Fox, K. C. R., Field, B. A., Britton, W. B., Brefczynski-Lewis, J. A., & Meyer, D. E. (2018). Mind the hype: A critical evaluation and prescriptive agenda for research on mindfulness and meditation. Perspectives on Psychological Science, 13(1), 36–61. doi: 10.1177/1745691617709589

Literatur

Bishop, S. R., Lau, M., Shapiro, S., Carlson, L., Anderson, N. D., Carmody, J., Segal, Z. V., Abbey, S., Speca, M., Velting, D., & Devins, G. (2004). Mindfulness: A proposed operational definition. Clinical Psychology: Science and Practice, 11(3), 230–241. doi.org/10.1093/clipsy.bph077

Grossman, P., Niemann, L., Schmidt, S., & Walach, H. (2004). Mindfulness-based stress reduction and health benefits: A meta-analysis. Journal of Psychosomatic Research, 57(1), 35-43. doi.org/10.1016/S0022-3999(03)00573-7

Hayes, S. C. (2004). Acceptance and Commitment Therapy, Relational Frame Theory, and the Third Wave of Behavioral and Cognitive Therapies. Behavior Therapy, 35(4), 639–665. doi.org/10.1016/S0005-7894(04)80013-3

Hayes, S. C., Luoma, J. B., Bond, F. W., Masuda, A., & Lillis, J. (2006). Acceptance and Commitment Therapy: Model, processes and outcomes. Behavior Research and Therapy, 44(1), 1-25. doi.org/10.1016/j.brat.2005.06.006

Heide, F. J., & Borkovec, T. D. (1984). Relaxation-induced anxiety: Mechanisms and theoretical implications. Behaviour Research and Therapy, 22(1), 1–12. doi.org/10.1016/0005-7967(84)90027-5

Heidenreich, T., & Michalak, J. (2006). Achtsamkeit und Akzeptanz als Prinzipien in der Psychotherapie. PiD – Psychotherapie im Dialog, 7(3), 235-240. doi.org/ 10.1055/s-2006-940036

Kabat-Zinn, J. (1990). Full catastrophe living: using the wisdom of your body and mind to face stress, pain and illness. Delacorte.

Michalak, J., Heidenreich, T., & Bonus, M. (2006). Achtsamkeit und Akzeptanz in der Psychotherapie: Gegenwärtiger Forschungsstand und Forschungsentwicklung. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 54(4), 241–253. doi.org/10.1024/1661-4747.54.4.241

Powers, M. B., Zum Vörde Sive Vörding, M. B., & Emmelkamp, P. M. G. (2009). Acceptance and commitment therapy: A meta-analytic review. Psychotherapy and Psychosomatics, 78(2), 73–80. doi.org/10.1159/000190790

Van Dam, N. T., van Vugt, M. K., Vago, D. R., Schmalzl, L., Saron, C. D., Olendzki, A., Meissner, T., Lazar, S. W., Kerr, C. E., Gorchov, J., Fox, K. C. R., Field, B. A., Britton, W. B., Brefczynski-Lewis, J. A., & Meyer, D. E. (2018). Mind the Hype: A Critical Evaluation and Prescriptive Agenda for Research on Mindfulness and Meditation. Perspectives on Psychological Science, 13(1), 36–61. doi.org/10.1177/1745691617709589

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser

Halt und Stopp! Wir sind wieder da mit einer neuen aware Ausgabe.

Transitionen zwischen verschiedenen Lebensphasen bewegen und prägen uns Menschen. Sei es die Geburt eines Kindes, der erste Schultag, eine Heirat, die Menopause oder das Bewusstwerden, dass man älter wird. Wir brauchen Reserven, um durchzuhalten und im richtigen Moment brauchen wir die richtige Unterstützung.

Übergänge können auch erschwert sein, wenn ein|e Partner|in krank ist oder es plötzlich wird. Erkrankungen wie Depressionen oder auch Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivätsstörungen (ADHS) können Beziehungen überschatten. Eine Person mit einer Depression kann sich zu keinen gemeinsamen Aktivitäten aufraffen und jemandem mit ADHS fällt es schwer, sich richtig auszudrücken. Wie kann man für solche Menschen als Partner|in eine Unterstützung sein und die Beziehungen aufrechterhalten?

Menschen mit psychischen Erkrankungen werden oftmals stigmatisiert. So ist es für Männer in unserer Gesellschaft immer noch schwierig, sich als «Anorektiker» oder «Bulimiker» zu outen. Das Krankheitsbild einer Essstörung wird bis heute eher dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben – Männer, die unter solchen Krankheiten leiden, passen nicht ins Bild. Was ist wichtig zu wissen?

Die Klimaerwärmung ist ein allgegenwärtiges Thema. Tag ein, Tag aus bekommen wir es zu hören: Wir sollen innehalten und unseren Lebensstil ändern. Wir sollen nachhaltiger und weitsichtiger handeln. Wir sollen an die Zukunft unserer Kinder denken, die in dieser Welt noch leben sollen. Welche Lösungsansätze bietet die Psychologie?

Zu guter Letzt kommen wir zu #MeToo. Seit zwei Jahren zieht sich die Thematik bereits durch alle Medien. Dass es aber nicht nur in Hollywood, sondern auch an Universitäten zu sexuellen Belästigungen und dergleichen kommt, wird meistens verschleiert. Wer ist betroffen und was kann man tun?

Diese und weitere Themen behandeln wir in dieser Ausgabe und wünschen euch an dieser Stelle viel Vergnügen beim Lesen.

Eure aware Redaktion

«Mehr oder weniger» Psychotherapie auf Distanz

Die Grundversicherung unterscheidet bei der Kostenübernahme zwischen Leistungen von Psycholog*innen und Ärzt*innen

Die Nachfrage nach Psychotherapie auf Distanz ist im Zuge der Schutzmassnahmen der Corona-Pandemie deutlich gestiegen. Derartige Leistungen von delegiert tätigen Psycholog*innen werden jedoch nur in zeitlich beschränktem Umfang von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen. Für ambulant tätige ärztliche Psychotherapeut*innen beziehungsweise Psychiater*innen gelten nur marginale Einschränkungen.

Von André Widmer, Präsident ZüPP, Kantonalverband der Zürcher Psychologinnen und Psychologen

Die positive Wirkung verschiedener Formen von Psychotherapie auf Distanz (zum Beispiel Online-Therapien via Skype oder Telefon) ist bei verschiedenen psychischen Störungen wissenschaftlich – auch durch Schweizer Studien – belegt; dies gilt unter anderem für Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen sowie Schlaf- und Essstörungen (FSP & FMPP, 2017). Neben kontrollierten Wirksamkeitsstudien gibt es in der noch jungen Forschung zu Online-Interventionen auch bereits eine ganze Reihe von Übersichtsarbeiten und Metaanalysen (FSP & FMPP, 2017).

In der Praxis muss vor Beginn einer telepsychotherapeutischen Behandlung zuerst eine physische Begegnung mit der Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten erfolgen, damit eine Diagnose gestellt werden kann. Aus rechtlichen Gründen kann dies nur im Rahmen einer persönlichen Sitzung erfolgen. Sollte eine solche Sitzung nicht möglich sein, müssen sich die ersten telepsychotherapeutischen Sitzungen auf die Kontaktaufnahme und auf eine Unterstützung ohne zugrundeliegende Diagnose beschränken. Der eigentliche therapeutische Prozess kann erst nach einer Face-to-Face-Sitzung eingeleitet werden.

Limitierung der Kostenübernahme von Psychotherapien auf Distanz

Trotz nachgewiesener Wirksamkeit von Psychotherapien auf Distanz übernimmt die Grundversicherung der Krankenkassen bei der delegierten psychologischen Psychotherapie nur Leistungen im Umfang von 240 Minuten pro Halbjahr (dies entspricht beispielsweise vier Therapiesitzungen à je 60 Minuten). Für ärztliche Psychotherapeut*innen beziehungsweise Psychiater*innen gelten diese Beschränkungen nicht. Während des Covid-19-Lockdowns in der Schweiz wurde diese für delegiert arbeitende Psychotherapeut*innen geltende Limitierung zunächst auf 360 Minuten pro Halbjahr erweitert. Im Rahmen der sukzessiven Lockerungen der Massnahmen Ende Juni wurde jene aber wieder auf die bestehende Limite reduziert. Gegen diese vorübergehende und nur marginale Erhöhung der Kostendeckung von 240 auf 360 Minuten haben verschiedene Patient*innenorganisationen, psychologische und ärztliche Berufsverbände wie auch Gesundheitsdirektionen der Kantone wiederholt ohne Erfolg beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) interveniert. Im Gegensatz zur Grundversicherung haben einzelne Zusatzversicherungen von Krankenkassen telepsychotherapeutische Leistungen von selbständigen psychologischen Psychotherapeut*innen, welche über diese 360 Minuten hinausgehen, im Rahmen ihrer Leistungserbringung während des Lockdowns teilweise übernommen.

Die FSP lässt nicht locker und verlangt Antworten

Die bei einem breiten Spektrum von psychischen Störungen nachgewiesene Wirksamkeit der Online-Psychotherapie und die positiven Erfahrungen mit Telepsychotherapie während des Lockdowns bestärken die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) sich für die Aufhebung der bestehenden Limitierung der Kostenübernahme von psychologischer Psychotherapie auf Distanz weiter einzusetzen. Nach wie vor verlangt die FSP vom Bundesrat eine Begründung für diese, gegenüber ärztlichen Psychotherapeut*innen, diskriminierende Beschränkung der Kostenübernahme. So wurde durch Nationalrätin Franziska Roth, von der SP Solothurn, und weitere Mitunterzeichnende eine Interpellation im Nationalrat eingereicht. Diese verlangt vom eidgenössischen Departement des Innern (EDI) Antworten und Begründungen zur aktuellen und zukünftigen Regelung von psychologischen Online-Interventionen. Die Beantwortung wird im Laufe der Herbstsession im kommenden September erwartet.


Literatur

Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) & Foederatio Medicorum Psychiatricorum et Psychotherapeuticorum (FMPP). (2017). Qualitätsstandards für Online-Interventionen. FSP. https://www.psychologie.ch/fsp-fmpp-qualitaetsstandards-onlineinterventionen-fuer-fachpersonen-psychotherapie

Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP). (2020, 31. Juli) Online-Interventionen. Konsultationen auf Distanz Empfehlungen für Patienten und Klienten. FSP. https://www.psychologie.ch/psychologen-finden/onlineinterventionen

Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP). (2020, 31. Juli) Medienmitteilung: Online-Therapie muss für alle gleich zugänglich sein. FSP. https://www.psychologie.ch/online-therapie-muss-fuer-alle-gleich-zugaenglich-sein

Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP). (2020, 31. Juli) Faktenblatt des BAG zur Kostenübernahme für ambulante Leistungen auf räumliche Distanz während der COVID-19-Pandemie vom 2. April 2020. FSP.

Mehr gemeinsam, weniger einsam

Angehörigenarbeit als zentraler Faden im Versorgungsnetz psychisch erkrankter Menschen

Psychische Störungen bergen Leid, in dessen Schatten häufig die Angehörigen stehen. Die Angehörigenarbeit beschäftigt sich damit, diese versteckten Belastungen des Umfelds anzugehen. Verschiedene Studien weisen auf theoretisch fundierte Ansätze und deren praktische Präsenz und Wirksamkeit hin.

Von Hannah Löw
Lektoriert von Vera Meier und Zoé Dolder 
Illustriert von Hannah Löw

«Es hat sich viel geändert seit der Ersterkrankung meiner Tochter vor 22 Jahren. Damals wurde uns beiden gesagt, sie werde niemals mehr ein ‹normales› Leben führen können. Eine Schizophrenieerkrankung mache das unmöglich […]. Ich hätte gerne gewusst, wie lange die Behandlung in etwa dauern würde und was ich als ihre Mutter dazu beitragen kann, damit sie schneller wieder gesund wird. […] Stattdessen wurde mir etliche Male gesagt, es sei nicht gut, wenn ich meine Tochter so oft besuchen würde, schlimmer noch: Dass man zuerst herausfinden müsse, ob ich ihr guttue oder eher nicht. […]. Ich fühlte mich in dieser Zeit sehr alleine, unverstanden, schuldig gesprochen, immer und immer wieder, und zwar vom ganzen Umfeld.»

Weibel, 2019, S. 9

Die Alltagslast der Angehörigen

Mit siebzehn Jahren erfüllte die Tochter von Franca Weibel erstmals die Diagnosekriterien einer Schizophrenie. In ihrem Beitrag für das Fachmagazin für psychiatrisch Tätige des Vereins Netzwerk für Angehörigenarbeit Psychiatrie (NAP) gibt sie einen Einblick in ihren persönlichen Leidensdruck als Angehörige. Obwohl sie sich während den ersten akuten schizophrenen Episoden ihrer Tochter nach eigenem Bericht einsam gefühlt hat, steht sie mit der Last als Angehörige eines psychisch erkrankten Menschen nicht alleine da (NAP, 2019). Das Bundesamt für Gesundheit (2019) stellt fest, «psychische Krankheiten erschweren den Alltag vielseitig. Sie belasten die Angehörigen» und hebt damit in der Einführung seines Beitrags über psychische Erkrankungen die weit verbreitete Belastung von Angehörigen psychisch erkrankter Personen hervor. Daraus lässt sich schliessen, dass eine Unterstützung im psychiatrischen und psychotherapeutischen Rahmen über den*die Patient*in hinaus gehen und die Angehörigen ebenfalls abholen sollte. Nicht nur für die Angehörigen selbst ist die Einbettung in den Therapieprozess wichtig, sondern auch für die erkrankte Person bedeutet dies eine erhöhte Chance, dass eine Behandlung ihre gewünschte Wirkung zeigt (Troxler, 2005).
In Bezug auf das Versorgungsnetz von Patient*innen mit Essstörungen beispielsweise begründen Zitarosa und Kolleg*innen (2012) die Wichtigkeit des Einbezugs der Angehörigen darin, dass die Patient*innen einen Grossteil ihrer Zeit im privaten Umfeld verbringen und nicht in stationären psychiatrischen oder psychotherapeutischen Kliniken. Somit ruht ein beträchtlicher Teil der Krankheitslast nicht auf professionellen Schultern, sondern auf jenen der Angehörigen der Patient*innen. Weiter sind auch Angehörige von Menschen mit einer Alkoholkonsumstörung grossen Belastungen ausgesetzt; sie werden auch als «Ko-Problemträger*innen» bezeichnet (Spohn, 2014). Auch in Bezug auf die Behandlung von Patient*innen einer Störung des schizophrenen Spektrums wird die Wichtigkeit einer frühen Integration der Angehörigen hervorgehoben (Bäuml & Pitschel-Walz, 2020).

Verschiedene Autor*innen sind sich also dahingehend einig, dass die Angehörigen von Personen mit verschiedenen psychischen Krankheiten in ihrem Alltag hohen Belastungen ausgesetzt sind. Doch inwiefern können psychiatrische und psychotherapeutische Kliniken neben den Patient*innen auch die Angehörigen praktisch unterstützen und einbeziehen?

Eine Lücke im System?

In einer etwas weiter zurückliegenden Studie an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität am Bezirksklinikum Regensburg, Deutschland, untersuchten Schmid, Spiessl und Klein (2006) die praktisch durchgeführte Angehörigenarbeit und setzten diese in einen Vergleich mit den Vorgaben der dort geltenden Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) in den Behandlungsbereichen A1-A6 [siehe Kästchen 3]. Die Autor*innen befragten acht Psycholog*innen und 25 Assistenzärzt*innen mittels Fragebögen. Lediglich 52.3% der Angehörigen der am Erhebungstag behandelten 390 Patient*innen führten ein Gespräch mit den behandelnden Fachpersonen. Die restlichen 47.7% der Angehörigen erhielten zum Erhebungszeitpunkt der Studie keine gesprächsbasierte Unterstützung und wurden nicht in die Behandlung miteinbezogen. Schmid, Spiessl und Klein (2006) schlussfolgern daraus, dass eine unzureichende Versorgung der Angehörigen vorliege. Die Ursache dieser Lücke in der Angehörigenarbeit scheint ein Zeitmangel zu sein; auf Kosten der adäquaten Angehörigenarbeit und des direkten Patientenkontakts wird zunehmend mehr Zeit für Dokumentations- und Administrationsarbeiten aufgewendet (Schmid, Spiessl & Klein, 2006).

Auch die Universitären Psychiatrischen Dienste (UPD) Bern erwähnen in ihrem Konzept für die Angehörigenarbeit Mängel in der praktischen Durchführung der Angehörigenarbeit; diese Lücken im System gelten nach den UPD sowohl für den akutpsychiatrisch-stationären Bereich als auch für ambulante Behandlungen in der Schweiz (Troxler, 2005).

Dreizehn Jahre später berichtet der Verein NAP von einer wachsenden Wichtigkeit der Angehörigenarbeit in verschiedenen nationalen psychiatrischen Institutionen (Scherer, 2020). Lampert (2018) berichtete in einem Vortrag am ersten nationalen Patientenkongress in Bern, dass im Jahr 2017 durch den Verein NAP 1’887 Beratungen mit Angehörigen psychisch erkrankter Menschen stattgefunden haben. Im Vergleich zu den Jahren davor zeigt sich eine steigende Tendenz der vollzogenen Beratungsgespräche mit Angehörigen (Lampert, 2018). Worin sich die hier aufgeführten Autor*innen einig sind, ist die zentrale Rolle und Notwendigkeit der Angehörigenarbeit in der Behandlung von Menschen, welche die Diagnosekriterien einer psychischen Störung erfüllen.

«Jede Anstrengung, Angehörige respektvoll in die Hilfe einzubeziehen, ist begrüssenswert. Mit dem Einbezug […] kann eine psychiatrische Behandlung als eine Dienstleistung am ‹System› verstanden werden.»

Lampert, 2018, S. 37

Der Verein NAP zeigt in seinem Magazin für psychiatrisch Tätige, dass die Angehörigenarbeit in der Schweiz durchaus besteht und angewandt wird (Scherer, 2020). Die Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) haben zum Beispiel eine eigens für Angehörige eingerichtete Fachstelle und bieten dadurch Eltern, Kindern und ganzen Familien verschiedene kostenlose Beratungsangebote. Damit Angehörige die Dienste nutzen können muss die betroffene Person, die an einer psychischen Störung erkrankt ist, nicht einmal bei den PDAG in Behandlung sein (Scherer, 2020). Die Kontaktinformationen zu diesem Angebot sind im Infokästchen 1 zu finden.

Das Ziel des Netzwerk Angehörigenarbeit Psychiatrie (NAP)

Der Verein bezweckt die Vernetzung von in der Angehörigenarbeit tätigen Fachleuten und Professionalisierung der Angehörigenarbeit in der psychiatrischen Versorgung.

Die Aufgaben des Vereins sind unter anderem:

  • Erhöhung des Stellenwertes der Angehörigenarbeit in der psychiatrischen Versorgung und Förderung des Wissens unter Fachpersonen
  • Formulierung und Verbreitung von erfahrungsbasierten Empfehlungen für qualitativ gute Angehörigenarbeit

Wurzeln und Flügel der Angehörigenarbeit

Troxler (2005) ordnet den Beginn der Angehörigenarbeit in die 1980er Jahre ein. Das erklärte Ziel dieser Arbeit war bereits damals der Einbezug von Angehörigen der Patient*innen im klinisch-psychiatrischen und psychotherapeutischen Bereich und in diesem Zusammenhang auch die Senkung der Rezidivrate der Patient*innen.

Zur Erreichung dieses Ziels kommt der Psychoedukation eine wichtige Bedeutung zu. Sie beinhaltet nach Bäuml und Pitschel-Walz (2020) die Weiterbildung im Wissen über psychische Störungen und somit das Herausführen aus einer vorhandenen Informationslücke. Hierbei gilt in Bezug auf das Vermitteln von Wissen an Angehörige, dass es einen «Brückenschlag zwischen dem professionellen ‹Know-how› und dem subjektiven ‹So now?› der Betroffenen» bildet (Bäuml & Pitschel-Walz, 2020, S. 113). Weiter dient auch das sogenannte Trialog-Vorgehen, wobei Patienten*innen, Angehörige und behandelnde Fachpersonen gemeinsam im Austausch stehen, als Mittel zur Integration der Angehörigen in die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung der Patient*innen (Troxler, 2005).

Ein klassisches Setting der Angehörigenarbeit bildet die Familientherapie. Diese kann zu multiplen Familientherapiegruppen erweitert werden, in denen die Patient*innen selbst nicht zwingend anwesend sein müssen. Die Angehörigenarbeit kann also in An- aber auch in Abwesenheit der*des betreffenden Patient*in erfolgen.

Die PsychPV ist eine im Jahr 1991 eingeführte Verordnung in Deutschland, die Richtlinien für den stationären Behandlungsbedarf psychisch erkrankter Menschen im volljährigen Alter vorgibt. A1 bis A6 bilden verschiedene Behandlungsbereiche innerhalb der PsychPV (Schmid, Spiessl und Klein, 2006).

Eine mögliche Behandlungsmodalität bei Krankheiten aus dem schizophrenen Spektrum bildet die bifokale Gruppenarbeit, wobei eine Angehörigengruppe und parallel dazu eine psychoedukative Patient*innengruppe angeleitet wird (Bäuml & Pitschel-Walz, 2020).

Bei Essstörungen scheint die Angehörigeninterventionstudie (ANGIS) von Zitarosa und Kolleg*innen (2012) ein vielversprechendes, psychoedukatives Setting für Angehörige von Menschen mit Essstörungen zu bieten. In fünf Sitzungen lernen die Teilnehmenden des ANGIS-Programms kognitiv-verhaltenstherapeutische Techniken kennen, die zum einen Informationen rund um die spezifische Essproblematik bieten und zum anderen auch sogenannte Skills für den Alltag vermitteln. So lernen Angehörige von Menschen mit Essstörungen bestimmte störungsbedingte Situationen besser einzuordnen und wie sie diese konstruktiver überwinden können. Zudem beinhaltet das ANGIS-Programm auch ein Kommunikationstraining, das einen konfliktfreieren Umgang zwischen Angehörigen und den Betroffenen einer Essstörung ermöglichen soll. Zitarosa und Kolleg*innen (2012) berichteten nach Abschluss der ANGIS-Studie, dass das Interventionsprogramm bei den Angehörigen grossen Anklang gefunden hat und Hinweise auf eine Reduktion der Belastungen der Angehörigen zu erkennen waren. Besonders im Bereich der sogenannten «high expressed emotions (HEE)» [Erklärung folgt im nächsten Unterkapitel] zeigten sich gemäss den Autor*innen positive Wirkungen des Programms.

«Wir haben viel über Kommunikation gelernt und verstehen jetzt besser, warum manche Sätze bei unserer Tochter falsch ankommen.»

Angehörige im ANGIS-Programm, Zitarosa et al., 2012, S. 10

Expressed Emotions

Nicht nur für Angehörige von Menschen mit Essstörungen stellen die sogenannten expressed emotions (EE) einen bedeutsamen Faktor für die Angehörigenarbeit dar, sondern auch für Angehörige von Schizophreniepatient*innen (Bäuml & Pitschel-Walz, 2020) und Betroffene einer Alkoholkonsumstörung (Spohn, 2014).

EE stellen nach Zitarosa und Kolleg*innen (2012) sämtliche emotionale Reaktionen der Angehörigen im Umgang mit den Patient*innen dar. Insbesondere vor erfolgter Angehörigenarbeit sind diese EE häufig stark ausgeprägt, aufgrund eines Wissensmangels über die betreffende Störung und den damit einhergehenden, dysfunktionalen Bewältigungsstrategien für Konfliktsituationen zwischen Angehörigen und Betroffenen. In diesem Fall wird von verschiedenen Autor*innen auch der Begriff der high expressed emotions (HEE) verwendet. HEE werden definiert als «ein übermässig kritisches Verhalten, Feindseligkeit oder auch Überbehütung und überhöhtes emotionales Engagement der Angehörigen dem erkrankten Familienmitglied gegenüber.» (Zitarosa et al., 2012, S. 392).

Die Angehörigenarbeit kann zu einer willkommenen Veränderung in EE, beziehungsweise HEE führen. Bei Schizophrenie-Spektrum-Störungen zeigt die Angehörigenarbeit insbesondere eine Senkung von Kritik und emotionalem Überengagement bei den Angehörigen (Bäuml & Pitschel-Walz, 2020). Im Bereich der Alkoholkonsumstörungen wirkt Angehörigenarbeit als Mittel zur Verminderung rechthaberischer Kommentare (Spohn, 2014). Auch bei Patient*innen, welche die Diagnosekriterien einer Essstörung erfüllen, wird eine Reduktion der kritischen Stimmen der Angehörigen wahrgenommen und eine grundlegend bessere Beziehung festgestellt (Zitarosa et al., 2012).

Zusammenfassend lässt sich aus den oben aufgeführten Arbeiten schliessen, dass Angehörigenarbeit nicht nur theoretisch eine zentrale Rolle in der zwischenmenschlichen Beziehungskommunikation spielt, sondern auch praktisch zu einem erhöhten Wohlbefinden der Angehörigen und Patient*innen beiträgt (Zitarosa et al., 2012). Auch wenn weiter zurückliegende Studien die Umsetzung der Angehörigenarbeit kritisierten (Schmid et al.,2006), erscheint die Angehörigenarbeit in den letzten Jahren bei verschiedenen Autoren in einem positiven Licht, da sie sich im klinisch-psychiatrischen und psychotherapeutischen Kontext immer mehr als Interventionsmethode festigt (Lampert, 2018).

Angehörigenarbeit der PDAG

Fachstelle für Angehörige

Hauptstandort Brugg-Windisch
Areal Königsfelden

Nicole Friedrich
Virginia Ulrich

056 462 24 61
angehoerige@pdag.ch


Zum Weiterlesen

Website des Vereins Netzwerk Angehörigenarbeit Psychiatrie (NAP): https://www.angehoerige.ch/

Scherer, E. & Lampert, T. (2017). Basiswissen: Angehörige in der Psychiatrie. Psychiatrie Verlag GmbH.

Albermann, K. (2016). Wenn Kinder aus der Reihe tanzen. Psychische Entwicklungsstörungen von Kindern und Jugendlichen erkennen und behandeln. Ringier Axel Springer Schweiz AG.

Fessel, K.-S. & Kull, H. (2018). Nebeltage, Glitzertage – Kindern bipolare Störungen erklären. BALANCE Buch + Medien Verlag.

Literatur

Bäuml, J. & Pitschel-Walz, G. (2020). Psychoedukation und Angehörigenarbeit bei Schizophrenie. PSYCH up2date 2020, 14(2), 111-127. http://doi.org/10.1055/a-0748-8998

Bundesamt für Gesundheit. (2019). Psychische Störungen und Gesundheit.  https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/psychische-erkrankungen-und-gesundheit.html#-426547683

Troxler, M. (2005, 08. Dezember). Projekt Erwachsenenpsychiatrie, Teilprojekt Psychologische, Soziale und Therapeutische Dienste, Arbeit mit Angehörigen:

 Netzwerk Angehörigenarbeit Psychiatrie (NAP) – Konzepte. https://www.angehoerige.ch/informationfachleute/konzepte/

Scherer, E. (2019). Gute Angehörigenarbeit in der Behandlung. ich du wir Ein Magazin für psychiatrisch Tätige, 2019-1, 12. https://www.angehoerige.ch/fileadmin/angehoerige/pdf/informationen_fachleute/Fachmagazin/2019_1.pdf

Scherer, E. (2020). In eigener Sache – Angehörigenberatungsstellen. ich du wir Ein Magazin für psychiatrisch Tätige, 2020-1, 9–10. https://www.angehoerige.ch/fileadmin/angehoerige/pdf/informationen_fachleute/Fachmagazin/2020_1_web_compressed.pdf

Lampert, T. (2018). Gemeinsam den Herausforderungen begegnen – Angehörige in der Psychiatrie. Netzwerk Angehörigenarbeit Psychiatrie (NAP). http://www.angehoerige.ch/fileadmin/angehoerige/pdf/informationen_fachleute/referate/andere_tagungen/Patientenkongress_2018_Bern_Thomas_Lampert.pdf

Schmid, R., Spiessl, H. & Klein, H. E. (2006). «Theorie und Praxis» der Angehörigenarbeit auf allgemein psychiatrischen Stationen. Krankenhauspsychiatrie. 17 (4), 139-142. http://doi.org/10.1055/s-2006-944293

Spohn, A. (2014). Komorbidität in der Angehörigenarbeit. SuchtMagazin, 40(1), 42-44. http://doi.org/10.5169/seals-800088

Weibel, F. (2019). Gute Angehörigenarbeit – Die Sicht einer Angehörigen. ich du wir Ein Magazin für psychiatrisch Tätige, 2019-1, 9–10. https://www.angehoerige.ch/fileadmin/angehoerige/pdf/informationen_fachleute/Fachmagazin/2019_1.pdf

Zitarosa, D., de Zwaan, M., Pfeffer, M. & Graap, H. (2012). Angehörigenarbeit bei essgestörten Patientinnen. PPmP-Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 62(9/10), 390-399. http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1316335

Distanzierte Dimension

Von Hannah Löw
Lektoriert von Zoé Dolder und Hannah Meyerhoff
Illustriert von Rebecca Beffa

Ruhend liegt das Auge fern
in Unendlichkeit des Raumes.
Suchend nach dem innern’ Kern,
der das Rückgrat hält des Seelenbaumes.

Gedankeninseln schweben schwer
im Magnetfeld ihrer Dimension.
So endlos leer
gepolt auf’s Ende der Vision.

Nähe als Distanz zum Ich.
Grenzen, die verschwimmen.
Sehnsucht fliesst durch’s Herz als Stich.
Träume, die zerrinnen.

Inseln voller Leben.
Alt und Jung,
die in ihrem Pulsschlag beben
mit Ruhe und mit Schwung.

Zeit eröffnet Galaxien;
Welten, die Gespräche führen;
Liebend fliessen Energien,
öffnen Herzen und auch Türen.

Suchend nach der Form,
die schaukelnd wiegt im Gleichgewicht.
Was bedeutet Norm,
von der Alltag ständig spricht?

Emotionally Focused Therapy für Paare

Wenn es brennt in der Beziehung 

Soziale Beziehungen sind von grundlegender Bedeutung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Partnerschaftsprobleme gehören zu den Hauptgründen für das Aufsuchen psychologischer Unterstützung. In den 80er Jahren wurde die Emotionally Focused Therapy (EFT) entwickelt, um Paaren zu helfen.

Von Vera Meier
Lektoriert von Marie Reinecke und Celina Weder
Illustriert von Sara Aeschlimann

Hollywoodfilme, Popsongs und Liebesromane von früher wie auch von heute machen deutlich: Die meisten Menschen sehnen sich nach lebenslangen, verbindlichen und tragfähigen Beziehungen. Eine enge Partnerschaft soll als Zufluchtsort, Hafen der Geborgenheit und sichere Basis dienen (Baumeister & Leary, 1995; Bodenmann, 2003; Buss, 1995). So ist auch die Zahl der Eheschliessungen in der Schweiz über die Jahre relativ stabil geblieben (Bundesamt für Statistik, 2019). Demgegenüber steht die Tatsache, dass wir in einer Zeit von zunehmender Globalisierung leben. Wir befinden uns in einer mobilen Gesellschaft, die eine generelle Verunsicherung und indes eine hohe Instabilität von Partnerschaften mit sich bringt. Das hohe Scheidungsrisiko gehört in unserer Gesellschaft zur Alltagsrealität (Bodenmann, 2016; Holt-Lunstad, Robles, & Sbarra, 2017).  

In Studien aus der ganzen Welt konnte wiederholt empirische Evidenz dafür erbracht werden, dass die Qualität und Quantität von sozialen Beziehungen in einem engen Zusammenhang mit physischer wie auch psychischer Gesundheit steht. Dabei ist vor allem das Ausmass an empfundener Sicherheit innerhalb sozialer Beziehungen zentral. Dies gilt insbesondere für intime Partnerschaften (Holt-Lunstad et al., 2017; Holt-Lunstad, Smith, & Layton, 2010; Robles, Slatcher, Trombello, & McGinn, 2014; Umberson & Karas Montez, 2010). Die angestrebten positiven Beziehungen können mit Belastbarkeit und allgemeinem Wohlbefinden assoziiert werden. Einsamkeit und Beziehungsprobleme hingegen stellen Risikofaktoren für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen und Substanzabhängigkeiten dar (Johnson, 2019; Pietromonaco & Collins, 2017). Eisenberger (2012) konnte dementsprechend zeigen, dass die Wahrnehmung von sozialer Ablehnung im selben Hirnbereich und auf dieselbe Art verarbeitet wird wie körperliche Schmerzen. Dabei ist vor allem die anteriore Insula sowie das dorsale anteriore Cingulum involviert. Partnerschaftsprobleme zählen zu den Hauptgründen für das Aufsuchen therapeutischer Hilfe (Bodenmann, 2016; Holt-Lunstad et al., 2017). Der Paartherapie kommt im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung demnach eine hohe Relevanz zu (Johnson, 2019).  

Frühe Paartherapieansätze

Lange Zeit wurden im Bereich der Paartherapie Interventionen entwickelt, ohne diese auf fundierten wissenschaftlichen Theorien über Funktionieren und Scheitern intimer Beziehungen zu gründen. In diesen frühen Ansätzen lag der Fokus primär auf einer Veränderung von Verhaltensweisen der Partner|innen, um eine möglichst schnelle Reduktion von Paarkonflikten zu erreichen. Dies sollte grundsätzlich mittels der Eindämmung von Emotionen und der Nutzung rationaler Ressourcen erreicht werden. Als rationale Ressourcen werden Kommunikations-, Verhandlungs- oder Problemlösungskompetenzen, oder auch Einsichten darüber, wie frühere Beziehungen die Wahrnehmung des|r aktuellen Partners|in beeinflussen, zusammengefasst. Vernachlässigt wurden in diesen frühen Therapieansätzen Schlüsselelemente, die für das Funktionieren intimer Beziehungen grundlegend sind, wie zum Beispiel: Beziehungspflege, soziale Unterstützung und insbesondere – emotionale Bindung (Johnson, 2019).  

 «L’enfer, c’est les autres.» Sartre, 1987, S. 95, Akt 1, Szene 5 

Grundannahmen der EFT

Als erste ausreichend theoretisch fundierte Paartherapie wurde von Susan Johnson und Leslie Greenberg in den frühen 80er Jahren die Emotionally Focused Therapy (EFT) entwickelt. Sie ist auf verschiedene Therapiesettings anwendbar. Hauptsächlich werden mit der EFT jedoch Paare behandelt. In jüngeren Untersuchungen zeigte sich, dass diese Therapieform sowohl für hetero- als auch für homosexuelle Paare gut geeignet ist (Allan & Johnson, 2017; Hardtke, Armstrong, & Johnson, 2010; Johnson, 2019).  

Die EFT integriert systemische, humanistische und experimentelle therapeutische Ansätze und gründet auf der Bindungstheorie für Erwachsene (Johnson, 2019; Shaver & Mikulincer, 2009a). Entsprechend dieser Theorie wird im Rahmen der EFT davon ausgegangen, dass eine sichere emotionale Verbindung zu ein paar wenigen, geliebten Menschen ein sehr starkes, fundamentales und evolutionär entwickeltes Bedürfnis ist. Wir sehnen uns nach Nähe, Akzeptanz und Verständnis; nach dem Gefühl, gebraucht, wertgeschätzt und geliebt zu werden. Während unseres gesamten Lebens durchdringt dieses Grundbedürfnis unser Fühlen, Denken und Handeln. Für Kinder sind in aller Regel ihre Eltern die primären Bezugspersonen. Für die meisten erwachsenen Personen hingegen, werden die genannten Bindungsbedürfnisse innerhalb einer Partnerschaft gestillt. Grundlage für eine gesunde, funktionierende Partnerschaft ist eine sichere Bindung: Der|Die jeweilige Partner|in wird, in der Begrifflichkeit der Bindungstheorie, idealerweise als safe haven und secure base wahrgenommen. Er|Sie soll in Zeiten von Gefahr und Not ein Gefühl von Sicherheit vermitteln (Shaver & Mikulincer, 2009b).  

Wird in einer Partnerschaft die Erwartung verletzt, dass die primäre Bezugsperson, also der|die Partner|in, in solch schwierigen Zeiten Fürsorge und Schutz bietet, werden Bindungsängste aktiviert (Shaver & Mikulincer, 2009a). Gemäss der theoretischen Grundidee der EFT entsteht in dieser Situation zunächst die Furcht nicht mehr geliebt, abgelehnt oder verlassen zu werden. Ausgelöst von derartigen Ängsten kommt es zu negativen primären und sekundären Emotionen, die anschliessend zu dysfunktionalen Wahrnehmungen und Attributionen bezüglich der betreffenden Beziehung führen. Diese münden schlussendlich in rigiden, destruktiven Verhaltenstendenzen innerhalb des Paares. Das eigentliche Ziel dieser Verhaltensweisen ist es, Bindungssicherheit zurückzugewinnen. In den meisten Fällen sind sie jedoch nicht zielführend. Die destruktiven Verhaltensweisen der einen Person verstärken die vorhandenen Bindungsängste der anderen Person, was bei jener wiederum zu destruktivem Verhalten führt. Es entsteht ein sich selbst aufrechterhaltender Interaktionszyklus, unter dem das Paar längerfristig leidet. Der klassische Zyklus ist der sogenannte PursuerWithdrawer-Cycle: Auf wütende, vorwurfsvolle Kritik oder auf einen aggressiven Angriff wird mit Verteidigung oder Distanzierung reagiert. Es kommt zu einer Entfremdung der Partner|innen (Johnson, 2012, 2019; Johnson et al., 2005).  

Ablauf einer EFT Intervention

Verfestigte, negative Interaktionszyklen, die zu einer Entfremdung innerhalb der Partnerschaft führen, stehen im Zentrum einer EFT Intervention. Das Hauptziel ist es, in einer entfremdeten Partnerschaft Zugänglichkeit, Reaktionsfähigkeit und Engagement zu schaffen, um eine sichere Bindung neu aufzubauen oder zu stärken (Johnson, 2012; Wiebe & Johnson, 2016). Eine EFT Behandlung nimmt acht bis 20 Sitzungen in Anspruch und kann in drei Phasen unterteilt werden.  

In der ersten Phase steht die Deeskalation negativer Interaktionszyklen im Vordergrund (DeEscalation). Der|Die Therapeut|in verfolgt, verlangsamt und reflektiert in einem ersten Schritt die aktuellen Interaktionsmuster des Paares und identifiziert dabei negative Zyklen. Dadurch soll eine Metaperspektive auf die vorliegenden Paarinteraktionen geschaffen werden. Dies soll ein tieferes Verständnis für den spezifischen negativen Interaktionszyklus, welcher in der betreffenden Beziehung Unsicherheit und emotionale Unruhe aufrechterhält, ermöglichen. Anstelle der anderen Person soll neu der negative Zyklus als «Feind» in der Beziehung verstanden werden (Johnson, 2012; Johnson, Makinen, & Millikin, 2001; Wiebe & Johnson, 2016).  

In der zweiten Phase geht es um die aktive Umstrukturierung dieser negativen Interaktionen und indes um eine Wiederannäherung des Paares (Reengagement). Der|Die Therapeut|in ermutigt die Partner|innen zunächst ihre tieferliegenden Bindungsbedürfnisse und -ängste, die in Zusammenhang mit den negativen Interaktionszyklen stehen, zu identifizieren, auszuleben sowie offen und differenziert auszudrücken. Die jeweils andere Person wird dazu angehalten, adäquat und unterstützend auf die sich öffnende Person zu reagieren und, gemeinsam mit ihr, diese Gefühle näher zu erkunden. Beispielsweise soll eine emotionale Kernreaktion wie Angst vor Versagen oder Zurückweisung, die auf der Verhaltensebene als Rückzug oder mangelnde Reaktionsfähigkeit sichtbar werden kann, neu auf eine so klare aber sanfte Art ausgedrückt werden, dass sie bei der anderen Person eine tieferliegende Verletzlichkeit erkennen lässt. Dies soll eine konstruktive Reaktion wie Mitgefühl, anstelle von Wut und Beschuldigung, hervorrufen. So sollen neue, konstruktive Zyklen von Kontakt, Verbindung und Fürsorge geschaffen werden, die schlussendlich den (Wieder-)Aufbau einer sicheren Bindung fördern (Johnson, 2012; Wiebe & Johnson, 2016).  

«The goals of the EFT are to expand constricted emotional responses that prime negative interaction patterns, to restructure interactions so that partners become more accessible and responsive to each other, and to foster positive cycles of comfort and caring.» Johnson et al., 2001, S. 147 

In diesen ersten zwei Phasen des Prozesses kann es zu Blockaden kommen, die für einen erfolgreichen Therapieverlauf bearbeitet werden müssen. Eine solche Blockade kann entstehen, wenn innerhalb des Paares eine Bindungsverletzung vorliegt, zum Beispiel weil sich eine Person verlassen, belogen oder betrogen fühlt, und ihre|n Partner|in nicht mehr als Hafen der Geborgenheit oder sichere Basis wahrnimmt (Johnson et al., 2001). Zur Überwindung einer solchen Bindungsverletzung und zum Wiederaufbau einer sicheren Bindung innerhalb des Paares schlagen Makinen und Johnson (2006) das Attachment Injury Resolution Model (AIRM) vor: Die verletzte Person legt die mit der Verletzung einhergehenden Emotionen, wie beispielsweise Wut, Enttäuschung oder Trauer, vollständig und differenziert offen. Diese Emotionen werden in einem nächsten Schritt mit tieferliegenden Bindungsängsten in Zusammenhang gebracht. Die Vulnerabilität der verletzten Person wird dadurch sichtbar. Sie wird anschliessend ermutigt, ihre|n Partner|in explizit um die Fürsorge zu bitten, die im Zuge der Verletzung ausgeblieben ist. Die Person, welche die Verletzung verursacht hat, erhält in diesem Prozess die Chance, von einer rechtfertigenden oder verteidigenden Position abzuweichen, zuzuhören, die verursachte Verletzung zu verstehen und Verantwortung dafür zu übernehmen. So kann sie der verletzten Person empathisch gegenübertreten und ihr mit einer emotional engagierten Entschuldigung und reparativen Fürsorge entgegenkommen (Makinen & Johnson, 2006; Wiebe & Johnson, 2016). 

In der dritten und letzten Phase steht die Konsolidierung und Integration des Erarbeiteten im Fokus (Consolidation). Der|Die Therapeut|in hilft den Partnern|innen abschliessend zusammenzufassen, wie ihre Partnerschaftsprobleme entstanden sind und wie sie es im Zuge des Therapieprozesses geschafft haben, jene zu überwinden. Diese Selbstreflektion soll dem Paar ein Gefühl von Belastbarkeit und Selbstwirksamkeit in Bezug auf die langfristige Gestaltung einer gesunden Beziehung geben (Johnson, 2012; Wiebe & Johnson, 2016).  

Effektivität und Wirkfaktoren

Nun stellt sich die Frage, ob dieser Therapieansatz auch tatsächlich jenen Effekt hat, der angestrebt wird. Gemäss einer Übersichtsarbeit von Wiebe und Johnson (2016) haben sich seit der Entwicklung der EFT in den 80er Jahren Studien zu ihrer Effektivität und den entsprechenden Wirkfaktoren angesammelt. 

In einer Vielzahl von Effektivitätsstudien mit Paaren aus unterschiedlichen Kontexten konnte gezeigt werden, dass die EFT für die behandelten Paare tatsächlich jene positiven Auswirkungen auf deren Beziehungsqualität hat, die angestrebt werden. Dies zeigt sich insbesondere in Hinblick auf den Aufbau einer sichereren Bindung und eine damit einhergehende Stärkung von Zufriedenheit, Intimität und Vertrauen in der Partnerschaft. Die gefundenen Effekte scheinen sich auch über längere Zeit aufrechtzuerhalten. Zudem erwies sich die EFT als effektiv in der Verbesserung von Komorbiditäten der Partner|innen. Beispielsweise können Symptome von Depressionen oder Angstzuständen, die in einem Paar bestehen, mithilfe einer EFT Intervention verbessert werden (Wiebe & Johnson, 2016).  

Es wird vermutet, dass die EFT nicht aufgrund von vermittelter Einsicht, Katharsis oder einer Verbesserung von spezifischen Problemlösefähigkeiten wirkt, sondern dank der Schaffung neuer emotionaler Erfahrungen, welche die Interaktionen der Partner|innen positiv verändert. Vergebung sowie positive Veränderungen in der sexuellen Zufriedenheit und Bindungssicherheit werden dahingehend als zentrale Wirkfaktoren der EFT definiert (Wiebe & Johnson, 2016).  

Wiebe und Johnson (2016) kommen zum Schluss, dass die EFT die Richtlinien zur Einstufung als evidenzbasierte Paartherapie erfüllt oder gar übertrifft. Für den westlichen Kulturkreis scheint diese Therapieform gegenwärtig eine der führenden Interventionen im Bereich der Paartherapie zu sein (Johnson, 2019; Wiebe & Johnson, 2016).  

Wenn der Brand nicht gelöscht werden kann
Leider kann nicht jede gestörte Partnerschaft psychotherapeutisch geheilt werden. Es können zwei klare Kontraindikationen für eine Paartherapiedefiniert werden. Die erste Kontraindikation ist das Vorhandensein oder die Androhung von physischer oder psychischer Gewalt innerhalb der Partnerschaft. Wenn eine der Personen in Anwesenheit der anderen Person ängstlich ist und glaubt, in der Paartherapie nicht offen über ihre Gefühle und Gedanken sprechen zu können, ist eine solche Therapie nicht durchführbar. Eine zweite wichtige Kontraindikation für eine Paartherapie ist ein aktives Suchtverhalten einer der Partner|innen. Gerät eine süchtige Person in Not, wendet sie sich eher einem Suchtmittel als ihrem|r Partner|in zu. Das Suchtmittel wird zum kurzfristig wirksamen Ersatz für eine|n sicherheitsvermittelnde|n Partner|in. Dadurch werden das fundamentale Vertrauen und die Nähe zwischen den Partnern|innen erodiert (Furrow, Johnson, & Bradley, 2011).  

Zum Weiterlesen

Johnson, S. (2012). The practice of emotionally focused couple therapy: Creating connection (2nd ed.). New York, NY: Routledge. 

Literatur

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Baumeister, R. F., & Leary, M. R. (1995). The need to belong: Desire for interpersonal attachments as a fundamental human-motivation. Psychological Bulletin117(3), 497–529. https://doi.org/0033-2909

Bodenmann, G. (2003). Welche Bedeutung haben Partnerschaft und Liebe für Jugendliche heute? Eine deskriptive Untersuchung. Zeitschrift Für Familienforschung15(2), 91–104.

Bodenmann, G. (2016). Lehrbuch klinische Paar- und Familienpsychologie (2nd ed.). Bern: Hogrefe Verlag.

Bundesamt für Statistik. (2019). Heiraten, Heiratshäufigkeit. Retrieved July 18, 2019, from https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/heiraten-eingetragene-partnerschaften-scheidungen/heiratshaeufigkeit.html

Buss, D. M. (1995). Psychological sex differences. American Psychologist50(3), 164–168. https://doi.org/10.1037/10756-019

Eisenberger, N. I. (2012). The neural bases of social pain: Evidence for shared representations with physical pain. Psychosomatic Medicine74(2), 126–135. https://doi.org/10.1097/PSY.0b013e3182464dd1

Furrow, J. L., Johnson, S., & Bradley, B. A. (2011). The emotionally focused casebook: New directions in treating couples (1st ed.). New York, NY: Routledge.

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Shaver, P. R., & Mikulincer, M. (2009b). An overview of adult attachment theory. In J. H. Obegi & E. Berant (Eds.), Attachment theory and research in clinical work with adults (1st ed., pp. 17–45). New York, NY: Guilford Press.

Umberson, D., & Karas Montez, J. (2010). Social relationships and health: A flashpoint for health policy. Journal of Health and Social Behavior51(supplement), S54–S66. https://doi.org/10.1177/0022146510383501

Wiebe, S. A., & Johnson, S. (2016). A review of the research in emotionally focused therapy for couples. Family Process55(3), 390–407. https://doi.org/10.1111/famp.12229 

Professoren|innen gefragt

Wofür brennen Sie in der Psychologie?

Gesammelt von Noémie Lushaj

Prof. Dr. Urte Scholz

Ich finde an der Psychologie besonders toll, dass sie so vielfältig ist. Das war für mich auch der Grund, Psychologie zu studieren. Trotzdem habe ich bereits während des Studiums meine Leidenschaft für die Gesundheitspsychologie und insbesondere für die Veränderung des Gesundheitsverhaltens (z.B. mehr Sport treiben, sich gesünder ernähren, nicht mehr rauchen) entdeckt. Mich fasziniert seitdem, was die Motivation für gesundes Verhalten und dessen langfristige Umsetzung im Alltag bedingt. In den vielen Jahren, die ich mich nun schon damit beschäftige, wurde die «Flamme der Leidenschaft» für dieses Thema durch die zahlreichen interessanten Fragen, die sich dabei ergeben, immer grösser. Eine dieser Fragen, die mittlerweile im Zentrum meiner Forschung steht, ist, wie unsere sozialen Beziehungen unser Gesundheitsverhalten beeinflussen. Die hohe gesellschaftliche und individuelle Relevanz dieses Forschungsgebiets sind für mich weitere gute Gründe, dafür zu brennen.

Prof. Dr. Guy Bodenmann

Psychologie ist für mich eine extrem spannende Disziplin. Sie umspannt dermaßen viele Lebensbereiche, Themen und Konstellationen innerhalb der gesamten Lebensspanne. Wie Menschen denken, fühlen und handeln, was sie antreibt und lähmt, warum einige unter gewissen Bedingungen Störungen entwickeln, während andere sich als resilient erweisen, weshalb wir gewisse Menschen attraktiv finden und dennoch aus diesen vielen nur zu einem oder wenigen Liebe entwickeln, wie man Mitarbeitende führt, wie Menschen in Not geholfen werden kann, wie Partnerschaften gelingen… Innerhalb all der spannenden Themen brenne ich seit Jahren für ein besseres Verständnis interpersoneller Beziehungen. Warum leben Menschen in einer Partnerschaft länger? Warum sind sie gesünder? Warum erleiden Menschen in unglücklichen Partnerschaften häufiger Rückfälle nach erfolgreicher Therapie? Warum ist Kommunikation so wichtig und welche Form zu welcher Zeit? Wie können wir Familien stärken?

Prof. Dr. Klaus Jonas

Meine Lieblingsdisziplin ist die Sozialpsychologie. Ich bin gerade von einer 2 Wochen dauernden Bildungsreise nach Polen zurückgekehrt und habe dort viel gelernt: Über die drei polnischen Teilungen, die Geschichte jüdischen Lebens in Polen, die Verbrechen der Nazis im 2. Weltkrieg, das Vernichtungslager Auschwitz, den Aufstand des Warschauer jüdischen Ghettos von 1943, den Warschauer Aufstand von 1944, die Vertreibungen von Deutschen und Polen aufgrund der Konferenzen der Alliierten von Teheran, Jalta und Potsdam, die Zeit des Kalten Kriegs, die Gewerkschaft Solidarnosc, die Bedeutung der katholischen Kirche sowie die starke Verehrung des verstorbenen Papstes Johannes Paul II durch die polnische Bevölkerung.

Ohne die sozialpsychologische Forschung zu Aggression, Einstellungsänderung, Stereotypen, Intergruppenkonflikten, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Antisemitismus hätte ich die leidvolle Geschichte Polens sehr viel schlechter verstehen können.

Prof. Dr. Martin Kleinmann

Das mit dem Brennen ist zweischneidig. Brennen ist Energie, kann somit aber auch zu Verbrennungen führen. Wir alle wissen um die negativen Folgen des (Ver)Brennens für die Arbeit – Burnout. Was mich nach wie vor begeistert, ist das Beobachten und Verstehen von Menschen in Organisationen. Dies begeistert mich sogar so sehr, dass ich neulich beim Zoll, bei dem ich zwei Stunden lang viel zu ausführlich beachtet wurde (ich wollte einen neuwertigen Gegenstand, den ich im Ausland gekauft hatte, wieder zurücktauschen), am meisten bedauerte, dass ich keine versteckte Body-Cam hatte, so faszinierend waren die Problemlösungsversuche der involvierten Organisationsmitglieder. Es gab so viel Anschauungsmaterial für organisationales Commitment, Führung, Service-Orientierung, Problem- und / oder Lösungsorientierung, dass ich liebend gern davon viel für die Vorlesung festgehalten hätte. Insofern bin ich immer voller Neugier bei Organisationsbegegnungen – das ist oft einfach unglaublich faszinierend.

Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker

Wofür man im Fach brennt, ist eine schwierige Frage. Was mich betrifft, in erster Linie wohl doch für die psychischen Störungsbilder der Trauma- und Belastungsfolgestörungen. Hier «brenne» ich mit der Zeit noch mehr zu wissen, als das viele, was bereits in den letzten 30 Jahren, seit es diese Diagnose(n) gibt – und letztendlich den Betroffenen helfen zu können. Aber letzthin kam bei mir noch ein anderes Thema hinzu, dem ich mehr Beachtung und Anerkennung im Fach wünsche: Probleme der Ethik und der Geschichte der Psychologie. Wie kommt es zu Instrumentalisierung und Missbrauch psychologisch-(wissenschaftlicher) Tätigkeiten? Sei es bei Cambridge Analytics und deren Wahlmanipulationen. Sei es im Fall der «operativen Psychologie» der Stasi in der DDR, insbesondere bei «Zersetzungsmassnahmen». Ich hoffe, dass es irgendwann in der Psychologie-Lehre Platz dafür gibt, diese Probleme zu thematisieren.

Prof. Dr. Moritz Daum

Vieles was in Fachzeitschriften veröffentlicht wird, wirkt auf einen Laien abstrakt, nicht verständlich. Es werden Effekte von wenigen Millisekunden berichtet, die schwer nachvollziehbar sind. Es gibt aber eine Vielzahl an Möglichkeiten, abstrakte Dinge ganz konkret werden zu lassen: Dass das Gehirn die Informationen die über verschiedene Sinnesrezeptoren eingehen, multisensorisch integriert, lässt sich anhand des McGurk-Effekts zeigen (McGurk & MacDonald, 1976; Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=G-lN8vWm3m0). Dass sich die Wahrnehmung auf der Basis des Wissens verändert, zeigen sogenannte «Hidden Figures» und andere visuelle Täuschungen (eine breite Übersicht gibt die Webseite http://www.michaelbach.de/ot/index.html). Die Psychologie als Wissenschaft anschaulich und verständlich darzustellen, dafür brenne ich.


Zum Weiterlesen

Bach, M. (2019). 135 Visual phenomena & optical illusions. Retrieved August 28, 2019, from http://www.michaelbach.de/ot/index.html

BBC. (October 10, 2010). Try this bizarre audio illusion! – BBC. [Video file]. Retrieved August 28, 2019, from, https://www.youtube.com/watch?v=G-lN8vWm3m0.

McGurk, H., & MacDonald, J. (1976). Hearing lips and seeing voices. Nature, 264(5588), 746–748. doi:10.1038/264746a0

Klimawandel in Entwicklungsländern

Ein Einblick in einen fachfremden Forschungsbereich

In diesem Frühjahr habe ich an den National Model United Nations (NMUN) 2019 teilgenommen. Dabei habe ich viel über die Klimathematik erfahren – zum Beispiel, dass Entwicklungsländer am wenigsten zum Klimawandel beitragen, aber am stärksten von dessen weitreichenden Konsequenzen betroffen sind.

Von Noémie Lushaj
Lektoriert von Marie Reinecke und Vera Meier
Illustriert von Gianna Zorzini

Seit Beginn der Industrialisierung findet aufgrund menschgemachter Einflüsse eine globale Erwärmung statt (Bose, 2010). Im Jahr 2015 wurde das Übereinkommen von Paris von 195 Parteien der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), anlässlich der 21. Conference of the Parties (COP), angenommen: Dieses Abkommen zielt darauf ab, die Klimaerwärmung auf maximal 2°C, und wenn möglich, sogar auf maximal 1.5°C über dem prä-industriellen Niveau zu halten (UNFCCC, 2015). Um dieses Ziel zu erreichen, müssen gemäss dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) die weltweiten CO2-Emissionen bis 2050 auf netto-null reduziert werden (IPCC, 2018). Dies stellt eine grosse Herausforderung dar: Bisher sind die Vorhersagen von Experten|innen nicht optimistisch. Laut Brown und Caldeira (2017) ist die Klimaerwärmung bereits viel weiter fortgeschritten als ursprünglich gedacht. Die Erderwärmung könnte bis zum Ende des Jahrhunderts die 4°C-Grenze erreichen. Demnach muss sich die Situation so schnell wie möglich verbessern. Wird das Zwei-Grad-Ziel, wie im Übereinkommen von Paris formuliert, nicht erreicht, werden die weltweiten Folgen für Mensch und Umwelt verheerend sein (IPCC, 2018). Inzwischen brennt unsere Erde jeden Tag ein bisschen stärker und Menschen, die in Entwicklungsländern leben, sind schon längst von den Flammen dieses Feuers betroffen (Levy & Patz, 2015).

Zwischen Dürre und Flut überleben

Die Klimaerwärmung führt, als Folge von schmelzenden polaren Eiskappen, zu einem Meeresspiegelanstieg (Overpeck et al., 2006). Während diese Vorstellung für uns in der Schweiz ziemlich abstrakt und entfernt erscheint, stellt das für die Bevölkerung von Ländern, die nur ein paar Meter über den Meeresspiegel liegen und über wenige Ressourcen verfügen, eine sehr reelle und aktuelle Gefahr dar. In der Tat drohen ganze Regionen und Inselstaaten, wie zum Beispiel die sich entwickelnde Inselrepublik Kiribati im Pazifik, im Wasser zu verschwinden (Tong, 2015). In schon ein paar Jahrzehnten könnten mehrere Anteile der 33 kiribatischen Inseln unbewohnbar sein (Ives, 2016). Wird bis zu deren Überflutung keine Lösung gefunden, so werden die rund 110‘000 Einwohner Kiribatis gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und zum Beispiel nach Fiji zu migrieren. Dort hat der ehemalige Präsident Kiribatis, Anote Tong, prophylaktisch Land gekauft (Ives, 2016).

Zum Meeresspiegelanstieg kommt hinzu, dass der Klimawandel sowohl die Frequenz als auch die Intensität von extremen Wetterbedingungen erhöht: Es kommt vermehrt zu Dürren und Überflutungen (Mirza, 2001). Da, wo starke Wetterveränderungen auftreten, leiden Ökosysteme massiv (Walther et al., 2002). Diese Veränderungen haben wiederum einen Einfluss auf verschiedene Bereiche der Gesellschaft, so dass die Lebensumstände, insbesondere in ohnehin schon instabilen Entwicklungsländern, insgesamt drastisch verschlechtert werden: In den betroffenen Regionen geht die Biodiversität verloren, wichtige Infrastrukturen werden geschädigt, das kulturelle Erbe ist gefährdet und der Zugang zu Nahrung und Wasser wird erschwert (Mirza, 2001). Auch die menschliche Gesundheit, sowohl körperlich als auch psychisch, ist als Folge von klimabedingten Katastrophen in Gefahr (Haines, Kovats, Campbell-Lendrum, & Corvalan, 2006). Obwohl die aversiven gesundheitlichen Konsequenzen des Klimawandels auch in Industrieländern spürbar sind – zum Beispiel bei Hitzewellen – sind Menschen in Entwicklungsländern überproportional von diesen Folgen betroffen (Haines et al., 2006).

Wenn Blut statt Wasser fliesst

Vertreter der sogenannten Klima-Konflikt-Hypothese behaupten, dass die Klimaerwärmung nicht nur ökologische, wirtschaftliche und soziale Konsequenzen hat, sondern auch globale sicherheitspolitische Risiken mit sich bringt (Bochsler, 2018). Tatsächlich werden Ressourcen in manchen Fällen instrumentalisiert, indem eine Gruppe sie kontrolliert. Dies wird oft getan um mehr Autonomie zu gewinnen, Macht über Land zu erlangen oder neue Ideologien zu etablieren (Mildner, Richter, & Lauster, 2011). Dabei besteht die Gefahr, dass es zu gewalttätigen Konflikten und Kriegen kommt (Mildner et al., 2011). In Südasien beispielsweise, haben Konflikte um Wasser, als fundamentale, immer knapper werdende Ressource, eine lange Geschichte (Joy & Paranjape, 2007). Aufgrund von bevorstehenden Dürren wird diese Problematik vermutlich weiter verschärft werden und es besteht die Gefahr, dass es zu sogenannten Wasserkriegen kommt. Vor dem Hintergrund, dass etwa ein Viertel der Menschheit vor einer Wasserkrise steht (Sengupta & Cai, 2019), sollten solche Wasserkriege unbedingt vermieden werden. Gerade in Entwicklungsländern, in denen oft schon grosse Unsicherheiten vorherrschen, könnten solche zusätzlichen Konflikte, die aus der Klimaerwärmung entstehen, zerstörende Effekte haben.

Auch abgesehen von dieser Wasserkrieg-Problematik kann der Klimawandel in bestimmten Situationen auf komplexe und unerwartete Weise zu politischer Unsicherheit führen. Dies wird anhand der Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Opium und Terror in Afghanistan sehr gut exemplifiziert. Gemäss dem United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UNOCHA) erfuhr das südasiatische Entwicklungsland, in dem Landwirtschaft eine wichtige Unterhaltsquelle ist, in den letzten Jahren eine extreme Trockenheit. Im Jahr 2018 wurde ein Niederschlagsdefizit von 70 Prozent verzeichnet (UNOCHA, 2018). Dies setzte rund 2 Millionen Menschen in einen Zustand der Nahrungsunsicherheit. Viele Afghanen|innen mussten nach Alternativen suchen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. In diesen Dürrezeiten begannen viele Menschen, Mohn zu kultivieren, denn diese Pflanze ist wertvoll und muss selbst bei anhaltender Trockenheit nur wenig gewässert werden (Hagen, 2018). Laut dem United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) haben afghanische Mohnkulturen in den letzten Jahren tatsächlich ein Rekordniveau erreicht (UNODC, 2017). Dank Mohn, aus dem Opium hergestellt wird, können afghanische Bauern und Bäuerinnen ihren Lebensunterhalt aufbessern. Doch dies hat eine Schattenseite: Im Austausch gegen Schutz müssen sie ihre Gewinne mit den Taliban teilen (Hagen, 2018). Somit werden Terrororganisationen durch den Handel mit illegalen Substanzen wie Opium gestärkt (UNODC, 2017). Als Entwicklungsland, ohne notwendige Ressourcen und Unterstützung, aus diesem Teufelskreis herauszukommen, ist fast unmöglich.

«Climate change is a global problem with grave implications: environmental, social, economic, political and for the distribution of goods. It represents one of the principal challenges facing humanity in our day. Its worst impact will probably be felt by developing countries in coming decades.» Papst Franziskus, zitiert nach Levy & Patz, 2015, S. 310

Für globale Probleme braucht es globale Lösungen

Die Klimaerwärmung verursacht enorme Ungerechtigkeiten. Auf globaler Ebene sind nicht alle Nationen im selben Ausmass von den Folgen der Erwärmung betroffen; Entwicklungsländer gehören zu den grossen Verlierern. Die Konsequenzen der Klimaerwärmung für diese Länder sind bei Weitem nicht proportional zu deren Schuldanteil an der Problematik (Levy & Patz, 2015). Aber auch innerhalb der einzelnen, von der Klimaerwärmung betroffenen Nationen gibt es Ungleichheiten: Auf nationaler Ebene sind demographische Gruppen wie ärmere Personen, ethnische Minderheiten, Frauen, Kinder und Menschen, die krank sind oder eine Behinderung haben, gegenüber den Folgen der Klimaerwärmung am vulnerabelsten (Levy & Patz, 2015). Um die Klimaänderung abzuschwächen (climate mitigation) und sich an deren Folgen anzupassen (climate adaptation) ist eine enge internationale Zusammenarbeit dringend angezeigt. Dabei müssen insbesondere Entwicklungsländer und die, in diesen Ländern am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen, speziell unterstützt werden (Levy & Patz, 2015).

Meine Teilnahme bei NMUN-NY 2019
Im April dieses Jahres fand in New York die National Model United Nations (NMUN) 2019 Konferenz statt. Im Rahmen der NMUN haben Studierende aus der ganzen Welt regelmässig die Möglichkeit, UN-Verhandlungen zu simulieren. Ich hatte die Chance, mit einer Delegation von Geförderten der Schweizerischen Studienstiftung zu dieser Konferenz zu fliegen. Zusammen mit einem weiteren Delegierten repräsentierte ich die Islamische Republik Afghanistan in der Conference of the Parties der United Nations Framework Convention on Climate Change (COP UNFCCC). Ich konnte mich fünf Tage lang mit anderen Studierenden aus der ganzen Welt über die Herausforderungen der Klimaerwärmung in Entwicklungsländern austauschen. Dank dieser Erfahrung habe ich einen guten Einblick in den Ablauf von Verhandlungsprozessen bei internationaler Zusammenarbeit gewonnen. Auf der inhaltlichen Ebene wurde mir bewusster, wie stark Menschen in Entwicklungsländern vom Klimawandel, bereits jetzt, in ihrem Alltag betroffen sind.


Zum Weiterschauen

Robinson, M. (2015, May). Mary Robinson: Why climate change is a threat to human rights [Video file]. Retrieved from
https://www.ted.com/talks/mary_robinson_why_climate_change_is_a_threat_to_human_rights

Tong, A. (2015, October). Anote Tong: My country will be underwater soon – unless we work together [Video file]. Retrieved from
https://www.ted.com/talks/anote_tong_my_country_will_be_underwater_soon_unless_we_work_together

Literatur

Bochsler, K. (2018). Der Klimawandel führt zu Konflikten: Eine steile These. Schweizer Radio und Fernsehen. Retrieved from https://www.srf.ch/kultur/wissen/klimawandel-der-klimawandel-fuehrt-zu-konflikten-eine-steile-these

Bose, B. K. (2010). Global warming: Energy, environmental pollution, and the impact of power electronics. IEEE Industrial Electronics Magazine, 4(1), 6-17. doi: 10.1109/MIE.2010.935860

Brown, P. T., & Caldeira, K. (2017). Greater future global warming inferred from Earth’s recent energy budget. Nature, 552, 45-50. doi: 10.1038/nature24672

Hagen, R. (2018). As drought increases so does opium. American Security Project. Retrieved from https://www.americansecurityproject.org/as-drought-increases-so-does-opium/

Haines, A., Kovats, R. S., Campbell-Lendrum, D., & Corvalan, C. (2006). Climate change and human health: Impacts, vulnerability and public health. Public Health, 120, 585-596. doi: 10.1016/j.puhe.2006.01.002

Intergovernmental Panel on Climate Change. (2018). 1,5°C globale Erwärmung: Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger. Retrieved from https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2019/03/SR1.5-SPM_de_barrierefrei-2.pdf

Ives, M. (2016). A remote Pacific nation, threatened by rising seas. The New York Times. Retrieved from https://www.nytimes.com/2016/07/03/world/asia/climate-change-kiribati.html

Joy, K. J., & Paranjape, S. (2007). Understanding water conflicts in South Asia. Contemporary Perspectives, 1. doi: 10.1177/223080750700100202

Levy, B. S., & Patz, J. A. (2015). Climate change, human rights, and social justice. Annals of Global Health, 81(3), 310-322. doi: 10.1016/j.aogh.2015.08.008

Mildner, S.-A., Richter, S., & Lauster, G. (2011). Resource scarcity – A global security threat? Stiftung Wissenschaft und Politik. Retrieved from https://www.swp-berlin.org/en/publication/resource-scarcity-a-global-security-threat/

Mirza, M. M. Q. (2001). Climate change and extreme weather events: Can developing countries adapt? Climate Policy, 3(3), 233-248. doi: 10.3763/cpol.2003.0330

Missirian, A. & Schlenker, W. (2017). Asylum applications respond to temperature fluctuations. Science, 358(6370), 1610-1614. doi: 10.1126/science.aao0432

Overpeck, J. T., Otto-Bliesner, B. L., Miller, G. H., Muhs, D. R., Alley, R. B., & Kiehl, J. T. (2006). Paleoclimatic evidence for future ice-sheet instability and rapid sea-level rise. Science, 311(5768), 1747-1750. doi: 10.1126/science.1115159

Robinson, M. (2015, May). Mary Robinson: Why climate change is a threat to human rights [Video file]. Retrieved from
https://www.ted.com/talks/mary_robinson_why_climate_change_is_a_threat_to_human_rights

Sengupta, S., & Cai, W. (2019). A quarter of humanity faces looming water crises. The New York Times. Retrieved from https://www.nytimes.com/interactive/2019/08/06/climate/world-water-stress.html

Tong, A. (2015, October). Anote Tong: My country will be underwater soon – unless we work together [Video file]. Retrieved from
https://www.ted.com/talks/anote_tong_my_country_will_be_underwater_soon_unless_we_work_together

United Nations Framework Convention on Climate Change. (2015). Accord historique sur les changements climatiques à Paris. Retrieved from https://unfccc.int/node/13933

United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs. (2018). Drought grips large parts of Afghanistan. Retrieved from https://www.unocha.org/story/drought-grips-large-parts-afghanistan

United Nations Office on Drugs and Crime. (2017). Afghanistan opium survey 2017: Challenges to sustainable development, peace and security. Retrieved from https://www.unodc.org/documents/crop-monitoring/Opium-survey-peace-security-web.pdf

Walther, G.-R., Post, E., Convey, P., Menzel, A., Parmesan, C., Beebee, T. J. C., … Bairlein, F. (2002). Ecological responses to recent climate change. Nature, 416, 389-395. doi: 10.1038/416389a

Outgoing

Ein Semester in Südafrika

Am 10. Januar 2018 bewarb ich mich an der Universität Zürich für ein Auslandsemester. Am 25. Januar 2019 landete mein Flugzeug am Cape Town International Airport in Südafrika. 140 Tage später, im Juni 2019, kam ich wieder am Flughafen Zürich an. Der gängige Satz «Es war die Zeit meines Lebens» ist für mich nicht Antwort genug auf die Frage, wie es denn nun war, mein Auslandsemester. Ich möchte eine persönliche, etwas ausführlichere Antwort geben.

Von Anonym
Lektoriert von Michelle Donzallaz und Mandana Fröhlich

Studieren im Ausland scheint etwas zu sein, das man macht, wenn man kann. Zumindest in meinem Umfeld. Es gehört irgendwie zur Selbstoptimierung dazu, an der Spitze der Maslowschen Bedürfnispyramide. Irgendwann im Jahr 2016 setzte ich mich also an meinen Laptop und besuchte die Website der internationalen Mobilitätsprogrammen der Universität Zürich (UZH). Über rund zwei Jahre entwickelte sich in mir der intensive Wunsch, und bald der konkrete Plan, während meines Psychologiestudiums an der UZH, ein Semester im Ausland zu verbringen – am liebsten in Südafrika.

Südafrika fühlte sich für mich immer schon sehr vertraut an. Dank Verwandten in Kapstadt habe ich als Kind, Teenager und Erwachsene jedes Jahr einige Tage Urlaub in Südafrika verbracht. An einer Wand in meinem Zimmer hing, mit doppelseitigem Klebeband befestigt, eine Postkarte: «Chapman’s Peak Drive, Cape Town, South Africa». Da wollte ich mal für eine längere Zeit sein und tiefer in das südafrikanische Leben eintauchen.

Mein Weg ins Auslandsemester

Selten hört man, sich für ein Auslandsemester zu bewerben sei einfach. So war dies auch für mich kein Spaziergang. Bis zur Bewerbungsdeadline der UZH Mobilitätsprogramme, am 10. Januar 2018, war ich von diesem Projekt absorbiert. Ich studierte die Kursangebote verschiedener Partneruniversitäten auf der ganzen Welt. In die engere Auswahl kamen die Stellenbosch University in Südafrika, die Vrije Universiteit Amsterdam in den Niederlanden und die Universität Wien in Österreich. Ich schrieb und redigierte mit der Hilfe von Freunden|innen Motivationsschreiben, bemühte mich um Referenzen von Professoren|innen, füllte Formular um Formular aus und hakte Checklisten ab. Zwischendurch fragte ich mich immer wieder mal, wieso ich das eigentlich tat und ob sich dieser Aufwand wirklich lohnen würde.

Zwei Wochen nach dem Einreichen meiner Bewerbung erhielt ich von der UZH die Nominierungsbestätigung für einen Austauschplatz an der Stellenbosch University (SUN). Alles war plötzlich viel konkreter. Die Freude war gross. Aber so ganz im Trockenen war die Sache noch nicht. Es folgte der offizielle Bewerbungsprozess an der SUN. Wieder füllte ich Formulare aus, rief verschiedene Personen mit schlechter Telefonverbindung an, liess Dokumente stempeln und unterschreiben und arbeitete Punkt um Punkt auf verschiedenen Checklisten ab. Neun Monate danach erhielt ich dann auch die definitive Zulassungsbestätigung der Universität in Stellenbosch. Einen weiteren Monat später klebte in meinem Pass ein südafrikanisches Visum – ich machte das jetzt also tatsächlich.

Mein bevorstehendes Auslandsemester wurde zu einem omnipräsenten Thema, begleitet von einer diffusen Vorfreude. Obwohl ich Südafrika von vergangenen Urlauben bereits ganz gut kannte, würde dieses halbe Jahr, als Austauschstudentin in Stellenbosch, eine ganz neue Erfahrung werden. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete.

Ende Januar packte ich meine rund 40kg Gepäck und setzte mich ins Flugzeug mit dem Ziel Kapstadt. In den wenigen Stunden Schlaf, auf diesem Nachtflug über den gesamten afrikanischen Kontinent, träumte ich von Bildern vergangener Urlaubstage in Südafrika. Ich erinnerte mich an das ganz besondere, goldene Licht. Als würde der Himmel brennen.

Aller Anfang

Ich würde nun also für rund fünf Monate in der kleinen, überschaubaren Universitätsstadt Stellenbosch, rund 40km von Kapstadt, der südafrikanischen Metropole entfernt, studieren. Am Welcome Desk der SUN brummte ein Ventilator viel zu laut. Ich blickte in tausend fremde Gesichter und fragte mich, woher die wohl alle kamen. Irgendwo sollte man sich mit seinen Unterlagen anmelden. Wo aber das Ende der Schlange war, bei der man sich anstellen sollte, war nicht so leicht ersichtlich. In diesem Moment war ich sehr dankbar keinen Jetlag zu haben. Irgendwann war ich dann registriert und wurde mit einem Shuttle zu meiner Unterkunft für das nächste halbe Jahr gefahren. Ich hatte einen Mietvertrag für ein Zimmer in einem grossen Haus, in dem ich zusammen mit anderen Austauschstudierenden leben würde, unterschrieben. Als ich dann endlich in diesem Shuttle Bus sass, brachen ganz viele Gedanken und Gefühle über mich ein: Ungewissheit, Nervosität, Vorfreude, Respekt, Desorientierung, Aufregung, Neugier.

Mit einem Brummen öffnete sich das Security Gate. Im wildbewachsenen Garten einige grosse Bäume, drei weisse Liegestühle, davon einer kaputt und ein mittelgrosser Pool, darin ein blubbernder Reinigungsschlauch. In den zwei Küchen je eine halbausgeräumte Geschirrspülmaschine, sehr viele Tassen, wenige davon ohne Hick und verschiedenste Weingläser, manche aus Plastik. In der Waschküche eine piepsende Waschmaschine, in der ein paar schmutzige oder saubere Bettlacken lagen. Auf dem Bett in meinem Zimmer ein Zierkissen, auf dem eine Bulldogge mit Kapitänsmütze abgebildet war, und eine Deckenlampe mit zwei funktionierenden und einer defekten Glühbirne. Und 14 Mitbewohner|innen verschiedenen Alters, Geschlechts und von unterschiedlicher Nationalität.

Es wäre gelogen, wenn ich hier schreiben würde, dass alles von Beginn an wunderbar und grossartig war. Die Administration des International Office der SUN, das sich um die rund 300 Austauschstudierende kümmerte, war freundlich, aber chaotisch. Der Arbeitsaufwand für die Kurse an der Uni war höher als erwartet und das Bewertungssystem teilweise strenger als gedacht. Der Vortrag an der Universität über Sicherheitsthemen in Südafrika war beklemmend. In einem ringhörigen Haus mit 14 anderen Personen zu leben stellte sich hin und wieder als herausfordernd heraus. Die Supermärkte waren unübersichtlich und unorganisiert. Die sporadischen, völlig willkürlich erscheinenden Stromunterbrüche in ganz Stellenbosch strapazierten meine persönliche Frustrationstoleranz immer wieder – man könnte allenfalls von einem Kulturschock sprechen. Und ich dachte das wird die Zeit meines Lebens. Ich musste mir bewusst Zeit geben, mich zu orientieren und einzuleben.

Angekommen

Ganz genau erinnere ich mich noch an diesen einen Tag. Es war strahlendes Wetter und wir machten einen Ausflug ans Meer. Ich sass mit einer anderen Austauschstudentin auf einem Felsen am Strand. Wir tauschten uns über all diese Gefühle und Gedanken aus, die uns hier in Südafrika bewegten. Es windete ein bisschen und das eiskalte Wasser glitzerte in der Nachmittagssonne. Da spürte ich plötzlich in aller Deutlichkeit, dass ich angekommen war und von da an verging die Zeit wie im Flug.

In grösseren und kleineren Gruppen von Austauschstudierenden besuchten wir Openair Kinos und tanzten an Festivals. Manchmal kehrten wir mit und manchmal ohne Handy zurück. Wir unternahmen Wochenendausflüge ans Meer. Teils sah das airbnb dann auch so aus wie auf den Bildern und teils nicht. Wir fuhren hinaus zu diversen Weingütern. Oft tranken wir sehr guten und manchmal auch ganz schlechten Wein. Wir veranstalteten die typisch südafrikanischen Grillfeste, die man auf keinen Fall «BBQ« sondern «Braai« nennt. Manchmal grillierten wir erfolgreich preiswertes Springbockfleisch und immer wieder verkochten wir diese marinierten Auberginen. Wir feuerten enthusiastisch das lokale Rugby Team im Stadion an. Die Stimmung war grossartig aber bis zum letzten Spiel kannten wir weder die Spielregeln noch die Texte der Fanlieder. Wir unterhielten uns abends auf der Terrasse des Hauses. Manchmal waren wir alle auf der gleichen und manchmal auf 15 verschiedenen Wellenlängen. Wir mieteten Autos und fuhren mit offenem Fenster den schönsten Küstenstrassen entlang. Manchmal hörten wir dabei Tracy Chapman und manchmal Helene Fischer. Wir gingen auf Safari. Manchmal sahen wir Elefanten, Büffel und Löwen. Aber manchmal auch nur ganz viele hässliche Wildschweine. Wir probierten die Tennis- und Zumbakurse im Fitnessstudio der Uni aus. Manchmal waren wir davon sehr begeistert und manchmal weniger. Wir wanderten auf Berge und Hügel. Manchmal ganz fit und manchmal mit einem Kater der letzten Party. Da fiel dann auch mal die Sohle eines Wanderschuhs ab. Wir schmiedeten immer wieder neue Pläne. Aber hin und wieder waren wir erlebnismüde.

Wir erlebten ganz viel. Manchmal sehr Schönes, manchmal nicht so Schönes, und manchmal ganz Gewöhnliches. Aber ich denke, unter dem Strich waren wir oft von Herzen glücklich. Nach einer Zeit, in der ich mich zunächst zurechtfinden musste, waren es im Endeffekt wohl die positiven Begegnungen und Gespräche mit neuen Menschen, die in mir ein Gefühl des Angekommenseins und Wohlbefindens ausgelöst haben. Es tat gut, sich mit anderen Austauschstudierenden ganz offen und persönlich auszutauschen und die Gespräche mit südafrikanischen Kommilitonen|innen halfen mir zu verstehen, wo ich gerade war und weshalb die Dinge hier so sind, wie sie sind.

«Wir erlebten ganz viel. Manchmal sehr Schönes, manchmal nicht so Schönes, und manchmal ganz Gewöhnliches. Aber ich denke, unter dem Strich waren wir oft von Herzen glücklich.»  

Südafrika und der Traum der «Rainbow Nation»

Die Geschichte Südafrikas ist konfliktreich und prägt das Land bis heute. Es mag durchaus möglich sein, 10 Tage Urlaub in Südafrika zu machen und währenddessen diese komplexen Themen zu ignorieren. Allerdings merkte ich bereits nach den ersten Wochen in Stellenbosch, dass mir das während meines knapp halbjährigen Aufenthaltes nicht möglich sein würde. Ich las südafrikanische Zeitungen, besuchte einen Geschichtskurs für internationale Studierende und unterhielt mich mit Südafrikanern|innen jeglicher Hautfarbe. Dabei lernte ich sehr viel. Die sozialpolitischen Themen dieses Landes haben mich während meines Auslandsemesters fortwährend beschäftigt. Daher möchte ich auch diesem Teil meiner Erfahrung in diesem Bericht Raum geben.

In Südafrika wurde ab Beginn des 20. Jahrhunderts für Jahrzehnte das sogenannte Apartheidsystem, eine staatlich festgelegte und organisierte Rassentrennung, verfolgt. Dabei wurden nichtweisse Südafrikaner|innen mittels menschenrechtswidriger Gesetze systematisch unterdrückt. Diese Politik erregte internationales Aufsehen und Empörung. Erst ab den 80er Jahren zeichnete sich eine Wende ab. Vor rund 25 Jahren, am 27. April 1994, fanden in Südafrika die ersten demokratischen Wahlen statt, im Zuge derer Nelson Mandela, führender Aktivist des African National Congress (ANC), zum ersten, schwarzen Präsidenten des Landes gewählt wurde. Damit wurde die Apartheid offiziell beendet (Clark & Worger, 2013; Giliomee & Mbenga, 2007). Erzbischof Desmond Tutu führte in diesem Zusammenhang den Begriff der «Rainbow Nation» ein. Dieser sollte das Post-Apartheid-Südafrika als ein Land beschreiben, in dem Menschen verschiedenster kultureller Hintergründe harmonisch zusammenleben (Baines, 1998).

Gegen Ende meines Aufenthaltes in Stellenbosch, am 08. Mai 2019, fanden südafrikanische Parlamentswahlen statt. Die Wahlbeteiligung lag auf dem historischen Tiefstand. Gewinnerin war, wie von vielen südafrikanischen Freunden|innen und Bekannten erwartet, die ANC, die «Partei Mandelas», welcher auch der aktuelle Präsident, Cyril Ramaphosa, angehört (Zeit Online, 2019). Zwei Tage später veröffentlichte die CNN einen Artikel mit dem Titel «South Africa is the world’s most unequal country. 25 years of freedom have failed to bridge the divide». Gemäss einem internationalen Ranking der World Bank ist Südafrika aktuell das Land mit der höchsten gesellschaftlichen Ungleichheit (Scott, 2019). Insbesondere das südafrikanische Bildungssystem ist von dieser Ungleichheit geprägt. Unter dem Titel «Sie wurden in die Freiheit geboren. Trotzdem sind die jungen, schwarzen Südafrikaner wütend» erschien im Vorfeld dieser Wahlen, am 27. April 2019, ein Artikel der NZZ, in dem die Situation für junge, nichtweisse Südafrikaner, die nach dem Ende der Apartheid im Jahr 1994 geboren wurden, aufgezeigt wurde. Die sogenannte «Born Free Generation» sei frustriert angesichts der vielen Hürden, die es für sie weiterhin zu überwinden gilt. Die Apartheid ist seit 25 Jahren offiziell beendet – die wirtschaftlichen und psychosozialen Realitäten sind jedoch weiterhin von diesem schweren Erbe geprägt (Karrer, 2007; Schilliger, 2019).

Tutus Bild der «Rainbow Nation» scheint für eine Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung nur ein Traum zu sein. Viele Südafrikaner|innen, mit denen ich sprach, zeigten sich konsterniert und entschlossen, das Land zu verlassen. Andere erklärten, sie hätten Hoffnung für die Zukunft ihrer Heimat. Ich wünsche mir von Herzen, dass der Traum der «Rainbow Nation» für Südafrika in Erfüllung geht.

Bilanz

Der Weg in mein Auslandsemester in Stellenbosch war nicht leicht. Als ich dann dort angekommen war, stellte mich der südafrikanische Alltag, gerade zu Beginn, immer wieder vor neue Herausforderungen und ich brauchte Zeit mich in dieser neuen Umgebung einzuleben – aber es hat sich gelohnt. Ich bin sehr dankbar für all diese unglaublich glücklichen Momente, die ich erleben und mit anderen teilen durfte. Es war für mich eine grosse Bereicherung, Südafrika über einen längeren Zeitraum, mit all seinen Facetten, Farben und Nuancen, genauer kennenlernen zu dürfen.

Mein Auslandsemester war nicht die Zeit meines Lebens. Ich glaube nämlich, es gibt nicht nur die eine, sondern ganz viele Zeiten im Leben. Ein Auslandsemester, wo auch immer auf der Welt, ist aus meiner Sicht, auf verschiedenen Ebenen, eine sehr aussergewöhnliche, lehrreiche und prägende Zeit.

Ich werde immer wieder zurückdenken, an dieses ganz besondere, goldene Licht – als würde der Himmel brennen.

Studienaustausch als Studierende|r der UZH
Alle Studierende der UZH haben die Möglichkeit an einer Partnerhochschule einen Studienaustausch für ein bis zwei Semester zu machen. Die UZH ist weltweit mit fast 300 Universitäten vernetzt und bietet damit eine grosse Auswahl an Austauschdestinationen. Die Abteilung internationale Beziehungen der UZH vergibt Stipendien und Teilstipendien, um Studierende bei ihrem Auslandsaufenthalt zu unterstützen. Die wichtigsten Informationen zum Austausch sind online auf der Website der UZH unter «Studium» / «Mobilität» / «Studieren im Ausland» zu finden (https://www.int.uzh.ch/de/out.html).

Kontakt Mobilität Allgemein:
Abteilung Internationale Beziehungen
Universität Zürich
KOL E 17 (Hauptgebäude)
Rämistr. 71
8006 Zürich

Öffnungszeiten Walk in: Montag bis Freitag 9.30–12.30 Uhr

Kontakt Mobilität Psychologisches Institut:
Eichelberger Karin, MSc.
Psychologisches Institut
Universität Zürich
BIN 0.D.12 (Erdgeschoss)
Binzmühlestr. 14 / Box 21
8050 Zürich
+41 44 635 71 67
mobility@psychologie.uzh.ch

Öffnungszeiten Walk in: Donnerstag 13.00–15.00 Uhr (oder nach Vereinbarung)


Zum Weiterlesen

Schilliger, M. (2019, April 27). Sie wurden in die Freiheit geboren. Trotzdem sind die jungen, schwarzen Südafrikaner wütend. Neue Zürcher Zeitung. Johannesburg, Südafrika. Retrieved August 27, 2019 from, https://www.nzz.ch/international/sie-wurden-in-die-freiheit-geboren-trotzdem-sind-die-jungen-schwarzen-suedafrikaner-wuetend-ld.1477499

Scott, K. (2019, May 10). South Africa is the world’s most unequal country. 25 years of freedom have failed to bridge the divide. CNN. London, England. Retrieved August 27, 2019 from, https://www.cnn.com/2019/05/07/africa/south-africa-elections-inequality-intl/index.html

Giliomee, H., & Mbenga, B. (2007). New History of South Africa. (H. Giliomee & B. Mbenga, Eds.). Cape Town: Tafelberg.

Literatur

Baines, G. (1998). The rainbow nation? Identity and nation building in post-apartheid South-Africa. Mots Pluriels, (7), 1–10.

Clark, N. L., & Worger, W. H. (2013). South Africa: The rise and fall of apartheid (2nd ed.). London, England: Routledge.

Giliomee, H., & Mbenga, B. (2007). New History of South Africa. (H. Giliomee & B. Mbenga, Eds.). Cape Town: Tafelberg.

Karrer, C. (2007, August 31). Hinter Mauern. NZZ Online. Retrieved August 27, 2019 from, https://www.nzz.ch/hinter_mauern-1.548398

Schilliger, M. (2019, April 27). Sie wurden in die Freiheit geboren. Trotzdem sind die jungen, schwarzen Südafrikaner wütend. Neue Zürcher Zeitung. Retrieved August 27, 2019 from, https://www.nzz.ch/international/sie-wurden-in-die-freiheit-geboren-trotzdem-sind-die-jungen-schwarzen-suedafrikaner-wuetend-ld.1477499

Scott, K. (2019, May 10). South Africa is the world’s most unequal country. 25 years of freedom have failed to bridge the divide. CNN. Retrieved August 27, 2019 from, https://www.cnn.com/2019/05/07/africa/south-africa-elections-inequality-intl/index.html

Zeit Online. (2019, May 10). ANC wird stärkste Kraft bei Parlamentswahl. Retrieved August 27, 2019, from, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/suedafrika-regierungspartei-anc-parlamentswahlen-mehrheit