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Professor*innen gefragt 

Worauf sind Sie gespannt? 

Gesammelt von Noémie Lushaj 
Lektoriert von der Redaktion

Prof. Dr. Christoph Flückiger 

Gespannt zu sein; einen Fokus auf ein zukünftiges Ereignis zu haben, wo der Ausgang nicht ganz klar ist; möglicherweise Ungewissheit, jedoch auch Vorfreude und Neugier erleben! Gespannt-Sein kann ein Hinweis für die kleinen und grossen Geschenke des Lebens sein: Der Ausgang eines guten Krimis, die Konzentration beim Carambolspiel, die grundsätzlich optimistische Zukunft der Kinder und Nächsten! Es muss uns und der Mitwelt insgesamt auch recht gut gehen, dass wir Dinge als «gespannt» erleben können. Spannung setzt zumeist voraus, dass die Gefahr schon auch kalkulierbar ist. Wären wir desillusioniert und alles erschiene unwichtig und egal oder wären wir bedroht, so würden wir diese Situationen zumeist nicht mehr als «gespannt» attribuieren. Gespannt-Sein macht ganz im Sinne von Erwartungs- und Wert-Modellen die Würze des Alltags aus. Beispielsweise fühlen sich Personen oftmals gespannt, wenn sie in einer Therapie oder Beratung neues Verhalten explorieren – ein Zeichen der Hoffnung! 

Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker 

Diesmal antworte ich nicht als Fachperson, sondern persönlich. Werden wir das hinbekommen mit dem 1,5-Grad-Ziel der maximalen Erderwärmung? Es gibt so viel Bereitschaft in unseren Ländern dafür, aber ob das Handeln unserer Regierungen ausreicht oder ob diese überhaupt willens sind, das Ruder herumzureissen? Können wir diejenigen, denen das Thema immer noch fern ist oder die es leugnen, mit ins Boot bekommen für entschiedene Aktionen? Ich bin aber auch gespannt, ob ich mein eigenes klimaschädliches Verhalten (Fliegen, Autofahren, Wohnen im unisolierten Gebäude) ändern kann, denn da geht Manches gegen lieb gewordene Gewohnheiten. Der Vorsatz ist gefasst, jetzt kommt es auf meine Umsetzung an. 

Prof. Dr. Alexandra Freund 

Ich bin sehr gespannt, wie wir als Psycholog*innen und Wissenschaftler*innen dazu beitragen können, die gegenwärtige Polarisierung in der Gesellschaft zu sozial-, gesundheits- und wirtschaftspolitischen Themen und Werten besser zu verstehen und zu überwinden. Ich erlebe die Situation als schwierig, da mir scheint, dass oft keine Diskussion zwischen den polarisierten Gruppen möglich ist, weil grundlegende Überzeugungen gegen Argumente und Evidenz abgeschirmt werden. Das verunmöglicht häufig eine rationale Auseinandersetzung und kann leicht zu emotional aufgeladenem, wechselseitigem Unverständnis führen. Wie können wir dies psychologisch beschreiben und möglichst auch Wege zu einem konstruktiveren Umgang miteinander finden? 

Prof. Dr. Johannes Ullrich 

Ich bin gespannt, ob das nächste Experiment meine Hypothese stützt. Manche Spielverderber*innen behaupten ja, dass die Grösse der Effekte, die untersucht werden, mit der Zeit abnimmt, weil die «tief hängenden Früchte» bereits gepflückt seien, sodass die meisten Studien nur noch negative Resultate zeigen (Ioannidis, 2005). Über die Grösse eines Effekts kann man sich aber täuschen. Nehmen wir den Befund, dass amerikanische (aber nicht mexikanische) Versuchspersonen einen jungen Postbeamten, der viel Geld im Lotto gewonnen hat, stärker loben, wenn er trotzdem weiterarbeitet, als wenn er seinen Job an den Nagel hängt. Das wurde auf die historische calvinistische Prägung der USA zurückgeführt. Eine grosse Replikationsstudie hat gezeigt, dass dieser Effekt kulturunabhängig auftritt (Tierney et al., 2021). Ausserdem war er grösser (d = .65) als von über 200 Forschenden im Durchschnitt vorhergesagt (d = .32). Mit transparenten Vorgehensweisen und Theorienwettbewerb bleibt die Forschung spannend! 

Prof. Dr. Guy Bodenmann 

Ich bin gespannt auf einen demnächst in Wien stattfindenden klinischen Workshop. Nach langem Online-Unterrichten wird dies der erste Kurs im Ausland sein, den ich wieder im Präsenzmodus anbiete. Ich freue mich wieder auf den Kontakt zu den Teilnehmenden, den direkten Austausch von Blicken, auf das Nicken, Lachen und die kleinen Anzeichen in Gestik und Mimik für Interesse und Aufmerksamkeit, Verständnisfragen oder Langeweile. Ich freue mich darauf, die physische und psychische Präsenz der Anwesenden zu spüren. Die Atmosphäre in der Gruppe aufzusaugen, Teil einer sozialen Dynamik vor Ort zu sein. Ob dem so sein wird, das ist bei der Entwicklung der Pandemie schwer vorauszusehen. Ich bin gespannt, ob der Kurs in dieser Form zustande kommt. Ich war auch gespannt bei mir festzustellen, was die letzten anderthalb Jahre ausgelöst haben, wie sehr mir der Kontakt zu Studierenden, Weiterbildungsteilnehmenden und Zuhörer*innen an Vorträgen gefehlt hat, wie trostlos sich dieses Sprechen in den Bildschirm anfühlte. 

Prof. Dr. Moritz Daum 

Mit Sprache werden Informationen ausgetauscht und Beziehungen hergestellt, verstärkt, aber auch zerstört. Albus Dumbledore sagt im letzten Harry-Potter-Film: «Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it». Das Jacobs Center for Productive Youth Development (JCPYD) an der UZH vereinigt Wissenschaftler*innen aus Bereichen wie der Psychologie, Soziologie, Ökonomie und anderen unter einem Dach. In meiner neuen Funktion als Direktor des JCPYD bin ich darauf gespannt, ob und wie gut es gelingt, dass die verschiedenen Disziplinen so miteinander kommunizieren, dass man sich gegenseitig versteht, sogar gut versteht. Ich stelle immer mehr fest, dass das Finden einer gemeinsamen Sprache eine der grossen Herausforderungen der aktuellen Zeit (nicht nur in der Wissenschaft) ist, damit Zusammenarbeit zu Synergien führt und nicht zu Reibungsverlusten. 

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