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Nach dem Studium – wie wichtig sind psychologische Fachtitel?

«Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.» – Henry Ford 

Die meisten Psycholog*innen beginnen mit der Aufnahme der Berufstätigkeit ihre berufliche Entwicklung hin zu Fachpsycholog*innen. Dazu sind Weiter- und Fortbildungen notwendig. In diesem Artikel soll eine kurze Übersicht über die Bedeutung von Fachtiteln und Weiterbildungen in den wichtigsten psychologischen Tätigkeitsfeldern ausserhalb von Forschung und Hochschulen gegeben werden. 

Von André Widmer
Lektoriert von Vera Meier
Illustriert von Vera Meier und Selina Landolt in Zusammenarbeit mit André Widmer

Mit dem Berufseinstieg nach Abschluss des Psychologiestudiums stellen sich Fragen zur eigenen Laufbahnplanung und zur Gestaltung der beruflichen Karriere. In welchem psychologischen Fachgebiet möchte ich tätig sein? Wie sind die kurz- und längerfristigen Berufsaussichten in den verschiedenen Fachgebieten? Wie komme ich zu meinen ersten Berufserfahrungen? Welche Weiterbildungen sind für meine berufliche Entwicklung notwendig?  

Frisch gebackenen Psycholog*innen wird schnell bewusst, dass sie in der Welt des Berufslebens mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind. Den vertrauten Rahmen der Hochschule gibt es nicht mehr, Neuorientierung wird notwendig. Theoretische Fach- und Wissenskompetenzen sind weniger gefragt. Wichtiger werden andere Fähigkeiten, wie zum Beispiel Wissen und Können erfolgreich in der Praxis anzuwenden. Neu gefragt sind auch soziale Kompetenzen im Umgang mit Klient*innen und Kund*innen sowie mit Arbeitskolleg*innen aus anderen Berufsfeldern. 

Psychologische Weiter- und Fortbildungen werden damit zu einem wichtigen Bestandteil der Laufbahnplanung und sind Voraussetzung für eine erfolgreiche berufliche Karriere. Sie ermöglichen es, sich den Anschluss an den wissenschaftlichen Erkenntnisstand, an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel in einem Fach- und Aufgabengebiet zu sichern und sich beruflich wie auch persönlich weiterzuentwickeln.  

Die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) und der Bund definieren berufsbegleitende Weiterbildungen als Voraussetzung für psychologische Weiterbildungs- und Fachtitel. Diese sind zum Teil Voraussetzung, um in einem bestimmten Fachgebiet selbständig oder angestellt tätig zu sein. Sie werden von Behörden und Arbeitgebern in der Regel für eine Anstellung verlangt. 

Im Folgenden wird beschrieben, für welche psychologischen Berufe, Anstellungen und Dienstleistungen welche psychologische Weiterbildungs- und Fachtitel verlangt oder empfohlen werden. 

Psychotherapie und klinische Psychologie 

Um psychotherapeutische Leistungen erbringen zu können, benötigen Psycholog*innen den eidgenössischen Psychotherapieweiterbildungstitel. Dazu muss eine vom Bund anerkannte, berufsbegleitende Weiterbildung erfolgreich absolviert werden. Diese Weiterbildungen dauern in der Regel vier bis sechs Jahre. Zu den Weiterbildungsgängen sind Psycholog*innen mit ausreichenden Studienleistungen in klinischer Psychologie und Psychopathologie zugelassen. Für die selbständige Tätigkeit als Psychotherapeut*in ist zusätzlich eine kantonale Praxisbewilligung notwendig. Ebenso braucht es für die Anstellung in einer privaten psychiatrischen Arztpraxis (delegierte Psychotherapie) eine kantonale Bewilligung. Eine Anstellung im Rahmen der delegierten Psychotherapie ist bereits nach fortgeschrittener Weiterbildung in einem vom Bund anerkannten Studiengang möglich. Zurzeit sind über vierzig Psychotherapieweiterbildungen vom Bund anerkannt.  

«Nur die eidgenössischen Weiterbildungstitel und die Fachtitel der Berufsverbände in der privat-rechtlich geschützten, vollen Bezeichnung (wie zum Beispiel «Fachpsychologin für Sportpsychologie FSP») sind deshalb ein zuverlässiges Qualitätslabel für fachlich spezialisierte Psycholog*innen. Sie sind wichtig für die persönliche Marktfähigkeit und oft relevant für eine bessere Entlöhnung.» 

André Widmer

Informationen zu den vom Bund akkreditierten Psychotherapieweiterbildungen sind über die Website des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu finden: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/berufe-im-gesundheitswesen/akkreditierung-gesundheitsberufe/akkreditierung-vonweiterbildungsgaengen-im-bereich-psychologieberufe/liste-akkredit-weiterbildung.html  

Neuropsychologie 

Neuropsycholog*innen benötigen für die Abrechnung ihrer Leistungen über die Grundversicherung der Krankenkassen den FSP-Fachtitel Neuropsychologie. Die Weiterbildung dauert fünf bis sechs Jahre. Daneben gibt es auch einen eidgenössischen Weiterbildungstitel Neuropsychologie, der schon bald vom Bund vergeben wird. Der Bund wird diesen Weiterbildungstitel erst ausstellen, wenn er entsprechende Weiterbildungsgänge akkreditiert hat, was zurzeit noch nicht der Fall ist. Die Universitäten Zürich und Genf haben neuropsychologische Studiengänge (Master of Advanced Studies, MAS) zur Anerkennung eingereicht. Die Akkreditierung dieser Studiengänge erfolgt voraussichtlich 2020. Die Fach- und Weiterbildungstitel der FSP und jene des Bundes gelten als äquivalent. Die MAS-Weiterbildungsgänge dauern ebenfalls mindestens fünf Jahre. Für den Berufseinstieg in einem Spital sind bereits absolvierte neuropsychologische Praktika von Vorteil. Für eine Festanstellung wird der abgeschlossene Neuropsychologie-Fachtitel oder eine fortgeschrittene Weiterbildung in diesem Bereich verlangt. Für die selbständige Tätigkeit als Neuropsychologe*in wird in bestimmten Kantonen (z. B. im Kanton Aargau) bereits heute eine Praxisbewilligung vorausgesetzt, wie sie auch selbständig arbeitende Psychotherapeut*innen benötigen.  

Weitere Informationen zur Weiterbildung und zum Fachtitel in Neuropsychologie sind über die Website der Schweizerischen Vereinigung der Neuropsychologinnen und Neuropsychologen (SVNP) zu finden: https://www.neuropsy.ch/de/fachpersonen/postgraduale-weiterbildung 

Schulpsychologie und Erziehungsberatung 

Die Anstellungsbedingungen von öffentlichen Erziehungsberatungsstellen und schulpsychologischen Diensten sind kantonal oder auf Stufe der Gemeinden (z. B. im Kanton Zürich) geregelt und bedingen in der Regel den FSP-Fachtitel Kinder- und Jugendpsychologie. Es gibt zwar auch hier einen entsprechenden eidgenössischen Weiterbildungstitel Kinder- und Jugendpsychologie, der aber zurzeit ebenfalls noch nicht ausgestellt wird. Die Universität Basel hat einen ersten MAS-Weiterbildungsgang zur Akkreditierung beim Bund eingereicht. Die Anerkennung wird voraussichtlich 2020 erfolgen. Auch hier ist davon auszugehen, dass der FSP-Fachtitel und der eidgenössische Weiterbildungstitel bei Anstellungen als äquivalent gelten werden. Die Weiterbildung zum FSP-Fachtitel Kinder-und Jugendpsychologie sowie die MAS-Weiterbildungsgänge des Bundes dauern fünf Jahre. Für den Berufseinstieg auf einer kantonalen oder kommunalen Stelle sind bereits absolvierte Praktika im Bereich der Kinder- und Jugendpsychologie von Vorteil. Für eine Festanstellung wird oft der FSP-Fachtitel Kinder- und Jugendpsychologie oder eine fortgeschrittene berufsbegleitende Weiterbildung verlangt. Für die selbständige Tätigkeit als Schulpsychologe*in ist keine Praxisbewilligung erforderlich.  

Weitere Informationen zur Weiterbildung und zum Fachtitel sind auf der Website der Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie (SKJP) zu finden: https://www.skjp.ch/de/fachtitel/pgw/fachtitel/pgw  

Rechtspsychologie 

Psycholog*innen, die in kantonalen Justizdirektionen (Strafvollzug, Polizei etc.) oder im forensischen Bereich der Psychiatrie arbeiten, verbessern mittelfristig ihre Marktchancen, wenn sie den FSP-Fachtitel Rechtspsychologie und/oder, den für psychotherapeutische Leistungen zwingend vorzuweisenden, eidgenössischen Weiterbildungstitel Psychotherapie (siehe oben) erwerben. Die berufsbegleitende rechtspsychologische Weiterbildung dauert rund fünf Jahre. Die Schweizerische Gesellschaft für Rechtspsychologie (SGRP) führt eine Empfehlungsliste von Fachtitelträgern*innen für Gutachten, die sie an kantonale und eidgenössische Stellen abgibt. Für den Berufseinstieg sind bereits absolvierte Praktika im entsprechenden Fachbereich von Vorteil.  

Weitere Informationen zu den Weiterbildungen und dem Fachtitel in Rechtspsychologie sind auf der Website der SGRP zu finden: https://www.rechtspsychologie.ch/de/fachtitel  

Verkehrspsychologie 

Verkehrspsycholog*innen führen vor allem verkehrspsychologische Eignungsuntersuchungen im Auftrag von kantonalen Stellen durch. Es sind dies in der Regel Neuropsycholog*innen oder Psychotherapeut*innen mit angefangener oder abgeschlossener verkehrspsychologischer Weiterbildung. Die Schweizerische Vereinigung für Verkehrspsychologie (VfV) führt zuhanden der anordnenden kantonalen oder Bundesbehörden eine Liste von selbständig praktizierenden Verkehrspsycholog*innen mit dem FSP-Fachtitel Verkehrspsychologie, die sie für entsprechende Untersuchungen und Gutachten empfiehlt. Die FSP vergibt den Fachtitel an Psycholog*innen, die eine berufsbegleitende Weiterbildung inkl. Praxiserfahrung gemacht haben. Die Weiterbildung in Verkehrspsychologie dauert zwei Jahre. Der Berufseinstieg erfolgt in der Regel über eine bereits bestehende neuropsychologische oder psychotherapeutische Tätigkeit.  

Weitere Informationen zur Weiterbildung und zum Fachtitel in Verkehrspsychologie sind auf der Website der VfV zu finden: https://www.vfv-spc.ch/verein/fachtitel-verkehrspsychologie  

Berufs- und Laufbahnberatung, Personalpsychologie 

Berufs-, Studien- und Laufbahnberater*innen arbeiten in öffentlichen und privaten Berufs- und Laufbahnberatungsstellen, Studienberatungen, regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV), IV-Stellen oder an Schulen. Für die Tätigkeit als Berufs- und Laufbahnberater*in ist eine Weiterbildung erforderlich die zum FSP-Fachtitel Laufbahn- und Personalpsychologie führt. Die berufsbegleitende Weiterbildung wird von den Universitäten Bern, Fribourg und Lausanne angeboten (MAS und Diploma of Advanced Studies, DAS). Diese Weiterbildungsgänge dauern vier Jahre. Daneben bieten auch die Fachhochschule Zürich (ZHAW) sowie die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) entsprechende Weiterbildungen an (MAS). Der Berufseinstieg erfolgt mit dem Beginn der Weiterbildung. Für Anstellungen in Personalabteilungen von grossen Unternehmen oder Personalrekrutierungsfirmen sind Fachtitel weniger gefragt. Die Weiterbildung erfolgt tätigkeits- und aufgabenspezifisch.  

Weiterführende Informationen zum FSP-Fachtitel Laufbahn- und Personalpsychologie sind auf der Website des FSP zu finden: https://www.psychologie.ch/beruf-bildung/weiterbildung/fachtitel  

Zusätzlich informieren auch die ZHAW und FHNW über die angebotenen Weiterbildungen:  https://www.zhaw.ch/de/psychologie/weiterbildung/ oder https://www.fhnw.ch/de/weiterbildung/wirtschaft/mas-laufbahnberatung. 

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Weiterbildungs- und Fachtitel Psycholog*innen als Expert*innen für die eigenverantwortliche und selbständige Berufsausübung in einem bestimmten Fach- und Tätigkeitsgebiet qualifizieren. In diesem Sinne sind die eidgenössischen Weiterbildungs- und FSP-Fachtitel ein Qualitätslabel für Fachpsycholog*innen. Dies ist insofern bedeutsam, da zum Beispiel nur Psycholog*innen, die über einen eidgenössischen Weiterbildungstitel in Psychotherapie verfügen, sich in ihrer Berufsbezeichnung «Psychotherapeut*in» nennen dürfen. Dies gilt jedoch nicht analog für die anderen psychologischen Fach- und Tätigkeitsbereiche. Auch Psycholog*innen, die keinen Titel haben, dürfen für ihre Berufsbezeichnung eine fachliche Spezifizierung verwenden, zum Beispiel «Sportpsychologe*in». Dies ist möglich, weil für die Tätigkeit als Sportpsychologe*in per Gesetz kein Fachtitel verlangt wird (im Gegensatz zur psychotherapeutischen Tätigkeit). Nur die eidgenössischen Weiterbildungstitel und die Fachtitel der Berufsverbände in der privat-rechtlich geschützten, vollen Bezeichnung (wie zum Beispiel «Fachpsychologin für Sportpsychologie FSP») sind deshalb ein zuverlässiges Qualitätslabel für fachlich spezialisierte Psycholog*innen. Sie sind wichtig für die persönliche Marktfähigkeit und oft relevant für eine bessere Entlöhnung. 

Weitere Fachtitel 

Die FSP vergibt zurzeit zusätzlich die Fachtitel Coaching-PsychologieSportpsychologie und Gesundheitspsychologie. Auch der Bund führt noch einen weiteren psychologischen Weiterbildungstitel, den eidgenössischen Weiterbildungstitel für Gesundheitspsychologie. Dieser wird jedoch ebenfalls erst nach der Akkreditierung einer entsprechenden Weiterbildung ausgestellt werden können. Bei einer Tätigkeit in diesen Fachgebieten wird eine begonnene oder abgeschlossene Weiterbildung in der Regel erwartet. Neben der FSP vergibt auch der Schweizerische Berufsverband für Angewandte Psychologie (SBAP) psychologische Fachtitel an seine Mitglieder.  

Weitere Informationen dazu sind auf der Website des SBAP zu finden: https://sbap.ch/mitglieder/fachtitel.  


Zum Weiterlesen

Informationen zu den FSP-Fachtiteln: 

https://www.psychologie.ch/beruf-bildung/weiterbildung/fachtitel

Informationen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu den Psychologieberufen: 

https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/berufe-im-gesundheitswesen/psychologieberufe.html

 

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