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Ein Spiel mit der Loyalität

Rezension zum Film Joker 

Der Film von Phillips (2019) liess mich im Sekundentakt erschauern, laut auflachen und über die Realität zweifeln. Die Geschichte wie aus Arthur Fleck der Joker wird, ist nichts für schwache Nerven. 

Von Marcia Arbenz
Lektoriert von Mandana Fröhlich und Celina Weder
Illustriert von Marcia Arbenz

Der Blick in den Spiegel 

Die Geschichte beginnt mit einem Mann, der an einem Schminktisch sitzt und sich schwarze Clownsaugen anmalt. Mit seinen Fingern verzieht er seine Mundwinkel zu einem Lächeln – bis ihm eine Träne die Wange herunterläuft. Arthur Fleck ist ein angehender Stand-up-Komiker, der sich und seine pflegebedürftige Mutter als Clown über Wasser hält. Die Welt um ihn herum versinkt im Dreck. Einerseits stapeln sich die Müllsäcke auf den Strassen, weil das Personal der Müllabfuhr streikt, andererseits herrscht überall Gewalt und Verbrechen. Auch Arthur wird Opfer davon. Mehr als einmal wird er verprügelt, man tritt ihn, während er am Boden liegt. Er ist von seinen Mitmenschen isoliert, hat unkontrollierbare Lachanfälle aufgrund einer Hirnverletzung und leidet gleichzeitig an einer depressiven Episode. Obwohl Arthur nichts zu haben scheint, verliert er immer mehr: Seinen Job, seine Sozialarbeiterin und somit auch seine Medikamente, seinen Ruf, seine Hoffnung und beinahe seine Mutter. Als er im Clownskostüm in der U-Bahn von drei Männern belästigt wird, reisst ihm der Geduldsfaden und er erschiesst sie. Das erste Mal scheint er so etwas wie Macht zu spüren. Die Medien berichten zunächst schockiert über die Tat, mit der Zeit wird er jedoch als eine Symbolfigur für den Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten in Gotham gehandelt. Immer wieder wird Arthur mit der vermeintlichen Realität konfrontiert, die sehr von seiner Wahrheit abweicht. Nach und nach verwandelt sich der sensible Arthur Fleck in den anarchistischen Joker.  

Krankhaftes Lachen und Sinnlosigkeit 

Eines der offensichtlichsten Filmelemente ist Arthurs Lachen. Seine regelmässigen und sehr unpassenden Lachanfälle lösen Verwirrung und Unverständnis bei seinen Mitmenschen aus, auch wenn sie von seiner Diagnose erfahren. Während ein offenes Lachen einen Menschen sympathisch erscheinen lässt, stösst Arthur damit nur auf Entfremdung, Hohn und Gewalt. Zusätzlich zeigt Arthur weitere Symptome: Er spricht von einem Gefühl der Sinnlosigkeit, ist sozial weitgehend isoliert, zweifelt an seiner eigenen Existenz, fühlt sich andauernd schlecht und ist untergewichtig. Hinzu kommen Illusionen und Halluzinationen, ein frühkindliches Trauma durch Missbrauch und Gewalt, kein Gefühl von Reue und Aggressionen. Arthurs Symptome sind einerseits Produkte seiner miserablen Situation, andererseits auch verantwortlich für den Verlauf der Geschichte.  

Widersprüchliche Puzzleteile 

Es ist kein Wunder, dass man als Zuschauer*in mit Arthur mitleidet, wenn man sich die Liste der Symptome ansieht. Mehr als einmal kann man sich selber dabei ertappen, wie man Arthurs Aggressionen und Morde nachvollziehen und manchmal sogar gutheissen kann. Der Film spielt mit der Loyalität des Publikums. Die Frage, ab wann ich nicht mehr für Arthur Fleck, sondern gegen ihn bin, beschäftigte mich am meisten, während ich den Film das erste Mal sah. Immer wieder neue Erkenntnisse lassen die einzelnen Figuren in einem anderen Licht erscheinen. Hinzu kommt ein pikantes Spiel mit der Realität. Welcher Erklärung kann man trauen? Am Ende hat man zu viele widersprüchliche Puzzleteile, als das eine Wahrheit herausstechen würde. Aber das macht den Film gerade so spannend.  

Als eingefleischter Batman-Fan ist die Geschichte um Thomas Wayne, dem Vater von Batman, etwas ungewohnt. Während er in vielen Verfilmungen als grosser Wohltäter und hingebungsvoller Vater dargestellt wird, bekommt er im Joker sein Fett weg.  

Während die Entwicklung von Arthur Fleck natürlich und nachvollziehbar von statten geht, ist seine endgültige Betitelung als Joker meines Erachtens etwas gesucht. In den letzten paar Minuten nennt er sich selber so, aufgrund einer Bemerkung, die gefühlt Stunden zuvor gemacht wurde.  

Ansonsten ist der Film, besonders für Psychologiestudierende, extrem spannend. Aufgrund der vielen versteckten Symbolen und filmischen Mittel, ist der Film auch ein zweites Mal sehenswert.  


Zum Ansehen 

Cooper, B., Phillips, T., & Tillinger Koskoff, E. (Producers), & Phillips, T. (Director). (2019). Joker [Motion Picture]. United States: Warner Bros. Pictures. 

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