Klimawandel? Nein Danke
Ansatzpunkte und Hürden im Kampf gegen die Erderwärmung

Die Auswirkungen des Klimawandels betreffen uns alle. Lösungen für die Umweltprobleme werden dabei häufig in multilateralen Abkommen der Weltpolitik gesucht. Stattdessen den Fokus auf das Verhalten jedes Einzelnen zu legen, bedeutet im Fachgebiet der Psychologie nach Lösungen zu suchen.
Von Jan Nussbaumer
Lektoriert von Madeleine Lanz und Stefan Dorner
Illustriert von Kerry Willimann
2017 kündigte Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen an. Dies stellte einen beträchtlichen Rückschritt in der Klimapolitik dar. Das Pariser Abkommen setzte zum Ziel, die Klimaerwärmung auf unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Stand zu halten. Dieses Abkommen zeigt, wie in der Politik mit multilateralen Abmachungen nach Lösungen des Klimaproblems gesucht wird. Das ist notwendig, denn der ökologische Fussabdruck der Menschheit übersteigt die Kapazität der Erde. Nach unserer heutigen Lebensweise bräuchten wir 1.6 Erden, um den momentanen Ressourcenverbrauch der Menschheit zu decken (Global Footprint Network, 2016). Doch wie können wir nachhaltiger Handeln, so dass die Erde reicht, die wir haben? Auf die eine grosse Lösung zu warten scheint utopisch. Also verabschieden wir uns für einen Moment von den Abkommen der Weltpolitik, von den Masterplänen von Macron, Merkel und Konsorten und wenden uns stattdessen dem Verhalten der einzelnen Menschen zu, womit wir uns im Gebiet der Psychologie befinden.
Dies mag weniger aufregend klingen als die grossen Lösungen, doch letztlich trägt jeder von uns zu der Misere bei, die wir Klimawandel nennen. Kann die Psychologie Umweltverhalten und nachhaltiges Handeln erklären? Können wir umweltförderndes Handeln fördern, und falls wir das können – wie? Was steht nachhaltigem Handeln im Weg?
Unterschied zwischen Problembewusstsein und Verhalten
Der erste Impuls liegt meist darin, nach Schuldigen zu suchen. Wie wäre es mit Donald Trump – dem Sündenbock schlechthin? Oder allgemein den Klimaleugnern? Wenn es die nicht gäbe, hätten wir das Problem doch schon längst gelöst. Oder etwa nicht?
So einfach scheint es nicht zu sein, denn sowohl in armen als auch in reichen Ländern überwiegt die Anzahl Personen, welche den Umweltschutz über das wirtschaftliche Wachstum stellen (Dunlap, Gallup Jr., & Gallup, 1993). Auch sehen die meisten Menschen es als persönlich wichtiges Ziel an, sich um die Umwelt zu kümmern (Milfont & Schultz, 2016). Doch leider reicht das nicht. Ein hohes Bewusstsein und Sorgen um die Umwelt führen allein nicht zu umweltverträglichem Verhalten. Bamberg und Möser (2007) zeigten in ihrer Metaanalyse, dass das Bewusstsein um Umweltprobleme nur einen geringen Zusammenhang mit tatsächlichem Verhalten hat. Die Bekehrung der Klimaleugner wird demnach nicht die Lösung sein.
«Was steht nachhaltigem Handeln im Weg?»
Prägung in der Kindheit

In einem anderen Ansatz werden Faktoren in der Kindheit untersucht, welche nachhaltiges Handeln im Erwachsenenalter beeinflussen. Evans, Otto und Kaiser (2018) versuchten dem in einer zwölf Jahre dauernden Längsschnittstudie auf den Grund zu gehen. Sie untersuchten Kinder im Alter von sechs Jahren und prüften, welche Variablen in der Kindheit deren Umweltverhalten im Alter von 18 Jahren voraussagen können. Sie fanden vier Variablen, die mit dem späteren Verhalten zusammenhängen: Die Bildung der Mutter, die Zeit, die das Kind draussen spielt, die Umwelteinstellung der Mutter und das Umweltverhalten der Mutter. Die Autoren benutzten diese vier Variablen, um in einem linearen Modell die Änderung des Umweltverhaltens vorherzusagen. Wenn jedoch alle vier Variablen miteinander die Änderung des Umweltverhaltens voraussagen sollten, hatten nur noch die Bildung der Mutter und die Zeit, die das Kind draussen spielt, einen Einfluss. Dies zeigt, dass der Zusammenhang des Umweltverhaltens und der Umwelteinstellung der Mutter mit dem Umweltverhalten der Jugendlichen zwölf Jahre später, durch die Zeit, welche sie draussen verbringen und die Bildung der Mutter erklärt werden kann. Interessant ist auch, dass die politische Einstellung der Mutter keinen Einfluss auf das Umweltverhalten der Jugendlichen hatte.
Viele Hebel an denen man ansetzen kann
Generell können auch sozialpsychologische Handlungsmodelle zur Erklärung von umweltrelevantem Handeln genutzt werden. Als Beispiel sei hier die Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991) genannt. Danach können Interventionen an verschiedenen Punkten ansetzen. Dies wird auch im Modell zum umweltbewussten Handeln von Fietkau und Kessel (1981) deutlich. Im Gegensatz zu den allgemeinen sozialpsychologischen Modellen handelt es sich dabei um ein spezifisches Modell für umweltrelevantes Verhalten. Dementsprechend können daraus diverse Ansatzpunkte für Interventionen einfacher abgeleitet werden (siehe Illustration). Um umweltrelevantes Verhalten zu fördern, kann nach dem Modell an fünf Punkten angesetzt werden: Als Erstes können Handlungsangebote geschaffen werden, welche Möglichkeiten bieten, umweltverträglich zu Handeln. Ohne ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz und eine intakte Bahninfrastruktur können die meisten Menschen nicht auf das Auto verzichten. Je weniger Velowege es gibt, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit sein, dass wir mit dem Velo zur Arbeit fahren. Die zweite Möglichkeit besteht in der Vermittlung von umweltbezogenen Werten und Einstellungen, welche das nachhaltige Handeln fördern, denn wem die Natur nichts bedeutet und wer keinen Wert in der Artenvielfallt sieht, der wird sein Verhalten nicht danach ausrichten. Drittens kann umweltrelevantes Wissen vermittelt werden. Wenn ich nicht weiss, dass mein Auto die Umwelt belastet, komme ich nicht auf die Idee, mein Verhalten anzupassen. Der Bauer, dem die Natur wichtig ist, wird seine Produktion erst anpassen, wenn ihm bewusst ist, dass die Überdüngung von Böden und die Ausschwemmung der Nährstoffe in die Gewässer ein grosses Problem darstellen. Als Viertes können die Konsequenzen des eigenen Handelns mit Feedback sichtbar gemacht werden. Wenn ich den Wasserverbrauch während dem Duschen ablesen kann, beeinflusst das meinen Wasserverbrauch. Wenn ich die Emissionen meines Ferienfluges rückgemeldet bekomme, werde ich vielleicht auf den nächsten Flug verzichten. Fünftens können Handlungsanreize geschaffen werden. Der Staat kann mit Steuern den Verbrauch von Schadstoffen sanktionieren und den Bahnverkehr subventionieren.
Theorie des geplanten Verhaltens
Die Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991) ist eine Erweiterung der Theorie des überlegten Verhaltens. Mit ihr wird bewusstes Handeln vorhergesagt. Dabei bestimmen die Einstellung gegenüber dem Verhalten, die subjektive Norm und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle die Verhaltensabsicht. Die Verhaltensabsicht ist wiederum der Prädiktor für das Verhalten. Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle beeinflusst dabei sowohl die Verhaltensabsicht als auch das Verhalten.
Nebenwirkungen beachten!
Wer nun begonnen hat sein Handeln nachhaltiger zu gestalten, dem bleibt noch das Problem der mentalen Buchhaltung. Nach der Theorie der mentalen Buchhaltung (Thaler, 1980) wird ein umweltschonendes Verhalten als solches in der geistigen Abrechnung verbucht. Die Wahrscheinlichkeit bei einer weiteren Entscheidung das umweltschonende Verhalten zu bevorzugen sinkt, da das Konto bereits ausreichend gefüllt und somit das schlechte Gewissen getilgt ist.
«Kann die Psychologie Umweltverhalten und nachhaltiges Handeln erklären?»
Chatelain und Kollegen (2018) untersuchten den Effekt der mentalen Buchhaltung für umweltrelevantes Verhalten. Sie fanden den Effekt bei aufeinanderfolgenden Verhaltensweisen, die ähnlich sind – zum Beispiel zweimal Recycling. Wenn sich die Handlungen aber deutlich unterschieden gab es den Effekt nicht. Interessant war auch der Einfluss von Emotionen. Positive Emotionen konnten wiederholtes Umweltverhalten fördern und den Effekt der mentalen Buchhaltung kompensieren. Der Effekt der mentalen Buchhaltung zeigte sich nur bei der Gruppe, in der eine Werbung präsentiert wurde, welche negative Emotionen verursachte.
Dies zeigt, dass Angstmacherei und die Förderung von nachhaltigem Verhalten über schlechtes Gewissen keinen langfristigen Effekt haben. Umweltverhalten muss Freude bereiten. Also sorgen wir besser dafür, dass Kinder möglichst viel Zeit in der Natur verbringen und später nachhaltig und umweltbewusst handeln. Hoffentlich ist es nicht zu spät.
Zum Weiterlesen
Hänggi, M. (2018). Null Öl. Null Gas. Null Kohle. Wie Klimapolitik funktioniert. Ein Vorschlag. Zürich: Rotpunktverlag.
[An Grafik-Team: Bei den Zitaten je nach Platz 0-2 auswählen; ihr habt die Freiheit]
Literatur
Ajzen, I. (1991). The theory of planned behavior. Organizational Behavior And Human Decision Processes, 50(2), 179-211. doi:10.1016/0749-5978(91)90020-T
Bamberg, S., & Möser, G. (2007). Twenty years after Hines, Hungerford, and Tomera: A new meta-analysis of psycho-social determinants of pro-environmental behaviour. Journal Of Environmental Psychology, 27(1), 14-25. doi:10.1016/j.jenvp.2006.12.002
Chatelain, G., Hille, S. L., Sander, D., Patel, M., Hahnel, U. J., & Brosch, T. (2018). Feel good, stay green: Positive affect promotes pro-environmental behaviors and mitigates compensatory ‚mental bookkeeping‘ effects. Journal Of Environmental Psychology, 56, 3-11. doi:10.1016/j.jenvp.2018.02.002
Dunlap, R. E., Gallup, G. H., Jr., & Gallup, A. M. (1993). Of Global Concern: Results of the Health of the Planet Survey, Environment, 35(9), 7-39. doi:10.1080/00139157.1993.9929122
Evans, G. W., Otto, S., & Kaiser, F. G. (2018). Childhood origins of young adult environmental behavior. Psychological Science, 29(5), 679-687. doi:10.1177/0956797617741894
Fietkau, H.-J., & Kessel, H. (1981). Umweltlernen. Veränderungsmöglichkeiten des Umweltbewusstseins. Königstein: Hain.
Global Footprint Network. (2016). Living Planet Report 2016. Retrieved from http:// www.footprintnetwork.org/living-planet-report/.
Milfont, T. L., & Schultz, P. W. (2016). Culture and the natural environment. Current Opinion In Psychology, 8194-199. doi:10.1016/j.copsyc.2015.09.009
Thaler, R. (1980). Toward a positive theory of consumer choice. Journal of Economic Behavior & Organization, 1(1), 39-60. doi:10.1016/0167-2681(80)90051-7