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Mein Herz tut weh

Zum Hintergrund des Broken-Heart-Syndrom

Das Broken-Heart Syndrom wurde in den 90er Jahren entdeckt. Seitdem wurden hauptsächlich Frauen in einem Alter über 60 Jahren mit diesem Syndrom diagnostiziert. Was steckt hinter diesem Syndrom? Warum beginnt das Herz zu schmerzen? Welche Ursachen kann es haben und was hat der Kopf damit zu tun?

Von Lisa Makowski
Lektoriert von Michelle Donzallaz und Selina Landolt
Illustriert von Lucia Gasparovicova und Hannah Löw

Unser Herz pocht nicht nur jede Minute im Schnitt 60 bis 100 Mal, sondern manchmal scheint es als ob es unmittelbar mitfühlt und denkt (Mayoclinic, 2019). Bereits Saint-Exupéry sagte im kleinen Prinzen, dass man mit dem Herzen gut sieht, jedoch das Wesentliche für die Augen unsichtbar bleibt (Saint-Exupéry, 1973). Die Aktivität des Herzens wird aber auch durch das beeinflusst, was wir tagtäglich erleben. Im Falle einer emotional stark belastenden Trennung oder beim Verlust eines geliebten Menschen kann es sogar sprichwörtlich brechen. Im Englischen wird dieses Phänomen Broken-Heart-Syndrom oder im medizinischen Kontext auch Tako-Tsubo-Syndrom genannt (Schneider & Sechtem, 2016). Das erste Mal wurde das Syndrom 1990 bei einer Frau in Japan diagnostiziert, nach deren Namen sich auch der medizinische Fachbegriff ergab (Schneider & Sechtem, 2016; Pelliccia, Kaski, Crea, & Camici, 2017). Das Syndrom zeigt sich vor allem bei Frauen und ab einem Alter von 60 Jahren (Pelliccia et al., 2017). Neben dem Geschlecht scheint auch das Alter eine Rolle zu spielen. Die meisten der betroffenen Frauen sind postmenopausal, befinden sich also im Durchschnitt in einem Alter von weit über 60 und älter (Schneider & Sechtem 2016). Auch die bisher diagnostizierten Männer befanden sich in einem Alter über 60. Wie fühlt sich das aber an und was können Ursachen dafür sein?

Der folgende Artikel soll zuerst auf die Symptome eingehen, die bei einem Broken-Heart-Syndrom auftreten können. Darauf werden Ursachen erläutert und der Unterschied zum Herzinfarkt aufgezeigt. Schliesslich wird die Verbindung zwischen Kopf und Herz mit Interozeption dargelegt und der Bezug zum Broken-Heart-Syndrom dargestellt.  

Das gebrochene Herz – die Symptome

Hat man ein Broken-Heart-Syndrom, leidet man an Atemnot und verspürt ein Engegefühl in der Brust (Mahajani & Suratkal, 2016). Zudem zeigt der Körper seine Reaktion durch einen sinkenden Blutdruck und eine Beschleunigung des Herzschlags. Es kann zu Schweissausbrüchen kommen, wie auch zu Übelkeit oder Erbrechen. Diese Symptome treten plötzlich auf und entsprechen weitestgehend denen eines Herzinfarkts. Dennoch ist es wichtig, die beiden Erscheinungen zu unterscheiden (Mahajani & Suratkal, 2016). Bei einem Herzinfarkt können verschiedene Bereiche im Herzen betroffen sein (Eichner, 2016). Bei einem Broken-Heart-Syndrom ist die Lokalisation spezifischer und meist linksseitig. Zudem sind von Herzinfarkten deutlich mehr Männer betroffen als Frauen, bei einem Broken-Heart-Syndrom deutlich mehr Frauen (Eichner, 2016; Pelliccia et al., 2017). Weitere Unterschiede ergeben sich im Schweregrad beider Ereignisse (Pelliccia et al., 2017). Ein Herzinfarkt kann deutlich schlimmer verlaufen als ein Broken-Heart-Syndrom und irreversibel sein bzw. bis zum Tod führen. Bei einem gebrochenen Herzen sind bisher nur sehr wenige Fälle bekannt, die tödlich verliefen. Die meisten Patienten|innen genesen vollständig (Schneider & Sechtem, 2016). Gemeinsam bleiben dem Herzinfarkt und dem Broken-Heart-Syndrom aber dennoch, dass der Auslöser oft ein einschneidendes Lebensereignis ist. Auch bei einem Herzinfarkt können psychische Ereignisse die Auslöser sein (Pelliccia et al., 2017).

«Über alles hat der Mensch Gewalt, nur nicht über sein Herz» Christian Friedrich, 1813-1863

Das gebrochene Herz – die Ursachen

Objektiv betrachtet, erkennt man ein gebrochenes Herz anhand einer EKG-Aufzeichnung, bei der sich die T-Welle (Phase der Erregungsrückbildung im Herzschlag) verändert (Pelliccia et al., 2017; van Lien, Neijts, Willemsen, & Geus, 2014). Zudem zeigen sich auch Veränderungen im Herzecho. Dabei handelt es sich um Aufzeichnungen einer Ultraschalluntersuchung des Herzens. Des Weiteren verändern sich auch die Herzenzyme – sie nehmen zu. Herzenzyme sind Proteine, die eine Schädigung des Herzmuskels anzeigen können (Stieger et al., 2018). Das Zunehmen der Herzenzyme ist kein gutes Zeichen und kann ein Risiko für einen möglichen Herzinfarkt darstellen (Leach et al., 2017). Dennoch bleibt das koronare Angiogramm normal. Dieses wird während einer Angiographie, einem nicht-invasiven Herzeingriff, erstellt (Galbraith, Murphy, & de Soyta, 1978). Es handelt sich dabei um seriell aufgenommene Röntgenbilder. Ein Angiogramm wird dann durchgeführt, wenn Herzprobleme vermutet werden (Ferreira et al., 2017; Pelliccia et al., 2017). 

Dass sich ein Herz gebrochen anfühlt, kann physiologische Ursachen haben, die aus psychischem Stress resultieren. Das Tako-Tsubo-Syndrom kann also starken psychischen Stress zur Ursache haben. Solche möglichen Stressoren können zum Beispiel der Verlust oder Tod eines|er Partners|in, ein Umzug oder eine Krankheit eines|er Angehörigen sein (Y-Hassan, Feldt, & Stålberg, 2015; Schneider & Sechtem, 2016). Kommt es zu emotionalem Stress, werden Katecholamine wie Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet – und das in einem enormen Ausmass (Pelleiccia et al., 2017; Schneider & Sechtem, 2016). Durch die starke Katecholaminausschüttung kommt es zu einer inadäquaten Stressantwort des Körpers, was zu einer Unterversorgung des Herzmuskels führen kann (Schneider & Sechtem, 2016). Infolgedessen ist eine Schädigung und Störung des Herzrhythmus möglich (Pelliccia et al., 2017). Mit dem Ergebnis: Das Herz tut weh.  

Andere Forscher glauben neben dem, dass das Broken-Heart-Syndrom auch rein hormonell bedingt sein kann und deswegen eventuell auch etwas mit der abgeschlossenen Menopause zu tun haben kann (Scheinder & Sechtem, 2016). Andere wiederum meinen, das Broken-Heart-Syndrom sei ein rein stressabhängiges Ereignis, was den Zusammenhang zwischen Kopf und Herz unterstreichen würde. Das Broken-Heart-Syndrom zählt man deshalb auch zu den sogenannten Herz-Kopf-Krankheiten (engl. Brain-Heart Disorder, BHDs; Finsterer & Wahbi, 2104), dies bedeutet, dass was in unserem Kopf passiert, einen Einfluss auf unsere körperlichen Reaktionen haben kann. Dass ein Tako-Tsubo-Syndrom allerdings auch ohne vorangehendes, stressreiches Ereignis auftreten kann, zeigen Pelliccia et al. (2017) in ihrer Studie auf. Allerdings gibt es andere Patientenbeispiele, bei denen es kein stressreiches Ereignis gab, es aber dennoch zu einem Tako-Tsubo-Syndrom kam (Pelliccia et al., 2017). 

Interaktionen zwischen Kopf und Herz

Der Grundgedanke, dass die eigenen Organe nicht losgelöst vom Gehirn arbeiten, geht auf Begrifflichkeiten des zentralen Nervensystems zurück. Dabei ist der Begriff Interozeption wichtig (Ceunen, Vlaeyen, & Van Diest, 2016). Nach Critchley und Garfinkel (2017) steht hinter Interozeption die Idee, dass unsere internalen Körpersignale unser Verhalten und unsere Emotionen beeinflussen. Dieser Beeinflussung sind wir uns aber meistens nicht bewusst. Es zeigt sich zum Beispiel, wenn wir gestresst sind, dass sich unsere Hautleitfähigkeit verändert und unser EKG unregelmässiger verläuft. Bei der Interozeption sind es unsere Organe, die sich zum Beispiel anhand emotionaler Veränderungen anders verhalten (Critchley & Garfinkel, 2017). Man kann dies durch physiologische Masse anhand eines Elektroencephalogramms (EEG) EEGs oder eines Elektrokardiogramms (EKG) zeigen. So kann es auch zu Abweichungen im EKG bei traurigen im Vergleich zu positiven Bildern kommen. Dies zeigt uns, dass die innerlichen und äusserlichen Prozesse nicht unabhängig voneinander stattfinden (Critchley & Garfinkel, 2017). Ein Ungleichgewicht in unserem Körper kann sich auf unser Verhalten, sowie auf unsere Persönlichkeit auswirken. Genauso können äussere Einflüsse aber auch Körperfunktionen verändern und uns sogar krank werden lassen (Critchley & Garfinkel, 2017).Unser Bewusstsein wird durch unseren Körper beeinflusst und umgekehrt. Unsere Emotionen und körperlichen Signale sind also stark voneinander abhängig. Auf diese Weise zeigt sich, wie äussere Ereignisse auch einen Einfluss auf unser Innenleben haben. Was wir fühlen und spüren geht nicht spurlos an uns vorbei. Schmerz kann sich innerlich wie äusserlich widerspiegeln und somit auch in einem gebrochenen Herz enden. 


Zum Weiterlesen und -schauen

NDR Ratgeber. (21.08.2018). Broken-Heart-Syndrom erkennen und behandeln. [Videodatei] Abgerufen am 08. Januar 2019 von https://www.youtube.com/watch?v=ChiM_BC0HXU

Pelliccia, F., Kaski, J. C., Crea, F., & Camici, P. G. (2017). Pathophysiology of Takotsubo Syndrome. Circulation, 135, 2426-2441. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.116.027121

Schneider, B., & Sechtem, U. (2016). Influence of age and gender in takotsubo syndrome. Heart Failure Clinical, 12, 521-530. doi:10.1016/j.hfc.2016.06.001

Y-Hassan, S., Feldt, K., & Stålberg, M. (2015). A missed penalty kick triggered coronary death in the husband and broken heart syndrome in the wife. The American Journal of Cardiology, 116(10), 1639-1641. doi:10.1016/j.amjcard.2015.08.033

Literatur

Ceunen, E., Vlaeyen, J. W. S., & Van Diest, I. (2016). On the origin of interoception. Frontiers in Psychology, 7, 743. doi:10.3389/fpsyg.2016.00743

Critchley, H. D., & Garfinkel, S. N. (2017). Interoception and emotion. Current Opinion in Psychology, 17,7-14. doi:10.1016/j.copsyc.2017.04.020

Eichner, E. R. (2016). Never take your heart by surprise: Heart attack triggers. Current Sports Medicine Reports, 15(2), 65-66. doi:10.1249/JSR. 0000000000000234

Ferreira, J.P., Rossignol, P., Demissei, B., Sharma, A., Girerd, N., Anker, S.D., , … Zannad, F. (2017). Coronary angiography in worsening heart failure: determinants findings and prognostic implications. Heart, 104(7), 606-613. doi:10.1136/heartinI-2017-311750

Finsterer, J, & Wahbi, K. (2014). CNS disease triggering Takotsubo stress cardiomyopathy. International Journal of Cardiology, 177, 322-329. doi:10,1016/j.ijcard.2014.08.101

Galbraith, J. E., Murphy, M. L., & de Soyza, N. (1978). Coronary angiogram interpretation – Interobserver variability. JAMA, 240(19), 2053-2056. doi:10.1001/jama.1978.03290190031023

Pelliccia, F., Kaski, J. C., Crea, F., & Camici, P. G. (2017). Pathophysiology of takotsubo syndrome. Circulation, 135, 2426-2441. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.116.027121

Leach, J. P., Heallen, T., Zhang, M., Rahmani, M., Morikawa, Y., Hill, M. C., … Martin, J. F. (2017). Hippo pathway deficiency reverses systolic heart failure after infarction. Nature, 550(7675), 260-264. doi:10.1038/nature24045

Mahajani, V., & Surathkal, V. (2016). Broken heart syndrome. Journal of the Association of Physicians in India, 64(6), 60-63. doi:…
Mayoclinic. (2019). Abgerufen am 19. Januar 2019 von https://www.mayoclinic.org/healthy-lifestyle/fitness/expert-answers/heart-rate/faq-20057979

Schneider, B., & Sechtem, U. (2016). Influence of age and gender in takotsubo syndrome. Heart Failure Clinical, 12, 521-530. doi:10.1016/j.hfc.2016.06.001

Stieger, P., Rana, O. R., Saygili, E., Zazai, H., Rauwolf, T., Genz, C., Braun-Dullaeus, R. C., & Said, S. M. (2018). Impact of internl and external electrical cardioversion on cardiac specific enzymes and inflammation in patients with atrial fibrillation and heart failure. Journal of Cardiology, 72(2), 135-139. doi:10.1016/j.jcc.2018.01.016

van Lien, R., Neijts, M., Willemsen, G., & de Geus, E. J. C. (2014). Ambulatory measurement of the ECG T-wave amplitude. Psychophysiology, 52, 225-237. doi:10.1111/psyp.12300

Y-Hassan, S., Feldt, K., & Stålberg, M. (2015). A missed penalty kick triggered coronary death in the husband and broken heart syndrome in the wife. The American Journal of Cardiology, 116(10), 1639-1641. doi:10.1016/j.amjcard.2015.08.033

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