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Professoren|innen gefragt

Wofür brennen Sie in der Psychologie?

Gesammelt von Noémie Lushaj

Prof. Dr. Urte Scholz

Ich finde an der Psychologie besonders toll, dass sie so vielfältig ist. Das war für mich auch der Grund, Psychologie zu studieren. Trotzdem habe ich bereits während des Studiums meine Leidenschaft für die Gesundheitspsychologie und insbesondere für die Veränderung des Gesundheitsverhaltens (z.B. mehr Sport treiben, sich gesünder ernähren, nicht mehr rauchen) entdeckt. Mich fasziniert seitdem, was die Motivation für gesundes Verhalten und dessen langfristige Umsetzung im Alltag bedingt. In den vielen Jahren, die ich mich nun schon damit beschäftige, wurde die «Flamme der Leidenschaft» für dieses Thema durch die zahlreichen interessanten Fragen, die sich dabei ergeben, immer grösser. Eine dieser Fragen, die mittlerweile im Zentrum meiner Forschung steht, ist, wie unsere sozialen Beziehungen unser Gesundheitsverhalten beeinflussen. Die hohe gesellschaftliche und individuelle Relevanz dieses Forschungsgebiets sind für mich weitere gute Gründe, dafür zu brennen.

Prof. Dr. Guy Bodenmann

Psychologie ist für mich eine extrem spannende Disziplin. Sie umspannt dermaßen viele Lebensbereiche, Themen und Konstellationen innerhalb der gesamten Lebensspanne. Wie Menschen denken, fühlen und handeln, was sie antreibt und lähmt, warum einige unter gewissen Bedingungen Störungen entwickeln, während andere sich als resilient erweisen, weshalb wir gewisse Menschen attraktiv finden und dennoch aus diesen vielen nur zu einem oder wenigen Liebe entwickeln, wie man Mitarbeitende führt, wie Menschen in Not geholfen werden kann, wie Partnerschaften gelingen… Innerhalb all der spannenden Themen brenne ich seit Jahren für ein besseres Verständnis interpersoneller Beziehungen. Warum leben Menschen in einer Partnerschaft länger? Warum sind sie gesünder? Warum erleiden Menschen in unglücklichen Partnerschaften häufiger Rückfälle nach erfolgreicher Therapie? Warum ist Kommunikation so wichtig und welche Form zu welcher Zeit? Wie können wir Familien stärken?

Prof. Dr. Klaus Jonas

Meine Lieblingsdisziplin ist die Sozialpsychologie. Ich bin gerade von einer 2 Wochen dauernden Bildungsreise nach Polen zurückgekehrt und habe dort viel gelernt: Über die drei polnischen Teilungen, die Geschichte jüdischen Lebens in Polen, die Verbrechen der Nazis im 2. Weltkrieg, das Vernichtungslager Auschwitz, den Aufstand des Warschauer jüdischen Ghettos von 1943, den Warschauer Aufstand von 1944, die Vertreibungen von Deutschen und Polen aufgrund der Konferenzen der Alliierten von Teheran, Jalta und Potsdam, die Zeit des Kalten Kriegs, die Gewerkschaft Solidarnosc, die Bedeutung der katholischen Kirche sowie die starke Verehrung des verstorbenen Papstes Johannes Paul II durch die polnische Bevölkerung.

Ohne die sozialpsychologische Forschung zu Aggression, Einstellungsänderung, Stereotypen, Intergruppenkonflikten, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Antisemitismus hätte ich die leidvolle Geschichte Polens sehr viel schlechter verstehen können.

Prof. Dr. Martin Kleinmann

Das mit dem Brennen ist zweischneidig. Brennen ist Energie, kann somit aber auch zu Verbrennungen führen. Wir alle wissen um die negativen Folgen des (Ver)Brennens für die Arbeit – Burnout. Was mich nach wie vor begeistert, ist das Beobachten und Verstehen von Menschen in Organisationen. Dies begeistert mich sogar so sehr, dass ich neulich beim Zoll, bei dem ich zwei Stunden lang viel zu ausführlich beachtet wurde (ich wollte einen neuwertigen Gegenstand, den ich im Ausland gekauft hatte, wieder zurücktauschen), am meisten bedauerte, dass ich keine versteckte Body-Cam hatte, so faszinierend waren die Problemlösungsversuche der involvierten Organisationsmitglieder. Es gab so viel Anschauungsmaterial für organisationales Commitment, Führung, Service-Orientierung, Problem- und / oder Lösungsorientierung, dass ich liebend gern davon viel für die Vorlesung festgehalten hätte. Insofern bin ich immer voller Neugier bei Organisationsbegegnungen – das ist oft einfach unglaublich faszinierend.

Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker

Wofür man im Fach brennt, ist eine schwierige Frage. Was mich betrifft, in erster Linie wohl doch für die psychischen Störungsbilder der Trauma- und Belastungsfolgestörungen. Hier «brenne» ich mit der Zeit noch mehr zu wissen, als das viele, was bereits in den letzten 30 Jahren, seit es diese Diagnose(n) gibt – und letztendlich den Betroffenen helfen zu können. Aber letzthin kam bei mir noch ein anderes Thema hinzu, dem ich mehr Beachtung und Anerkennung im Fach wünsche: Probleme der Ethik und der Geschichte der Psychologie. Wie kommt es zu Instrumentalisierung und Missbrauch psychologisch-(wissenschaftlicher) Tätigkeiten? Sei es bei Cambridge Analytics und deren Wahlmanipulationen. Sei es im Fall der «operativen Psychologie» der Stasi in der DDR, insbesondere bei «Zersetzungsmassnahmen». Ich hoffe, dass es irgendwann in der Psychologie-Lehre Platz dafür gibt, diese Probleme zu thematisieren.

Prof. Dr. Moritz Daum

Vieles was in Fachzeitschriften veröffentlicht wird, wirkt auf einen Laien abstrakt, nicht verständlich. Es werden Effekte von wenigen Millisekunden berichtet, die schwer nachvollziehbar sind. Es gibt aber eine Vielzahl an Möglichkeiten, abstrakte Dinge ganz konkret werden zu lassen: Dass das Gehirn die Informationen die über verschiedene Sinnesrezeptoren eingehen, multisensorisch integriert, lässt sich anhand des McGurk-Effekts zeigen (McGurk & MacDonald, 1976; Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=G-lN8vWm3m0). Dass sich die Wahrnehmung auf der Basis des Wissens verändert, zeigen sogenannte «Hidden Figures» und andere visuelle Täuschungen (eine breite Übersicht gibt die Webseite http://www.michaelbach.de/ot/index.html). Die Psychologie als Wissenschaft anschaulich und verständlich darzustellen, dafür brenne ich.


Zum Weiterlesen

Bach, M. (2019). 135 Visual phenomena & optical illusions. Retrieved August 28, 2019, from http://www.michaelbach.de/ot/index.html

BBC. (October 10, 2010). Try this bizarre audio illusion! – BBC. [Video file]. Retrieved August 28, 2019, from, https://www.youtube.com/watch?v=G-lN8vWm3m0.

McGurk, H., & MacDonald, J. (1976). Hearing lips and seeing voices. Nature, 264(5588), 746–748. doi:10.1038/264746a0

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